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Mehrfachbeauftragung | 09/2019

Neugestaltung des Bahnhofsumfelds in Gauting

1. Rang

Beer Bembé Dellinger Architekten und Stadtplaner

Architektur

Clemens Fauth Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebau und Architektur

Die städtebauliche Struktur der Gemeinde Gauting in vorherrschend offener Bauweise mit starker Durchgrünung wird am Bahnhofsplatz aus der vorhandenen Struktur heraus maßstäblich verdichtet.
Die neue Entwicklung am Standort der ehemaligen Grundschule wird in Raumfolgen und Höhenstaffelungen eingebunden, jedoch in in ihrer Höhen- und Flächenentwicklung als singulärer Schwerpunkt, nicht übergeordnet Maßstab gebend eingestuft.
Die aus dem Süden zum Bahnhofsplatz ansteigende Bahnhofstrasse mit charakteristisch begrünten Vorzonen wird auf der westlichen Seite parallel zur Strasse, entlang ihrer östlichen Flanke in gestaffelter Raumkante locker gefasst. Nördlich Hubert-Dessler-Strasse werden die neuen Baukörper in diesem Sinne gesetzt.
Die Maßstäblichkeiten beziehen sich zunächst auf die gegebenen Parzellenkanten und entwickeln sich aus dem Abstandsfläcghengefüge heraus. Weitere Synergien bzw. Flächengewinne können im Zusammenhang mit einem vorhaben bezogenen B-Plan des Gesamtgebietes entwickelt werden.
Das gegenüber dem Bahnhof als Neubau vorgeschlagene Hotel öffnet dabei als Winkelbau die räumliche Verbindung der Bahnhofstrasse zum Platz, verbessert die Sichtbeziehungen im Kreuzungsbereich Busbahnhof, und gibt dem Bahnhof als zukünftigem Bürgerbahnhof angemessen Raum.
Die beiden historischen Gebäude südlich Jägerstrasse sollen erhalten werden, der Kopfbau des Hotels ergänzt die rhythmische Reihung, die vom Maßstab des gegenüberliegenden Komplexes Kino-/Ärtztehaus in die angrenzenden Wohnbebauungen vermittelt. Die Kubatur der VR Bank wird durch Entnahme des Flachdachanbaus geklärt. Im rückwärtigen Bereich wird ein 2-geschossiges Gebäude mit Quartiersgarage vorgeschlagen.
Die Bebauung des ehemaligen Postgeländes wird aus dem Kreuzungsbereich Bahnhofstrasse nach Norden zurückgesetzt, um dem kräftigen Grünraum Pippinplatz im Westen in Überleitung in die Stadtgebiete östlich Bahn ausreichend Raum zu geben. Gleichzeitig soll der südliche Kopfbau dieser Entwicklungsfläche den Bahnhofplatz im Norden fassen, aber aufgrund des starken Terrainabfalls in diesem Bereich nicht zu massiv sein, weshalb eine Grünzone davor zoniert wird.
Die beiden nördlich angrenzenden Bauten verzahnen sich in Höhenentwicklung und Anordnung versetzt mit den umgebenden Gebäudestrukturen unterschiedlicher Typologie und Maßstäblichkeit.
Die Zufahrt am südlichen Ende Planungsgebiet ist geprägt durch die Raumwirkung des 6-geschossigen Wohnriegel, der hier als Kopfbau weiträumig wirkt. Der Erhalt des gegenüberliegendes Gehölzbestandes und ein deutlicher Versatz zu der die Bahn begleitenden Nachverdichtung unterstützen die Eingliederung dieser Baumasse in den umgebenden Stadtraum.

Identität stiftende Substanz wie die beiden historischen Gebäude gegenüber dem Bahnhof oder das Bahnhofsgebäude selbst, sollen als Zeugnis lokaler Baukultur erhalten bzw. mit Respekt dem historischen Bestand gegenüber weiterentwickelt werden. Die neuen Gebäude im Bereich Bahnhofstrasse und Bahnhofplatz bleiben im Duktus der Fassadenstrukturen (Lochfassaden) und Materialitäten (Putzfassaden) sprachfähig mit dem vorgefundenen Bestand, treten nicht solitär auf, sondern ordnen sich in die Struktur der jeweiligen Raumkante ein. Im Zentrum des Bahnhofsplatzes, gefasst durch die flankierenden Neubauten, ensteht in Umbau und Erweiterung des historischen Bahnhofes der neue Bürgerbahnhof Gauting.
Im Sinne von „Reduce Reuuse Recycle“ wird über anteiligen Rückbau, Weiterverwendung konstruktiver Struktur und bauliche Ergänzung aus dem historischen Konglomerat eine neue, architektonische Komposition entwickelt, die auch im aufgewerteten neuen Platzraum bestehen kann.
Die neuen Gebäude südlich des Bahnhofes können sich architektonisch unabhängiger entwickeln. Eingebettet in eine grüne Raumfolge entlang Bahntrasse, sind den vorgeschlagenen Geschossigkeiten, Nutzungen und Zielgruppen entsprechend zB Skelettbauten in Holzbauweise vorstellbar.
Die B+R-Anlage mit Buswarten und Coworking erhält als besondere Typologie auf einem zum Busbahnhof hin verglasten Sockel mit langen, überdachten Wartebänke im Bereich der Arbeitsplätze im OG eine begrünte Fassade.

Nutzungsverteilung

Der historische Bahnhof Gauting wird für Gemeinbedarf und Kultur zum Bürgerbahnhof umgebaut. In Synergie werden in Aufstockung der benachbarten P+R-Anlage Flächen für Co-Working vorgeschlagen, so dass sich im Bürgerbahnhof angeordnete Initiativen oder Vereine in räumlicher Nähe in der Fläche kostengünstig weiter entwickeln können.
Die Entwicklungsflächen entlang Bahnhofstrasse nach Süden sind im EG für Handel/Gewerbe vorgesehen, darüber für Dienstleistung oder Wohnen 2-3 Zimmer.
Das Entwicklungsgelände Postbau ist im Kopfbau für Dienstleistung/gewerbe vorgesehen, für die Gemeinde wird ein Gründerzentrum als möglicher Impuls gesehen. Die nördlich liegenden Wohnlagen mit schallabgewandten, eingezogenen Loggien werden als 2-3 Zimmer-Einheiten gesehen, ggf. auch Maisonetten für Familienwohnen mit Gärten.
Die Flächen südlich Bahn werden als Laubengang-Typologien mit lärmabgewandter Orientierung nach Südwesten für kostengünstigen Wohnungsbau vorgeschlagen
Exemplarisch kleine Apartments für Azubis / Studierende, Starterwohnungen für Junge Familien, Ausbauwohnungen, die -Hülle dicht- nur Installationskerne enthalten etc. Im EG sind im südlichen Bereich die Stellplätze eingeordnet, im mittleren Riegel Angebote für dem Wohnen zugeordnetes Teilgewerbe.
Im funktionalen Kontext von P+R - dem täglichen Berufsweg und Starterangeboten für junge Familien wird auch möglicher Bedarf für eine private Einrichtung zur temporären Kinderbetreeuung gesehen. Das „Kinderhaus“ fasst den Bereich zwischen Schule und Marktplatz am Ende des Busbahnhofes. Seniorenwohnen oder Betreutes Wohnen- in der Auslobung ebenfalls erwähnt- werden in der Lage entlang Bahntraasse nicht als angemessen gesehen, sondern sollten aus unserer Sicht zentrumsnäher entwickelt werden.

Mobilität

Die Unterführung vom Bahnsteig zum Bahnhof wird über eine zusätzliche Treppe in Laufrichtung Unterführung-Innenstadt direkt an den Bahnhofplatz angebunden, eine Verbesserung der Orientierung, Lichtführung in der Passage und Verknüpfung in die Wegebeziehungen auf Platzebene damit einfach herbeigeführt. Aufzug und Bestandstreppe können gehalten werden, die P-R-Anlage auch auf UG-Niveau direkt angebunden werden.
Die Fußwege im Bahnhofsbereich werden mit den Wegebeziehungen im umgebenden Stadtraum verknüpft, südlich des Bahnhofs in O-W-Richtung verdichtet. Der Bahnhofplatz wird als verkehrsberuhigter Geschäftsbereich barrierefrei (2cm Schwelle) für flexibles Queren der Fußgänger bei Reduktion der Verkehrsgeschwindigkeit auf 20km/h ausgebildet.
Im vorgegebenen System des Busbahnhofes stellt besonders der StPl 1 eine ungünstige Lage hinsichtlich der ebenfalls vorgegebenen Zufahrten P+R-Anlage und Fußgängerströme dar. Für eine bessere Entflechtung und Verbesserung der Sichtbeziehungen / Sicherheit wird das System reorganisiert und über Modell-Befahrung abgesichert.
Die Park+Ride- und Bike+Ride-Anlage bleiben entsprechend Vorgaben präzise an ihren vorgegebenen Standorten eingeordnet. Beide Systeme werden jedoch hinsichtlich der Anforderungen an ihre räumliche Einbindung, Verknüpfung in Erschliessungssysteme und Flächeneffizienz in Zusammenarbeit mit der Verkehrsplanung weiter optimiert.
Die P+R-Anlage wird als Schrägparksystem (gleicher Maße der Parkstände) vorgeschlagen und umfasst ca. 280 StPl. Innerhalb der Struktur kann nun der Erhalt der wertvollen Bestandsbäume westlich Grundschule ermöglicht werden, ohne Raster-bedingt unverhältnismäßig viel Parkraum zu verlieren.
Die Treppenkerne der Anlage verknüpfen in die neue, grüne Raumfolge für Fußgänger in Richtung Bahnhof. Alternativ kann über den Bereich des Schutzstreifens auch unterirdisch direkt die Bahnunterführung erreicht werden. Mit nur 1m mehr an zusätzlicher Breite könnte das System eine unabhängige Passantenführung im Mittelbereich der Anlage erhalten und noch weiter an Komfort gewinnen (vgl. Neues Parkhaus am Rathaus, Ulm). Die Ausfahrt zur Ammerseestrasse Süd erfolgt in etwa ebenerdig.
Kurzzeitstellplätze für den MIV werden im Bereich Bahnhofstrasse und Hubertusstrasse nachgewiesen. Für die Nutzungen südlich Bahnhof wird im EG des ersten Riegels von der Ammerseestrasse aus ebenerdiges Parken erreicht, die nördlich anschließenden Bereiche können somit verkehrsberuhigt bleiben.
Die B+R-Anlage wird von Süden aus über einen Radschnellweg entlang Bahn kreuzungsfrei erreicht, von Norden über den Bahnhofplatz angefahren. An den Nord-/Südenden des Fahrradparkhauses mit dem zusätzlichen, östlichen Eingang, können die Fahrradfahrer das Fahrrad sehr gut einstellen und dann zu Fuß zum Bahnsteig laufen. Die W-O-Anordnung der Fahrräder eröffnet auch die Möglichkeit, bei Bedarf einen abgeschlossenen, gesicherten Bereich für höherwertige Fahrräder wie E-Bikes auszubilden.
Vor der gläsernen Fassade zum Busbahnhof (Akzeptanz hinsichtlich Sicherheit) befinden sich die überdachten Wartebereiche für den Busbahnhof.
Trafo und WC-Anlage konnten aus der B+R-Anlage in den neu organisierten Bürgerbahnhofes genommen und dort räumlich nahe und kompakt organisiert werden. Die repräsentativen Aussenecken des Gebäudes werden damit „frei“ für Programme wie Bike-Ladestation, FR-Reparatur, Quartiersboxen für Pakete oä, der Zebrastreifen in Richtung Schule kann präzise eingeordnet werden. Die Anlage umfasst im vorgegebenen Umgriff verdichtet nun ca. 560 StPl als Doppelparker.

Freiraum

Der Bahnhofsplatz wird als großzügiger, zentraler Platz in Gauting ausgebildet. Das Konzept sieht einen Multifunktionsstreifen vom Neubau Sontowski bis zum Postareal in Nord-Süd-Richtung vor. Die Pflasterrichtung von West nach Ost unterstützt die fußläufigen Beziehungen zum Bahnhof und reduziert die Geschwindigkeit des motorisierten Individualverkehrs.
Durch die Reduzierung der Geschwindigkeit auf 20 km/h kann der neue Bahnhofsplatz als verkehrsberuhigter Geschäftsbereich ausgebildet werden und benötigt keine zusätzlichen Querungshilfen außer dem Zebrastreifen am Busbahnhof.
Der i.d.R. maximal zu überwindende Höhenunterschied mit 2 cm gilt als guter Kompromiss bezüglich der Barrierefreiheit und kann von allen Betroffenen gut genutzt werden: Er dient blinden Menschen mit Langstock als Leitlinie und kann auch von Rollstühlen bzw. Rollatoren gut überwunden werden. Farblich kontrastierende Steine können zusätzlich als sog. Bojensteine Sehbehinderten als Leitlinie dienen. -Die Busborde benötigen als Einstiegshilfe 18 cm Höhe.
Auf der Platzfläche sind 4 Kiss & Ride Parkplätze, sowie 6 Taxistellplätze vorgesehen.
Die Ausleuchtung erfolgt mit Maststelen.
Die Materialität des Platzes kann in Naturstein oder Betonpflaster ausgebildet werden. Die Größen der Steine der Belagsflächen unterscheiden sich im kleinformatigen Fahrbahnbelag und den großformatigen Gehweg und Platzbereich. (vgl. Detailvorschlag)
Der vorhandene, wertvolle Baumbestand soll in den Gruppen entlang Schulgrundstück sowie am südlichen Ende der Tiefgarage weitestgehend erhalten bleiben.
Platzartige, baumüberstandene Aufweitungen mit Sitzmöglichkeiten bieten qualitätvolle Aufenthaltsmöglichkeiten für alle Bürger Gautings.
Das Aktivitätsband entlang der Neubebauung südlich Bahnhof kann individuell gestaltet werden: Fitness Parcours, Calestenics , Mobile Basketballkörbe, Flohmarkt, Ausstellungen Urban Gardening etc.
Zwischen den Gebäuden sind den Häusern zugeordnete, öffentliche Freiflächen vorgesehen.
Am Marktplatz stehen die Marktstände unter Bäumen. Der Platz kann zu anderen Zeiten auch gut für andere Veranstaltungen genutzt werden.
Die Freifläche Kinderhaus muss bahnseitig mit einer Schallschutzwand versehen werden, um die benötigten 50 Dezibel zu erzielen.
Die Gebäude bekommen i.d. R. Dachbegrünung. Die begrünten Dachflächen tragen in Verbindung mit den erhaltenen und neu zu pflanzenden Bäumen zum Erhalt und zur Verbesserung des Stadtklimas bei.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit weist in allen Bereichen interessante und wertvolle Lösungen auf. Der Bahnhofplatz wird durch den gegenüberliegenden Rücksprung betont und bildet eine klare räumliche Situation für den Bahnhof, der in seiner ursprünglichen Form erhalten wird mit seinen Anbauten. Besonders hervorzuheben ist die Verlängerung des Bahnsteigzugangs mit direkter Führung der Fußgänger auf den Vorplatz. Hinsichtlich der Begrünung am Bahnhofplatz sollte nochmals nachgedacht werden. Die Bebauung entlang der Bahnhofstraße nimmt selbstverständlich verständlich die bestehende Ausrichtung auf, wobei attraktive gestaffelte Vorbereiche entstehen. Die Vorschläge für die Bebauung der P + R Anlage reagieren sensibel auf die bestehenden Gebäude und nehmen damit wichtige Sichtbeziehungen auf, die eventuell durch Fußwege verdeutlicht werden können. Positiv wird die Positionierung des Hauses für Kinder gesehen, das weitere Entwicklungsmöglichkeiten für die Schule bietet. Besonders hervorzuheben ist die Erhaltung der Baumreihe im Bereich der Schule . Zum Busbahnhof hin entsteht ein attraktiver Grünbereich. Insgesamt erscheint eine Verdichtung der baulichen Nutzung in diesem Bereich möglich. Die Bebauung des Postareals ist schlüssig, sollte aber hinsichtlich des Lärmschutzes optimiert werden. Vor allem der Kopfbau an der Straße erhält durch den Vorbereich ein angemessenes Vorfeld.