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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2020

Rathaus Neubau in Bad Feilnbach

Rathausplatz

Rathausplatz

Anerkennung

Preisgeld: 5.000 EUR

Leupold Brown Goldbach Architekten

Architektur

Climateflux GbR

Bauphysik

Erläuterungstext

Aufgabe und Lage

Mit dem Neubau des Rathauses Bad Feilnbach wird ein weiterer wichtiger Schritt gemacht für die Erneuerung der Ortsmitte dieser ländlichen Gemeinde im schönen oberbayerischen Voralpenland. Es soll ein offenes Haus für die Bürger entstehen, welches Verwaltung, Standesamt, Trau- und Sitzungssaal und Ausstellungsflächen für kleinere Veranstaltungen unter einem Dach zusammenfasst.

Der Entwurf folgt den Vorgaben aus dem vorangegangenen städtebaulichen Wettbewerb und dem Bebauungsplan. Der Neubau rahmt mit seiner langen Seite den gut gestalteten Rathausplatz auf dessen Ostseite. Der steinerne Platzbelag wird bis an das Haus herangeführt. Die im Bebauungsplan vorgeschlagene leichte Drehung des Baus wird beibehalten, somit öffnet sich der Platz nach Süden zum Wendelstein und nach Osten dem ankommenden Besucher. Auf der Ostseite des Hauses wird der neue Bürgerpark angelegt, ein grüner Garten mit wertvollem Baumbestand. Dieser liegt circa 3 m tiefer als der Dorfplatz, das neue Rathaus vermittelt zwischen diesen beiden Ebenen.


Gebäude „Stadel mit Tenne“

Das Haus ist ein traditioneller Langbau mit Satteldach, ein Archetyp aus Holz, abgeleitet aus der lokalen Bautradition - ähnlich einem Stadel. Das Gebäude gliedert sich in 3 Geschosse: das Eingangsgeschoss am Platz, das darunterliegende Gartengeschoss, das nur einseitig belichtet und an die bestehende Tiefgarage angeschlossen ist, sowie das darüberliegende Dachgeschoss. Nach dem Vorbild einer Durchfahrt eines Stadels bildet eine „Tenne“ die Verbindung zwischen beiden Hausseiten. Sie ist der zentrale Raum und Eingangsbereich. Gleichzeitig teilt sie das Haus in einen eher internen Verwaltungsteil (links bzw. nördlich) sowie einen öffentlichen Teil (rechts bzw. südlich). Die vertikale Verbindung zwischen den Ebenen erfolgt ebenfalls in der Tenne über eine großzügige Treppenanlage und leichte Brücken, die den freien Raum überspannen. Das 3-geschossige Raumvolumen ist bis unters Dach erlebbar. Die Flächen in der Tenne mit den Galerien und Brücken können auch außerhalb der Öffnungszeiten des Rathauses für Ausstellungen und kleinere Veranstaltungen genutzt werden. Als wichtigster Raum des Hauses wurde der große Sitzungssaal bewusst im Obergeschoss angeordnet. Er profitiert von der großzügigen Raumhöhe unter dem Dach und hat durch die Lage am südlichen Giebel großartige Blickbezüge in die Bergkulisse. Gleichzeitig ist das Sitzungsgeschehen von weithin sichtbar für die Bürger des Ortes, ohne dass die Sitzungen durch vorbeilaufende Passanten gestört werden. Ein über die gesamte Gebäudelänge umlaufender Balkon im OG schafft die ortstypische Gliederung in der Ansicht in Sockel und Obergeschoss und dient als Austritt an die frische Luft sowie als natürlicher Sonnenschutz für die dahinter bzw. darunter-liegenden Innenräume mit hohem Glasanteil. Gleichzeitig stellt er als zweiter Fluchtweg aus den Obergeschossen eine enorme Erleichterung beim Brandschutz dar. Das Haus ist nicht streng orthogonal: die Nordwestkante an der die Außentreppe anliegt ist leicht abgeschrägt, um den Bezug zwischen Dorfplatz und Bürgerpark mit Bushaltestelle zu stärken. Durch den Rücksprung schützt das weiter auskragende Dach als Nebeneffekt die Außentreppe vor Regen und Schnee. Die Südseite ist ebenfalls etwas abgeschrägt um den Dorfplatz für Gäste aus der Kufsteinerstrasse von Osten kommend zu öffnen. Hier ist im EG auch der Trausaal angeordnet mit eigenem Zugang zum vorgelagerten Außenbereich.



Material und Tragwerk

Das Konzept für das Tragwerk des Gebäudes sieht eine vorgefertigte Holzkonstruktion in Elementbauweise vor. Die vertikalen Lasten werden von tragenden Wänden und deckengleichen Unterzügen / Stützen aufgenommen und direkt auf die Gründung übertragen. Holzstützen werden ggf. in die vorgefertigten Trennwandelemente integriert und dienen als Auflager für die vorgefertigten Deckenelemente. Die Bereiche zwischen den Stützen sind nicht tragend ausgebildet und können bei Umnutzungen flexibel verändert werden.
Die für eine Nutzung sinnvollen Deckenspannweiten von ca. 8 m und die erhöhten Brandschutzanforderungen sind mit vorgefertigten Rippendecken wirtschaftlich umsetzbar. Die horizontale Aussteifung erfolgt durch Wandscheiben. Durch die Auswahl dieses Bausystems und den vorgeschlagenen Entfall „echter“ Untergeschosse kann von einer schnellstmöglichen Bauzeit ausgegangen werden.
Die Fassade erhält einen hohen Glasanteil für optimale Tageslichtversorgung. Im Obergeschoss wird eine raumhohe/ bodentiefe Pfosten-Riegelfassade angebracht. In den Bürobereichen mit einem effizienten Fassadenraster von 1,35m. Der vorgehängte schmale Balkon wird über Terrassentüren betreten. Vor den öffentlichen Bereichen wie Sitzungssaal etc. wird das Raster auf 2,70m verdoppelt. Geschlossene Flächen werden mit Holzbauwänden konstruiert. Lediglich die robuste Westfassade im EG zum steinernen Platz und an der Außentreppe zum asphaltierten Feuerwehrhof wird gemauert und mit einem hellen Putz mit grober Struktur versehen. Große eingeschnittene Fensteröffnungen sorgen für Ausblick und Tageslicht. Eine Hausbank neben den Eingang, geschützt unter dem Balkon sorgt für zwanglose Begegnung im Dorf.


Raumklima und Gesundheit
Ziel des Klima- und Energiekonzeptes ist es, für Mitarbeiter und Besucher optimale Aufenthaltsqualität zu bieten und einen hohen visuellen, thermischen und akustischen Komfort mit minimalem Energiebedarf zu garantieren.
Die natürliche Lüftung erfolgt über die Fenster, um den Nutzern hohe Flexibilität und eine einfache Bedienung zu lassen. Das große Volumen der Räume, das durch eine überdurchschnittliche Höhe gegeben ist, ermöglicht geringe Luftwechselraten und garantiert niedrige CO2 Konzentrationen in der Raumluft, ohne die Unterstützung mechanischer Systeme.
Im Sommer kühlt die Nachtlüftung über das Oberlicht die thermische Masse ab und ermöglicht damit tagsüber Raumtemperaturen im Komfortbereich ohne Energieeinsatz. Die Holzwände erhalten teilweise doppelt beplankte Faserzementbeplankungen und stellen zusammen mit den teilweise massiven Böden einen hohen Anteil an aktiver thermischer Masse.
Im Winter erfolgt die Wärmeabgabe durch die im Estrich eingebettete Fußbodenheizung, wodurch behagliche Strahlungswärme mit robuster Bedienung kombiniert wird. Die Wärmeversorgung erfolgt über Erdwärmesonden in Kombination mit einer Wärmepumpe. Im Sommerfall wird die Erdwärme zur Kühlung eingesetzt und durch eine behagliche Strahlungskühlung über die Fußbodenflächen in den Raum abgegeben. Die eingesetzten Materialien weisen die erforderliche Langlebigkeit auf und tragen gleichzeitig keine Geruchsemissionen und Schadstoffbelastungen in den Raum ein.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der „Stadel mit Tenne“ besetzt - als auf den ersten Blick einfacher Baukörper – sehr selbstverständlich die Kante zum Rathausplatz. Die Dimension des Baukörpers und auch seine Figur sind städtebaulich verträglich. Auf den zweiten Blick stellt sich der Baukörper als etwas komplexer dar, weil er in der Erdgeschosszone sehr pragmatisch auf die Bestandssituationen reagiert und von der durch das Dach vorgezeichneten orthogonalen Struktur abweicht. Durch diese Maßnahme ergeben sich allerdings innenräumlich und auch in der äußeren Erscheinung Probleme. Es entstehen unschöne Raumsituationen, schlecht geschnittene Büroräume und Flure, die zudem auch schlecht belichtet sind. Das eigentlich spannende Thema, die Holzkonstruktion auf einer polygonalen Grundstruktur orthogonal zu entwickeln, ist konstruktiv und auch gestalterisch noch nicht abschließend gelöst. Organisiert ist das Rathaus jedoch sehr gut. Die Räume sind richtig situiert - das Trauzimmer zum geschickt erweiterten Vorplatz, der Sitzungssaal zur Kufsteiner Straße. Der barrierefreie Zugang von der Tiefgarage aus funktioniert, die Flucht- und Rettungswege sind grundsätzlich entwicklungsfähig. Die vorgeschlagenen Konstruktionen und deren Materialisierung sind – mit Ausnahme der ungeklärten Dachsituation - einfach und sinnvoll und auch wirtschaftlich herstellbar und zu unterhalten. Der Verglasungsanteil im Obergeschoß scheint jedoch etwas zu hoch und sollte im Hinblick auf den sommerlichen Wärmeschutz, aber auch die Einsehbarkeit von einfachen Büroräumen reduziert werden. Der Einsatz von regenerativen Materialien ist noch etwas verhalten, trotzdem sind die einfachen Konstruktionen und auch das vorgeschlagene Technikkonzept nachhaltig angelegt. Die Flächen und Kubaturen bewegen sich im mittleren Bereich. Insgesamt ist der „Stadel mit Tenne“ ein stimmiger Beitrag zur Fragestellung, wie das Rathaus von Bad Feilnbach künftig aussehen könnte!
Lageplan

Lageplan

Ansicht

Ansicht

Innenraumskizze

Innenraumskizze

Detail

Detail

Modell

Modell