Neubebauung des BayWa-Areals in Herrenberg

Der vorliegende Entwurf für ein neues Dienstleistungszentrum mit Wohnen auf dem ehemaligen BayWa-Standort in Herrenberg überzeugt durch seine klare, robuste Setzung im städtischen Raum. Die Verfasser schaffen einen eingeschossigen Sockel auf dem sie ihr Gebäudeensemble platzieren, bestehend aus drei Bausteinen: dem Dienstleistungsbereich, dem temporären Wohnen und dem reinen Wohnbereich. Die Ablesbarkeit der Funktionen ist gegeben, ohne dass der bauliche Gesamteindruck der Anlage leidet. Die Adressbildung der Einzelbausteine ist gut auffindbar. Als besonders gelungen wird die angenehme und mit Fingerspitzengefühl differenzierte Fassadengestaltung an der Kalkofenstraße beurteilt. Hier ist die Maßstäblichkeit im städtischen Raum gewahrt. Begrüßt wird auch das vorgeschlagene Angebot einer größeren Gewerbefläche in diesem Bereich.
Auf dem eingeschossigen Sockel befindet sich der zentrale, langgestreckte Boulevard in Ost-Westrichtung. Er schafft einen auf angenehme Weise räumlich differenzierten Außenraum. Dieser versteht es die Übergänge zwischen Öffentlichkeit und Privatheit zu rhythmisieren und zu hierarchisieren. Auf diese Weise werden unterschiedliche Orte mit hoher Aufenthaltsqualität geschaffen. Kontrovers werden die Belichtungsverhältnisse der Zugangshöfe im Bereich der Büroeinheiten diskutiert. Sie liegen im Norden und werden deutlich verschattet durch die 4-5geschossigen Gebäudeteile. Auch die erdgeschossige Situation der Wohnungen an den geplanten Wohnhöfe am Übergang zum Boulevard wird hinterfragt. Hier sollte über eine alternative Nutzung nachgedacht werden. Die zurückhaltende erdgeschossige Abschottung der Wohnhöfe wird allerdings begrüßt, schafft sie doch das nötige Maß an Rückzug und Privatheit.
Am östlichen Ende des Boulevards wir ein schlanker, gut proportionierter, 7-geschossiger Kopfbau situiert. Er bildet den Abschluss des Quartiersboulevard zur Stadt hin. Gliederung und bauliches Maß sind überzeugend gesetzt und versprechen einen adäquaten Auftakt ins Quartier. Die vorgeschlagene Hotelnutzung mit ca. 80 Zimmern wird allerdings hinterfragt. Hier wäre ein offeneres Angebot z.B. für temporäres Wohnen wünschenswert.
Der architektonische Duktus des neuen Quartiers ist überzeugend vorgetragen. Hierzu trägt die klare und präzise Ausarbeitung der Fassadengliederung in Kombination mit den vorgeschlagenen Materialen bei. Die Klinkerfassaden versprechen ein zeitloses mit Anstand alterndes Äußeres der Gebäude.
Die innere Organisation der Bürogebäude entzieht sich der klassischen Monotonie endloser Flurbereiche, hin zu abwechslungsreichen Erschließungsflächen. Auch die vorgeschlagenen Wohnungstypologien überzeugen in Struktur und Orientierung. Auch das klassisch organisierte Hotel verspricht eine klare innere Orientierung und gute Belichtungsverhältnisse.
Die konstruktive Lösung und die Materialität der Innenräume erscheinen angemessen. Die Gesamtfunktionalität der Neubauten wurde überzeugend nachgewiesen.
Der Entwurf bewegt sich in den gewünschten städtebaulichen Kenndaten. Sowohl die Bruttogrundfläche, als auch die notwendigen Verkehrs- und Nutzflächen sind reduziert, ohne dabei räumlich, gestalterische Qualitäten opfern zu müssen.
Kritisiert wird der fehlende Nachweis für eine ausreichende Erreichbarkeit der Gebäude durch die Feuerwehr. Auch der Umgang mit der Barrierefreiheit weiß noch nicht gänzlich zu überzeugen.
Insgesamt ist dieser Entwurf ein erfreulicher Beitrag. Die städtebaulich-architektonische Gestalt wirkt der Aufgabe gegenüber angemessen. Den Verfassern gelingt es ein lebendiges städtisches Quartier in unmittelbarer Nähe zur Kernstadt zu schaffen. Es handelt sich hier um eine insgesamt sehr gute Arbeit mit ansprechenden außen- und innenräumlichen Qualitäten.