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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2020

Neubau Wohnen, Studentenwohnen und Gewerbe in Erlangen

1. Preis

Preisgeld: 30.000 EUR

Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten mbH

Architektur

Erläuterungstext

I. IDENTITÄTSSTIFTENDE BAUKÖRPERSTRUKTUR

Der Standort des neuen Wohnquartiers ist durch das fragmentarische Umfeld geprägt, in dem städtische Strukturen unterschiedlicher Maßstäblichkeiten und unterschiedlichen Charakter aufeinandertreffen. Bei der Suche nach dem zukünftigen Erscheinungsbild des Quartiers bietet die heterogene Umgebung und die unmittelbar benachbarten Bauten, wenig eindeutige Anknüpfungspunkte. Vielmehr muss das Quartier zwischen den sehr unterschiedlichen angrenzenden Bauten und Freiräumen vermitteln. Seine unverwechselbare Identität und Wohnqualität muss von dabei Innen heraus entwickelt werden.

Die plastisch gegliederten Baukörper vervollständigen den fragmentarischen Stadtraum entlang der beiden Straßen und umfassen zugleich einen landschaftlich geprägten Quartiersinnenraum. Durch die plastische Gliederung entstehen aus unterschiedlichen Blickrichtungen immer andere Baukörperkonfigurationen.

Die Aufteilung des neuen Quartiers in zwei nach Innen offenen Blöcke ermöglicht so die Vermittlung zwischen den unterschiedlichen maßstäblichen und baulichen Typologien der unmittelbaren Umgebung und entspricht zugleich den Eigentumsverhältnissen. Die beiden Blöcke sind aus mehreren Teilvolumina zusammengesetzt, deren Orientierung und Gestaltung aus ihrer Ausrichtung und Lage im Quartier resultiert.

II. VIELFALT IN DER EINHEIT

Die beiden u-förmigen Baukörper folgen dem Straßenverlauf. Sie umschließen zugleich begrünte Innenhöfe und fassen räumlich einen zentralen Quartiersplatz. Durch die Aufteilung beider Blöcke und kleinere Teilvolumina, löst sich das große Bauvolumen in maßstäblichere Einheiten auf, welche mit der Maßstäblichkeit und Größe der benachbarten Gebäude korrespondieren. Es entsteht eine Figur, die sich auf eine selbstverständliche Art und Weise in die Umgebung einfügt und den Stadtraum vervollständigt. Die neuen Gebäude schaffen klar definierte Außenbereiche mit unterschiedlichen Nutzungen und Charakter.

Die Doppellesbarkeit der Gesamtanlage, die als ein zusammenhängendes
Ganzes und gleichzeitig als eine Komposition aus Einzelteilen in Erscheinung tritt, entspricht dem Charakter und der Funktionsweise des Quartiers und ermöglicht eine unabhängige Realisierung beider Hälften.

III. VERNETZUNG VON INNEN- UND AUßENRAUM

Das neue Wohnquartier wird charakterisiert durch die enge Vernetzung
von Blockinnen- und Außenräumen. Die räumlichen und funktionalen Wechselwirkungen zwischen den Innenhöfen, dem zentralen Platz und den angrenzenden Stadträumen verleihen einzelnen Hauseinheiten einen unverwechselbaren Charakter, eine eigene Orientierung und eine hohe Aufenthaltsqualität. Es entsteht ein Quartier der kurzen Wege und klar definierter Räume.

Den Mittelpunkt des Quartiers bildet ein kleiner „Quartiersplatz“, der im Kreuzungspunkt verschiedener Wege bzw. Blickverbindungen liegt. Die offene Struktur des Quartiers ermöglicht eine prägnante fußläufige Verbindung zwischen den angrenzenden Straßen und Wohnanlagen, wobei die räumlichen Verengungen an den Platzzugängen den quartiersbezogenen Charakter des Platzes andeuten. Der ruhige Charakter der seitlich angeordneten begrünten Höfe, die durch ein Höhenversprung von dem Platz getrennt sind, kontrastiert mit dem eher öffentlichen Charakter des Quartiersplatzes und unterstützt somit seine zentrale, identitätsstiftende Bedeutung.


IV. ERSCHLIESSUNG, ORIENTIERUNG UND FREIRAUMBEZÜGE

Die beiden Blöcke setzen sich aus mehreren Hauseinheiten zusammen. Alle Hauseinheiten verfügen über eine klare Adresse: Sie werden direkt von den anliegenden Straßen bzw. von dem innenliegenden Platz erschlossen Die Wegegestaltung ermöglicht auch die Erschließung für Feuerwehr, Müllentsorgung etc. Das Quartiersinnere wird verkehrsfrei gehalten.

Die Gewerbeeinheiten und die gemeinsamen Einrichtungen liegen an den Zugängen zu dem „Quartiersplatz“ bzw. an den Gebäudeecken. Die Erdgeschosswohnungen sind auf im Hochparterreniveau angehoben und verfügen über kleine private Gärten bzw. Vorgärten zum Hof hin. Die Wohnungen in den Staffelgeschossen verfügen über großzügige Terrassen.


V. EINHEITLICHKEIT UND FIGURALE WIRKUNG

Die vorgeschlagene städtebauliche und architektonische Konzeption ermöglicht unterschiedliche Lesearten des Quartiers und seiner Fassaden. Sie vermittelt zwischen den verschiedenen Maßstäblichkeiten angrenzender Gebäude. Das Quarteier erscheint je nach Fokussierung, als eine große zusammenhängende Anlage oder als Komposition unterschiedlicher Volumina, die sich innerhalb der vier großen Volumen als „Torhäuser“ am Platz, „Gartenhäuser“ im Quartiersinneren, bzw. als „Kopfbauten“ entlang der Straßen abzeichnen.

Auch die Fassadengestaltung changiert zwischen unterschiedlichen Lesbarkeiten und Maßstäben. Während die großen Rahmen in den Fassaden die Baukörper vereinheitlichen, gliedern Vor- und Rücksprünge, Eckbetonungen und die Gestaltung von Staffelgeschossen, die Baukörpern in kleinere Hauseinheiten. Die Unterteilung der großformatigen Rahmen in kleinere Flächen ermöglicht Flexibilität in der Grundrißgestaltung der einzelnen Wohnungen.


VI. FREIRÄUME

Der kleine „Quartiersplatz“ ist der zentrale Freiraum des Quartiers. Der befestigte Platz ermöglicht unterschiedliche, intensive Nutzungen, so dass die Gartenanlagen der seitlichen Höfe extensiv genutzt werden können.

In die Befestigung des Platzes werden wassergebundene Flächen integriert, die als Aktionsfelder für unterschiedliche Nutzungen, z.B. Kinderspielplätze dienen. Ein Lindenhain bietet im Sommer Schatten, geschnittene Hecken separieren die seitlichen Gartenhöfe vom Platz.

Geschnittene Buchenhecken gliedern die Gartenhöfen und trennen die privaten Mietergärten bzw. Terrassen voneinander ab. Die Gartenhöfe sind mit Obstgehölzen wie z.B. Haselnuss oder anderen mehrstämmigen, lichten Baumarten bepflanzt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit besticht durch ihre klare Gliederung in zwei gleichwertige Baukörper mit kompakten Innenhöfen. Durch die Anhebung der Hof-Sohle, bedingt durch das Prinzip des Hochparterres und die Realisierung der übergrünten Tiefgarage, entsteht eine angenehme Privatheit der Innenhöfe. Die natürliche Belichtung des südlichen Hofes ist durch den überhöhten, südlichen Bauteil zur Beethovenstraße etwas beeinträchtigt. Der versetzte Durchgang ist nicht eindeutig als Quartiersplatz ausgebildet. Entsprechende Funktionseinheiten zur Aufwertung dieser Mitte fehlen. Das Volumen der beiden Hauptbaukörper ist gut gegliedert. Höhendifferenzierungen, Rück- und Vorsprünge sind präzise und formsicher gesetzt. Dennoch sollte das Volumen sowie die Fassade insbesondere an der Ecke Siebold – Beethovenstraße gegenüber dem „Himbeerpalast“ eine stärkere städtebauliche Akzentuierung erhalten. Die Differenzierung zwischen Sockelzone und dem Aufbau der Wohnungen ist gut nachvollziehbar. Eine stärkere Öffnung der Sockelzone nach Süden und Osten durch z.B. eine Arkade wäre angeraten. Die Lage der Tiefgarageneinfahrt an der Sieboldstraße ist schwierig, die Fahrspurbreiten sind zu gering bemessen. Fahrradstellplätze im Erdgeschoß sind zu überarbeiten. Die klare Gliederung und Zuordnung der Außenräume unterstützt die städtebauliche Grundaussage. Hierdurch entstehen auch infolge der Anhebung zwei gut durchgrünbare, jedoch knapp bemessene Wohnhöfe und ein auf Stadtebene angeordneter zentraler Quartiersplatz. Zu den Straßenräumen entstehen allseitig etwas zu gleichwertige Gebäudevorzonen. Insgesamt fehlt es dem Entwurf der Freianlagen an Durcharbeitung, sie wirken schematisch und wenig inspirierend. Aussagen zur Behandlung der Dachflächen fehlen. Das Studentenwohnheim ist effizient und funktional strukturiert. Die Adressbildung der Wohneinheiten von den Rändern des Blocks sowie vom Quartiersplatz aus ist logisch und konsequent. Durch die gewählte Spänner-Erschließung entstehen gut belichtete „durchgesteckte“ Wohnungen. Entlang der Sieboldstraße werden die Erdgeschoß-Wohnungen kritisch gesehen. Eine Realisierung in konstruktiver sowie funktionaler Hinsicht ist gegeben. Die Realteilbarkeit ist optimal umgesetzt. Sowohl die Grundrissorganisation als auch das Erschließungskonzept sind sehr wirtschaftlich angelegt. Die Flächen für den geförderten Wohnungsbau wurden überschritten, vor allem bei den 2- und 3-Zimmer-Wohnungen. Optimierungspotenzial hinsichtlich der Orientierung von Räumen ist vorhanden. Die hohe Anzahl von Vertikalerschließungen ist auffallend. Die Grünräume sollten alle von den Treppenhäusern aus angebunden sein. Ein Ansatz zur Nachhaltigkeit ist das im UG angedachte Mobilitätskonzept. Das Anleiten von Seiten der Gerstenbergstraße kann nur durch die Veränderung des Straßenraumes ermöglicht werden. Aufgrund der besonderen städtebaulichen und freiräumlichen Qualitäten sowie der guten strukturellen und funktionalen Ausbildung wird die Arbeit der Auslobung in hohem Maße gerecht und bietet für diesen wichtigen Standort Erlangens einen stadträumlich wie architektonisch wertvollen Stadtbaustein.