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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2019

Neubau Kinderhaus Schneidergarten in Bietigheim

Neubau Kinderhaus Schneidergarten in Bietigheim

Neubau Kinderhaus Schneidergarten in Bietigheim

4. Preis

Preisgeld: 4.000 EUR

Rottland+ Architekten

Architektur

Erläuterungstext

MIT OFFENEN ARMEN…

…empfängt das Kinderhaus Schneidergarten seine sich von Norden, von der Stadt her, nähernden Besucher.
Die in drei Baukörper gegliederte Eingangsseite passt sich dem Maßstab der umgebenden Wohnhäuser an. Entlang der flankierenden Straßen, also nach Osten und Westen zeigt der Neubau hingegen eine städtebaulich angemessene klare Kante ohne sich zu verschließen. Auf der einen Seite stellt er damit ein Pendant zu der straßenbegleitenden, traufständigen Wohnbebauung dar, auf der anderen Seite bildet er so etwas wie einen gefühlten Ortsrand und ein Gegengewicht zu dem großmaßstäblichen Einzelhandel. Zur alten Bundesstraße, etwas abgeschirmt, öffnet sich der Baukörper dagegen zur Wohnbebauung und lädt mit seinem Vorplatz, neben seiner Erschließungsfunktion, zum Aufenthalt, Warten, zu einem Gespräch oder zum Spielen ein. Ganz gleich ob man zu Fuß, mit dem Fahrrad oder Auto gekommen ist, auf dem Platz treffen sich alle, um dann durch den Windfang das zweigeschossige Foyer zu betreten. Hier hat man sich schnell orientiert.

Zu beiden Seiten des zentralen Innenhofes liegt jeweils eine Gruppe, rechts Ü3, links U3, sowohl im Erdgeschoss als auch im Obergeschoss, welches über eine zentral im Foyer gelegene Treppe oder den gegenüberliegenden Aufzug zu erreichen ist. Unmittelbar an das Foyer angegliedert, und zu diesem auch vollständig zu öffnen, sind Bistro/ Bewegungsraum mit eigenem Außenbereich sowie die Mittagsverpflegung der Unter-Dreijährigen. Direkt gegenüber und gerade nicht in den Tiefen des Gebäudes versteckt, ist die Küche angeordnet, deren Wertigkeit als Teil der pädagogischen Räume damit noch einmal hervorgehoben wird. Auch das Leitungszimmer und die sonstigen übergeordneten, nicht unmittelbar den Gruppen zugehörigen Räume, sind im Obergeschoss direkt vom Foyer aus zu erreichen.

Der gemeinschaftliche Bereich der auf dem Vorplatz beginnt, sich im Foyer fortsetzt und über und um den Innenhof fließt, mündet schließlich in der gemeinschaftlichen Außenspielfläche im Süden. Die hellen, über den Innenhof belichteten, Flure weiten sich vor den Eingängen der Gruppen auf, um diese einerseits kenntlich zu machen und andererseits genügend Raum für die dort angeordneten Garderoben zu bieten. Ganz im Sinne eines teiloffenen Konzeptes sind die Zugänge der Ü3-Gruppen gegenüberliegend angeordnet. Zugleich kann über die Verbindungstüren zwischen den Kleingruppenräume jederzeit auch innenliegend ein Wechsel zwischen den benachbarten Gruppen stattfinden. Den Gruppen vorgelagert sind altersbezogene Freiflächen, die aus dem Obergeschoss über den Fluchtbalkon und die Freitreppe vor Kopf zu erreichen sind.
Nach Süden öffnen sich diese Bereiche dann in den großzügigen, gemeinschaftlichen Außenbereich.

Für Pflegearbeiten ist dieser auch seitlich über einen Zugang vom Fichtenweg aus zu erreichen. Hier sind ebenfalls die Stellplätze angeordnet, zwölf für Mitarbeiter/-innen und Besucher sowie vier Kurzzeitparkplätze zum Holen und Bringen. Alternativ hierzu besteht auch die Möglichkeit die Kinder in der Vorfahrt seitlich des Platzes heraus zulassen. Wer das Fahrrad benutzt oder mit Buggy oder Kinderwagen kommt wird durch die Möglichkeit das Gefährt unmittelbar am Eingang abstellen zu können belohnt.

Die Gliederung des Gebäudes in drei Baukörper findet sich auch in der Gestaltung der Fassaden wieder. Die beiden Riegel mit den Aufenthaltsräumen sind bis auf die Gruppenbereiche mit einer vertikalen Holzlattung verkleidet, welche gleichermaßen Fenster und geschlossene Wandflächen umhüllt. Dies verschafft den dahinterliegenden Räumen ausreichend Belichtung, sowie Ein- und Ausblicke. Darüber hinaus wird der solare Eintrag reduziert und die Aufenthaltsräume der Kinder rein optisch in den Mittelpunkt gestellt. Ein Eindruck, den der Rücksprung der Fassade in diesem Bereich noch verstärkt. Der verbindende mittlere Baukörper zwischen den beiden optisch geschlossenen Riegeln ist im wirkungsvollen Kontrast hierzu großzügig verglast um den Charakter des durch das Gebäude fließenden gemeinschaftlichen (Außen-) Raumes zu betonen.

Die relativ neutrale Typologie des Gebäudes und die Skelett-Konstruktion begünstigen eine mögliche Nachnutzung, z.B. als Büro oder für betreutes Wohnen. Das Gebäude wird in Holztafelbauweise errichtet, was sowohl in Bezug auf die Gesamtenergiebilanz als auch hinsichtlich der Nachhaltigkeit kaum zu übertreffen ist. Überdies ist eine Realisierung der Ausbaustufen 2 und 3 ohne große Beeinträchtigung für den laufenden Betrieb möglich, da die in großem Maße vorgefertigten Elemente per Autokran seitlich von der Straße in Position gehoben und fertig ausgebaut werden können. Betonierabschnitte und lange Trocknungszeiten können somit umgangen werden. Dadurch, dass Konstruktion und Dämmung in einer Ebene liegen, können die hoch wärmegedämmten Bauteile in verhältnismäßig schlanken Abmessungen realisiert werden.
Die Verwendung von Zellulose als Einblasdämmung in den Wand- und Dachgefachen erhöht die Speichermasse, was sich positiv auf den sommerlichen Wärmeschutz auswirkt. Ergänzend dazu sorgen die vorgelagerten Balkone/ Dachüberstände und die zusätzlichen textilen Rollos für ausreichend Schutz vor zu hoher Solareinstrahlung. Zudem sind die großen Glasflächen nach Norden orientiert.
Trotzdem entstandene überschüssige Wärme kann nachts aus den Gruppenbereichen über den Innenhof ohne erhöhtes Einbruchsrisiko abgelüftet werden.

Die aufgeständerte Überdachung des Innenhofes aus eloxiertem Stahlblech die auch der Verschattung dient erhält das Profil eines Flugzeugflügels und erzeugt dadurch einen Auftrieb („Bernoulli-Effekt“ genannt) der die erwärmte Luft aus dem Gebäude zieht so dass kühle Nachtluft nachströmen kann. Auf eine Lüftung oder gar extrem energieaufwendige Kühlung kann somit verzichtet werden! Dadurch, dass alle Räume und Verkehrsflächen ausreichend natürliches Licht erhalten kann der Stromverbrauch für Beleuchtung auf ein Minimum reduziert werden.

Die Wärmeerzeugung erfolgt mittels einer Luft / Wasser Wärmepumpe und versorgt ausschließlich die Heizflächen. Bedingt durch das gewählte System Fußbodenheizung sind nur geringe Vorlauftemperaturen erforderlich was zu hohen Arbeitszahlen der Wärmepumpe führt. Das hat wiederum eine optimale Energieausnutzung und einen äußerst energieeffizenten Anlagenbetrieb zur Folge. Die Warmwasserbereitung wird nicht über die Heizungsanlage betrieben sondern erfolgt mittels elektrisch gesteuerter Durchlauferhitzer in den einzelnen Gruppen sowie der Küche, so dass auch die Gefahr einer Legionellenbildung ausgeschlossen wird. Die begrünten Flachdächer erlauben an jeder Stelle die Platzierung von Photovoltaikelementen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau
Positiv gesehen wird die klar zur Ortsmitte ausgerichtete großzügige Zugangssituation, die eine starke Adressbildung ermöglicht. Der Vorbereich wird jedoch durch die Idee einer Elternvorfahrt belastet. Das Gebäude ist insgesamt kompakt gehalten und schafft so einen großzügigen Freispielbereich im Süden des Grundstücks.

Freiraum
Der Freispielbereich für die Ü3 Gruppen ist großzügig bemessen, jedoch fehlt ein den Gruppen direkt zugeordneter Bereich. Positiv gesehen wird der klare Zugang aus beiden Gebäudeebenen über die Gebäudemitte. Den U3-Gruppen ist ein eigener Spielbereich in angemessener Größe zugeordnet.
Zur Abgrenzung des sehr schmalen Außengeländes der Ü3 Gruppen zum Fichtenweg sowie auch zur Abgrenzung zur alten B36 hätte sich das Preisgericht detailliertere Aussagen zur architektonischen Ausbildung gewünscht.

Erschließung
Die fußläufige Erschließung ist großzügig und attraktiv gelöst. Die Stellplätze für den Hol- und Bringverkehr sind an der falschen Stelle angeordnet. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die vorgeschlagene Vorfahrt nicht funktioniert sondern unzulässig beparkt wird. Die Längsparker am Fichtenweg sind aufgrund der hauptsächlichen Anfahrtsrichtung von Norden her nicht zu empfehlen.
Die überdachten Fahrradstellplätze am Fichtenweg befinden sich im Bauverbotsbereich der Gasleitung.
Der vorhandene Geh- und Radweg muss aufgrund der Gebäudestellung verlegt werden.

Nutzungs- und Raumkonzept
Begrüßt wird die klare Gliederung der U3- und Ü3-Bereiche in getrennten Gebäudeflügeln.
Die Chancen für gemeinsame Aktivitäten (Spiel, Essen), die sich aus der Gegenüberstellung der Gebäudeflügel ergeben, werden leider nicht genutzt, sondern durch die Ausprägung des Atriums als Kaltraum konterkariert.
Kritisch gesehen wird, dass der Mehrzweckraum nur über das Bistro zu erreichen ist.
In beiden Ebenen werden glaubhaft zentrale Garderoben als Schmutzschleuse angeboten.
Die Ausprägung der zentralen Treppe im Eingangsbereich überzeugt nicht.

Architektonische und gestalterische Qualität
Der klare Baukörper und die Fassadengestaltung überzeugen. Durch die vorgelagerten Balkone und die Dachauskragung erhalten beide Ebenen eine Übergangszone in den Außenraum, die ergänzt durch die vorgeschlagenen Markisen auch den sommerlichen Wärmeschutz ermöglichen.

Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit
Durch die klare Aufteilung des U3-Bereichs im östlichen Flügel und des Ü3 Bereichs im westlichen Flügel wird die Bauabschnittsbildung erschwert und kann nur durch Aufstockung und Rückbau teurer Gebäudehüllenteile erfolgen. Die vorgeschlagene Abschnittsbildung überzeugt nicht.
Die Verfasser schlagen eine Holzkonstruktion vor, die mit Zellulose gedämmt wird. Dies widerspricht jedoch dem Konzept der Nachtluftkühlung, da die notwendige Speichermasse fehlt.
Die Kenndaten lassen eine wirtschaftliche Umsetzung erwarten. Lediglich das Verhältnis Hüllfläche zu Rauminhalt ist negativ zu bewerten. Hier ist vor allem der eingeschnittene Innenhof zu nennen.

Insgesamt stellt die Arbeit einen guten Lösungsansatz dar, der jedoch an einigen Stellen Schwachpunkte aufweist.
Lageplan

Lageplan

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Anischt Fichtenweg

Anischt Fichtenweg

Ansicht Schwarzwaldstraße

Ansicht Schwarzwaldstraße

Querschnitt

Querschnitt

Modellfoto

Modellfoto