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Nichtoffener Wettbewerb | 04/2020

Neugestaltung des Husemannplatzes in Bochum

Anerkennung

Preisgeld: 7.000 EUR

SOWATORINI Landschaft GbR

Landschaftsarchitektur

RB+P Landschaftsarchitektur Bauermann Otto Ludwigs

Landschaftsarchitektur

ErlÀuterungstext

Nimm Platz: Ein dichter, grĂŒner Ort in der Mitte der Stadt. Ein großes, zweigeschossiges Spielhaus, ein kleiner Eistreff, ein Wasserfeld und das zeichenhafte Bankthema verdichten den Aufenthalt fĂŒr alle Generationen in der Platzmitte.

MessingbĂ€nder schwingen sich immer wieder zu BĂ€nken auf und laufen dann wieder als eine Kalligrafie der edlen Metalle in der PlatzoberflĂ€che aus dunklem Naturstein. Die Zeit des Stahls in dieser Stadt, so hart es auch ist, ist als die große ErzĂ€hlung vorĂŒber. Deshalb: Ein Hauch von Glanz, eine Idee von ĂŒberraschender Wertigkeit, die aus der Vergangenheit schöpft und es mutig in die Gegenwart und Zukunft weitererzĂ€hlt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit polarisiert. Der Husemannlatz soll ein die Innenstadt bereichernder, dichter, gemĂŒtlicher Treffpunkt werden, der an der Schnittstelle der bestehenden und neuen Wegebeziehungen liegt und der starken Versiege-lung des Stadtraums eine durch ĂŒppige Vegetation gestaltete PlatzflĂ€che entgegensetzt.
Zwei AtmosphÀren bestimmen den Husemannplatz: Grasbewachsene Pflanzinseln im Westen und Baumgruppen unterschiedlicher Wuchsformen im Osten gliedern ihn und bieten unterschiedliche AufenthaltsqualitÀten vom Sitzen zwischen intimen Grasinseln bis zum Ausruhen unter Baumgruppen.
Die PlatzflĂ€che des Husemannplatzes wird durch die Grasinseln visuell und rĂ€umlich in die Viktoriastraße hinein-gezogen. So gelingt einerseits die Erweiterung der FußgĂ€ngerzone in Richtung Viktoriakarree, gleichzeitig aber auch die Wahrnehmung des Platzes als Aufenthaltsort in der VerlĂ€ngerung der Viktoriastraße.
AuffĂ€lliges Gestaltelement sind die gelben MessingbĂ€nder, die den Platz mĂ€andrierend in West-Ost Richtung durchziehen und sowohl Bodenintarsie wie auch Sitzelement sind. Sie gliedern wiederum eigenstĂ€ndige Berei-che, die als Wasserfeld, als Ort fĂŒr das Spielhaus und als neuer Eistreff definiert werden. Die BĂ€nder sind reversi-bel, ermöglichen so die Multicodierung der PlatzflĂ€che zwischen ĂŒppigem grĂŒnem Platz und nutzungsoffener FlĂ€che und lassen den Weihnachtsmarkt auch weiterhin zu. Formal zitiert der Entwurf in Material, Farbe und Form die stĂ€dtebauliche IdentitĂ€t der 50er Jahre und stellt einen klaren Ortsbezug her.
Das Spielhaus bietet ein attraktives Angebot inmitten der FußgĂ€ngerzone und macht deutlich, dass es sich bei diesem Platz um einen hybriden Raumcharakter handelt, der QualitĂ€ten eines Parks inmitten der Stadt imple-mentiert.
Die Arbeit schlĂ€gt ĂŒber große Projektionsmasten, die digitale Inhalte auf den Boden projizieren, eine Schnittstelle zum Thema DigitalitĂ€t vor und zeigt ProzessualitĂ€t und VariabilitĂ€t der inhaltlichen Projektionen und die Sicht-barmachung von Inhalten und erweiterten RealitĂ€ten in den Stadtraum.
Am nördlichen und sĂŒdlichen Rand wird Platz fĂŒr Außengastronomie geschaffen, die somit selbstverstĂ€ndlicher Teil des Platzgeschehens zwischen den BĂ€umen und den GrashĂŒgeln wird.
Visuell begrenzt durch die gelben MessingbÀnder, entsteht ein flÀchig-rÀumlicher Teppich auf dem Platz, der ein lebhaftes und aufregendes Nutzungsangebot schafft.
So gut die Platzgestaltung nach innen, auf die FlĂ€che bezogen, funktioniert und ansprechende RĂ€ume anbietet, wirft sie jedoch auch sehr kritische Fragen bezĂŒglich der FunktionalitĂ€t in stadtrĂ€umlicher Hinsicht auf. Die Gras-hĂŒgel in die Viktoriastraße fungieren als Barriere, und es bleibt fragwĂŒrdig, ob das starke Zonieren des Platzes durch die GrashĂŒgel und MessingbĂ€nder funktionieren und den erwarteten FußgĂ€ngerströmen in dieser Form gerecht werden kann. Die MessingbĂ€nder bilden immer wieder Barrieren und unterbinden ein flĂŒssiges Gehen in Nord-SĂŒd-Richtung. Der Umgang mit den EingĂ€ngen zum Parkhaus, insbesondere mit dem Eingang am Viktori-akarree, ist nicht erkennbar und zeigt keinen nachvollziehbaren Lösungsvorschlag Auch das Pflanzkonzept, das einen enormen Pflegeaufwand mit sich bringt, wird kritisiert. Da es sich um hoch-frequentierte Bereiche handelt, muss davon ausgegangen werden, dass starke Nutzungsspuren dem ambitionier-ten Anspruch an die Pflanzungen widersprechen werden.
Die Wahl des dunklen Kleinsteinpflasters als Belag fĂŒr eine Innenstadtlage erzeugt eine Hitzeinsel in der Stadt und wird vor dem Hintergrund von Nachhaltigkeit und KlimaverĂ€nderungen stark kritisiert. DarĂŒber hinaus scheint dies OberflĂ€che nicht geeignet zu sein, um die anspruchsvollen Projektionen in der wĂŒnschenswerten QualitĂ€t umzusetzen. Insgesamt wird die Idee der Projektion und ihre FunktionalitĂ€t in Frage gestellt und scheint so nicht umsetzbar.
Trotz der kritischen Anmerkungen bezĂŒglich der FunktionalitĂ€t des Platzes kann der Entwurf durch ein sehr muti-ges klares Statement ĂŒberzeugen, den Stadtplatz des 21. Jahrhunderts neu zu denken und ihn als Ort des Mitma-chens und Aufhaltens zu interpretieren. So entsteht ein Platzkonzept, dem es gelingt, einen 24-Stunden-Ort zu schaffen, der fĂŒr alle Generationen attraktive Angebote bereithĂ€lt.
Eine Umsetzung wird jedoch kontrovers diskutiert.
Positiv aufgefallen ist die herausfordernde ProjektionsflĂ€che, die auch die Topografie des Bodens ĂŒbernimmt, ihn verĂ€ndert und die als zentrales und zugleich sich wandelndes Element fungiert. Sie erweitert den digital-analogen Optionsraum des Platzes massiv. Ebenso positiv zu bewerten ist die Möglichkeit, die Inhalte, welche durch die Projektion dargestellt werden, durch die Stadtgesellschaft zu erstellen. Negativ zu bewerten ist, dass es sich letztlich nur um eine ProjektionsflĂ€che handelt, die keine weitergehende Handlung außer dem „Konsum“ und gegebenenfalls der Interaktion mit der Projektion ermöglicht. Zudem entsteht kein digital-analoger Wirkungs-kreislauf. Die digitalen Inhalte wirken in den analogen Raum, aber es gibt keine RĂŒckwirkung ins Digitale. Auch die Umsetzung der Projektion mit von oben leuchtenden Projektoren ist schwierig und so nicht funktionabel.