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Einladungswettbewerb | 06/2020

Urbanes Leben am Thüringer Bahnhof in Halle (Saale)

Perspektive Feininger-Carré an der Thüringer Straße

Perspektive Feininger-Carré an der Thüringer Straße

Ankauf

Dressler Architekten BDA

Architektur

Brambach Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Leitgedanke Entwurf/ Städtebauliche Einordnung
Die Großstadt Halle ist seit zehn Jahren wieder baulich-städtebaulich in Bewegung. Wohnungsunternehmen errichten neue Stadtquartiere, der Riebeckplatz erhält mit Hochhäusern eine neue Silhouette, der ICE-Bahnhof lässt die Metropolen des Landes, ja Europas näher rücken.
In dessen fußläufiger Entfernung von ca. 1 km soll östlich der Merseburger Straße nach Plänen des renommierten Schweizer Architekten Max Dudler durch den Investor Norsk eine alte Industriebrache aus dem Dornröschenschlaf geweckt werden.
Mit der hier vorgeschlagenen Neubebauung an der Thüringer Straße wird die Revitalisierung dieses durch Industrieruinen und neuere Gewerbeansiedlungen geprägte Gebiet kraftvoll fortgesetzt.
Halle in Bewegung: Das Wettbewerbsareal bietet beste Voraussetzungen für die Errichtung eines signifikanten Gebäudeensembles, das die neue Stadtsilhouette nach Süden erweitert und bereits dem mit der Bahn Ankommenden selbstbewusst von der Dynamik der Universitätsstadt kündet.
Wer über die Leipziger Chaussee von Südosten kommt, erfährt das neue Gebäudeensemble als Zugangstor zur südlichen Innenstadt und der Hauptverkehrsader Merseburger Straße.
Die vier aufragenden Hochhäuser mit expressiver Kubatur können dabei als Hommage an einen der berühmtesten Gäste der Stadt verstanden werden, der die Architektur der Stadt mit aufsteigenden und stürzenden Linien und farbig expressiven Flächen als Maler der Moderne verewigte: Lyonel Feininger.
Wir schlagen vor, das neue Ensemble Feininger-Carré zu nennen.
Die obersten Etagen der vier von 7 auf 12 Geschosse anwachsenden Hochhäuser reichen aus Gründen der städtebaulichen Komposition nahe an die Höhen der nördlich gelegenen Hochhäuser heran. Der massive Komplex des Justizzentrums und die ehemalige Malzfabrik mit ihren markanten Schloten sind weitere städtebauliche Schwergewichte in nächster Umgebung.
Unser Entwurf nimmt von Anfang an neben dem Kerngrundstück auch die beiden Nachbargrundstücke in den Blick, da eine überzeugende städtebauliche Lösung nur durch eine Gesamtbebauung des Areals gelingen wird. Der Neubau kann dabei, abhängig von der Arrondierung dieser Grundstücke, insgesamt oder in Abschnitten errichtet und betrieben werden (sh. auch Axonometrie).

Funktionalität und urbane Qualitäten
Ein kraftvolles architektonisches Statement zum einen – ein mit Leben erfüllter Ort zum anderen.
An drei korrespondierenden Höfen können sich im Erdgeschoss und zur Thüringer Straße auch im Obergeschoss Dienstleister, Gewerbetreibende und Freizeiteinrichtungen ansiedeln, die mit den Bewohnern der insgesamt 173 Wohnungen für eine gute urbane Durchmischung und ein eigenes soziales Mikroklima im Ensemble sorgen.
Das Wohnungsangebot reicht von effektiv geschnittenen Mietwohnungen (2- bis 5-Zimmer-Wohnungen) bis zu Sonderwohnformen: Senioren-WGs mit Gemeinschaftsräumen und großzügigem Freisitz, studentisches Wohnen, kurzzeitig von Mietern wie Gewerbetreibenden anmietbare Gästewohnungen, Atelierwohnungen mit grünen Dachterrassen und großartigem Rundblick über Halle. Die Wohnungsverteilung und -größen sind an dem vorgegebenen WE-Schlüssel orientiert.
Das modulare Raster der Wohngebäude kann flexibel auf sich ändernde Mieteranforderungen noch in der Planung reagieren und stellt einen hohen Vermietungsgrad sicher.
Durch das Baukonzept lassen sich die WE der Hochhäuser übereck und die des Nordflügels quer belüften. Alle Wohnungen verfügen über einen Freisitz in Form eines Balkons, einer Loggia oder einer großzügigen Dachterrasse und haben zueinander den nötigen Abstand (Einblickschutz).
Im Untergeschoss befinden sich der Großteil der Kfz.-Stellplätze (insgesamt 218), Abstellräume für 305 Fahrräder, dazu Lager und Nebenräume für die Gewerbetreibenden sowie Mieterkeller, Waschmaschinen- und Trockenräume, Hobbyräume alle über Aufzüge erreichbar.
Gewerbe/ Dienstleister/ Freizeiteinrichtungen: Publikumsintensive Nutzungen befinden sich an der Thüringer Straße, weniger publikumsintensive richten sich zu den Höfen und sind außerdem im Nordflügel zu finden. Die breite Palette möglicher Nutzungen ist in den Grundrissen exemplarisch illustriert. Optional sind über interne Treppen auch 2-geschossige Gewerbeeinheiten im EG/OG möglich.
Im EG und UG steht ein offenes Stützenraster von ca. 5 x 6 m für eine flexible Raumaufteilung, die auch noch im Vermietungsprozess Anpassungen erlaubt. Gewerbeeinheiten und Treppenhäuser der Wohnungen sind separat erschlossen (keine unbefugten Zutritte der Wohn-TH).

Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit
Das energetische Konzept für die Gebäude setzt die geltende EnEV 2016 mit erhöhten Anforderungen an Niedrigenergiestandard um. Es wird davon ausgegangen, dass für die Wärmeversorgung (Heizung und Warmwasser) Fernwärme der Stadtwerke Halle genutzt werden kann. Nach dem EEG ist Fernwärme mit hohem Primärenergiefaktor als Wärmeversorgung alternativ zu den herkömmlichen regenerativen Energien zugelassen, wenn sie zu mehr als 50% aus energetisch effizienter Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt wird. Mit dem modernen Kraftwerk Dieselstraße werden fast 100% der Fernwärme mit Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt.
Der Einsatz von Solarenergie als ergänzende Versorgungsform bleibt zu prüfende Option.
Beim Bau kommen nachwachsende Rohstoffe verstärkt zum Einsatz. Die Reduzierung des Stahlbetoneinsatzes und die Anwendung hybrider Tragkonstruktionen sorgen für eine Verbesserung der CO²-Bilanz. Die intensive Ausnutzung/ Überbauung der Grundstücke wird durch einen hohen Flächenanteil an Dachbegrünung und partielle Fassadenbegrünungen kompensiert.
Regenwasser wird durch Flachdach-integrierte Rigolen zurückgehalten und für die Bewässerung der Dach- und Fassadenbegrünung verwendet. Die Tiefgarage verfügt über mehrere Elektro-Zapfsäulen.

Barrierefreiheit / Erschließung/ Brandschutz/ Personenrettung
Der Entwurf sieht eine barrierefreie Erreichbarkeit aller Geschosse und damit aller Gewerbeeinheiten und Wohnungen wie auch der Mieterkeller, Nebenräume und der Tiefgarage im UG vor.
Bei den vier Wohntürmen sind Sicherheits-Treppenhäuser mit Feuerwehraufzug und Personenaufzug (15 Personen, Krankentragen-tauglich) geplant. Sie sind mit einer Überdrucklüftungsanlage ausgerüstet und nur über brandgeschützte Vorräume / Schleusen erreichbar. Die Aufzüge in Süd- und Nordflügel sind rollstuhlgerecht. Alle Wohnungen sind barrierefrei nach DIN18040-2.
Die Senioren- WGs sind rollstuhlgerecht konzipiert. Einzelne Wohnungen sind bei Bedarf nachrüstbar.
Die Hochhäuser sind der Gebäudeklasse 5/ Sonderbau zuzuordnen und erfüllen die Vorschriften nach Bauordnung LSA. Die Feuerwehrzugänge zu den Höfen erfolgen mit Lösch- und Rettungsgeräten über ausreichend dimensionierte Durchgänge. Die Feuerwehrumfahrung sowie die erforderlichen Aufstellflächen sind gewährleistet.
Errichtet wird das Gebäudeensemble in einer Baukonstruktion, die auf eine stärkere Verwendung einheimischer, nachwachsender Rohstoffe, die Reduzierung der C02-Bilanz und schnelle Bauzeiten durch hohe Vorfertigung setzt. Fluchttreppenhäuser und Wohnungstrennwände aus Stahlbeton bilden das aussteifende Rückgrat in Massivkonstruktion, das auch die Brandschutzanforderungen erfüllt. Weitspannende Decken sind als Hybridkonstruktion (schlanke Stahlbetondecken mit integrierten Holzbalken, Fertigteile) geplant. Die Außenwände aus hochgedämmten Fertigteilpaneelen mit Wetterschutzschale und raumhohen Fensterelementen lassen sich per Kranmontage und geschossweise umsetzbarer Einrüstung schnell und ohne Kompletteinrüstung der hohen Gebäude montieren. Der Innenausbau erfolgt in Trockenbauweise.
Die Architektur der Gebäude mit einem auf dem Grundraster basierenden Rhythmus der Proportionen von Fensterelementen, Wandpaneelen und Tragstrukturen nutzt das eingangs erwähnte Farbspektrum Feiningers zu einer spannungsvollen wie harmonischen Komposition, die mit differenzierten Grundtönen den vier Hochhaustürmen ihre Adressen gibt.

Wirtschaftlichkeit
Der Entwurf zielt auf eine wirtschaftliche Bauweise mit berechenbaren Folgekosten für die Unterhaltung und Vermietung. Kostenbewusstsein beim Bauen und im Unterhalt und die Planung von Einspareffekten sind u.a. gegeben durch:
- modulare Grundrisszuschnitte
(gespiegelte Grundmodule der Vierspänner und der Wohnungen des Nordflügels mit Laubengang
- Massivbauweise mit vorgefertigten Elementen, Kranmontage
- geschossweise umsetzbare Montagerüstung erspart volle Einrüstung der Gebäude
- Stahlbetonkerne der Wohntürme in Gleitbauweise
- Treppen als schallentkoppelte Stahlbeton-Fertigteile, oberflächenfertig
- Konzentration der Sanitärinstallationen, durchgehende Steigstränge
- hochgedämmte Flachdächer als Umkehrdach, optional Solarkollektoren auf Südflügel
- Gründächer zur Verbesserung des Mikroklimas, zur Regenrückhaltung und für hohen sommerlichen
Wärmeschutz (Verminderung des Aufheizens)
- hohe Vorfertigung, schnelle Montage, hohe Genauigkeit
- wartungsfreie bzw. wartungsarme Bauteile (Fenster, HE-Türen, Dachkonstruktion)
- wiederkehrende Größen im Ausbau, z.B. gleiche Badgrößen

Ruhender Verkehr
Bei der Neubebauung wird auf eine effektive und in den Kosten vertretbare Stellplatzlösung orientiert, die zugleich die Freiraumqualität der drei Innenhöfe sicherstellt. Deshalb ist die Unterbringung des Großteils der Kfz.-Stellplätze in einer Tiefgarage im UG geplant. Diese Tiefgarage schließt direkt an Treppenhäuser, Lagerräume und Mieterkeller an und ist über zwei getrennte Zu-/ Ausfahrten über Rampen befahrbar. Für die insgesamt 173 Wohnungen und 45 Gewerbeeinheiten können 218 Stellplätze im UG nachgewiesen werden. Ebenerdig sind 5 Besucherstellplätze und 4 Behinderten-Stellplätze an der Umfahrung angeordnet, sodass z.B. Gäste mit Behinderung eine direkte Parkmöglichkeit vor dem Haus erhalten und nicht das Parkdeck befahren müssen. Beide Zufahrten zur TG sind im Kerngrundstück angeordnet, TG-Erweiterungen können mit baulicher Arrondierung der Nachbargrundstücke erfolgen. Eine Zahl von ca. 305 Fahrradstellplätzen ist in Abstellräumen im UG vorgesehen, mit separatem Zugang über die Rampen (ohne Rolltore öffnen zu müssen), weitere 26 FAST für Besucher befinden sich im EG an der Umfahrung und 50 am Durchgang der Innenhöfe.

Freiflächen
Mit der Freiraumgestaltung erhalten die Mieter drei grüne Innenhöfe, die verschiedenen Gestaltungsthemen folgen (Felsengarten, Wassergarten, Aktionsgarten). Ihre unterschiedliche Atmosphäre lädt zu jeweils anderen Nutzungen ein und ermöglicht so differenzierte Grade der Privatheit. Die pflegearme und doch markante Bepflanzung bereichert das sinnliche Erleben der Jahreszeiten. Im mittleren Hof verstärkt ein rahmendes Gräser-Band den luftigen Charakter des Wassergartens. Seine konzentrierte Gestaltung macht ihn zum ruhigen Mittelpunkt des Freiraums. Die Innenhöfe sind über einen verbindenden Durchgang von Mietern und Gästen zu erreichen, für die nächtliche Sicherheit sorgen abschließbare Stahlgittertore.
Sämtliche Flachdächer werden extensiv begrünt. Die Wohnungen im 1.und 3. OG erhalten direkten Zugang zum Grün-Deck, das durch verschiedenfarbige und strukturell differenzierte Sedum- und Gräser-Teppiche die Farb- und Formensprache Feiningers adaptiert. Das Dach des Nordflügels erhält als zusätzliches Angebot Parzellen für Nutz- und Kräuterpflanzen zum „roof gardening“. Sie sind allen Bewohnern zugängig und individuell nutzbar.
An den Brüstungen der terrassierten Wohnungen lassen sich Pflanzkästen anbringen, deren hängende Bepflanzung die kaskadierende Wirkung des Gebäudes unterstützen und zusätzliche Verdunstungs- kühle erzeugen. In der Thüringer Straße signalisieren trockenheitsverträgliche Blumeneschen am Anfang und Ende das neue Carreé. Die umgebende Mischverkehrsfläche wird durch Amberbäume gerahmt. Alle Bäume betonen im Herbst durch eine außerordentliche Leuchtkraft das neue Quartier.

Das Feininger-Carré mit grünen Höfen, Flachdachbegrünung, roof gardening für die Bewohner und Grünkaskaden an den Dachterrassen der Hochhäuser sowie partieller Fassadenbegrünung zeigt als „Grünes Quartier“ das neue Bauen im Zeichen des Klimaschutzes in Halle.

Verfasser:
Brambach Dressler Architekten BDA
Büro für LandschaftsArchitekur Wend

Mitarbeiter:
Dipl.-Ing. Architekt BDA Mathias Dreßler
Dipl.-Formgestalter Architekt BDA Hans-Otto Brambach
Dipl.-Ing. (FH) Architekt Ronny Meyer
M. A. Interior Architecture Sophia Naab
B.Sc. Architektur Delta Gomez Linares
M. Sc. Oqba Shtian
Werkstudentin Architektur Lydia Johannemann
Dipl.-Ing. (FH) Eva Brambach
Bauzeichner Souhib Mamoud
Architekt Mohammad Allatmini
B. A. Architektur Shvan Mesto
Werkstudent Architektur Quirin Grubert
Dipl.-Ing. Landschaftsarchitektin Brigitta Wend
Schwarzplan Halle

Schwarzplan Halle

Lageplan

Lageplan

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss 1. Obergeschoss

Grundriss 1. Obergeschoss

Grundriss 3. Obergeschoss

Grundriss 3. Obergeschoss

Schnitt A - A

Schnitt A - A

Schnitt B - B

Schnitt B - B

Ansicht Ost

Ansicht Ost

Ansicht Süd

Ansicht Süd

Axonometrie Funktionsverteilung

Axonometrie Funktionsverteilung