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Nichtoffener Wettbewerb | 12/2019

Neubau des Seminargebäudes I der Justus-Liebig-Universität Gießen

1. Preis

Preisgeld: 37.500 EUR

Max Dudler GmbH

Architektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Den VerfasserInnen gelingt es mit diesem überzeugenden Vorschlag, ein sehr konkretes Bild für das öffentlichste aller Gebäude auf dem neuen Campus zu schaffen. Unmittelbar an der Magistrale angeordnet, schafft das neue Seminargebäude eine selbstbewusste Platzkante mit großer Strahlkraft. Wie alle Arbeiten begleitet die Gebäudelängskante aus Rücksicht auf die Baulinie „von Anfang bis Ende“ und erzielt hierdurch gewisse Flächenüberschreitungen, die jedoch korrigierbar scheinen. Seine massive Fassade mit der Materialität der Betonfertigteile erzeugt eine starke Präsenz und Prägnanz im unmittelbaren Umfeld der neben Bibliothek. Zugleich kann die gerasterte Struktur auch im kleinen Maßstab eine Antwort auf die unmittelbaren Anforderungen finden, so zum Beispiel bei der gewünschten Koppelung zur ÖPNV-Haltestelle. Die vorgesehene raffinierte Detaillierung der ansonsten sehr reduzierten Fassade ist erforderlich und sie stellt hohe qualitative Ansprüche an die Realisierung.
Die interne Organisation ist durch ein beeindruckendes Raumkontinuum geprägt, das die innere Erschließung definiert und die Nutzer geschickt und ebenso erlebnisreich durch das Volumen leitet. Die Jury lobt in allen Punkten diese komplexe Idee von Raum, mit der unverwechselbare prägnante Situationen geschaffen werden. Studierende, Forschende und Gäste werden ganz selbstverständlich und gleichberechtigt empfangen. Hier findet jeder sein Ziel und alle einen Ort um zu verweilen, sich auszutauschen und in kleineren informellen Gruppen zu arbeiten. Die Seminarräume ebenso wie die Büroräume sind gut positioniert und zeigen eine gute Tageslichtnutzung auf.
Die Gesamtstruktur des Gebäudes überzeugt hinsichtlich seiner Klarheit im Ausdruck, einer einfachen Orientierung und einer durchgängigen Übersichtlichkeit. Die räumlich schön herausgearbeiteten Zugänge zu den Seminarräumen sind in Teilbereichen zu eng dimensioniert. Die Nutzflächen 1-6 sind überhöht. Die Raumzuschnitte, Raumgrößen und Proportionen der Seminarräume können noch nicht vollumfänglich überzeugen.
Die Büroflächen versprechen gute Arbeitsplatzqualitäten. Die Möglichkeiten für studentische Eigenarbeit sind in den Erschließungsräumen angedeutet und nicht weiter ausdifferenziert. Die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der Flächen sind zu schematisch dargestellt.
Im Erdgeschoss ist die Abfolge der Flächen aus Copy-Shop, Beratungsflächen, Ausstellungsflächenflächen und Hintergrundbüros noch nicht optimal gelöst. Auch können die Belichtungsqualität der Ausstellungsflächen und der AHS – Raumes noch nicht überzeugen.
Der Wettbewerbsbeitrag liegt – bezogen auf den vorgegebenen Kostenrahmen – in der vergleichenden Kostenbetrachtung über dem vorgegebenen Wert im erhöhten Bereich, jedoch unter dem Durchschnitt aller Wettbewerbsbeiträge. Der Bruttorauminhalt des Wettbewerbsbeitrags liegt in der vergleichenden Betrachtung über dem Wert der Annahme aus dem “0“-Projekt und geringfügig über dem Durchschnitt aller Wettbewerbsbeiträge. Das Raumprogramm ist übererfüllt. Die Verwendung von automatischen Fassadenklappen birgt die Gefahr von Außenschall-, Zugluft- und Schmutzeinbringung.
Die Energieeffizienzanforderungen des Landes Hessen können mit dem Wettbewerbsbeitrag gut erfüllt werden. Im Verhältnis zu den anderen eingereichten Arbeiten ist die Bewertung der Gebäudehülle im oberen Mittelfeld anzusiedeln. Der leicht erhöhte Glasflächenanteil in der Fassade lässt erwarten, dass das Gebäude ohne besondere technische Aufwendungen konditioniert werden kann und vergleichsweise geringe Wärmeverluste zu erwarten sind. Die vorgeschlagene PV-Anlage erscheint realistisch dimensioniert. Es ist positiv zu bewerten, dass die vorhandenen Potentiale ausgeschöpft werden sollen.
Insgesamt stellt die Arbeit für die vorgesehene Nutzung eine eigenständige und sehr überraschende Gebäudetypologie vor. Das geplante Seminargebäude ist ein Haus, das ohne Flure auskommt. Vielmehr zeigt die innere Erschließung ein spannendes Raumkontinuum, das die Begegnung und Kommunikation fördert. Durch Ausdruck, Materialität und Prägnanz bietet der Beitrag im Zusammenspiel mit der geplanten Bibliothek eine sehr gute Grundlage für die Entwicklung eines räumlich wirksamen Ensembles, das den neuen Campus als einen besonderen, unverwechselbaren Ort in der deutschen Hochschullandschaft verankert.