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Nichtoffener Wettbewerb | 07/2020

Zentrales Justizzentrum in Leipzig - Neubau der Fachgerichte (3. BA)

Anerkennung

Preisgeld: 6.000 EUR

Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten mbH

Architektur

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser platzieren das Fachgerichtszentrum als selbstbewussten Solitär am Albrecht-Dürer-Platz mit – folgerichtig - zentralem, über das Vordach gut auffindbarem Eingangsbereich. Die Staatsanwaltschaft wird als kleiner Solitär an der Schenkendorfstraße eingeordnet und leitet hier gut zum angrenzenden Gebäudebestand über. Der verbindende Sockel klärt die Zugehörigkeit und grenzt das Ensemble angemessen zum öffentlichen Raum ab.
Die Erschließung der zweigeschossigen Tiefgarage sowie die Erschließung im Hofbereich für die Gefangenenvorführung im 1. UG werden über die nicht bebauten Hofflächen organisiert, die in Teilen abgesenkt sind, um das 1. UG ausreichend zu er-schließen. Die für eine Begrünung geeigneten Hofflächen sind minimal. Die Aufenthaltsflächen im Freien für Mitarbeiter und Besucher beschränken sich auf den Zwischenraum von Staatsanwaltschaft und Fachgerichtszentrum und werden als zu gering eingeschätzt.
Die gewählte Fassadengliederung- und -gestaltung wird auf allen Gebäudeseiten nahezu „zelebriert“. Das regelmäßige, do-minante Raster von vorgehängten Werksteinelementen besticht durch die feine Differenzierung in Profilierung und Plastizität. Allerdings treffen in Teilen raumtrennende Wände nicht die Fassadenteilung. Die Fassade weist Brüstungsbereiche für alle Nutzungen aus, was den Anforderungen insbesondere an die Büroräume genügt. Die gute Tageslichtausstattung aller Räume sowie die Fensterlüftung der Verwaltungsbereiche wird begrüßt.

Das leicht erhöhte Erdgeschoss wird erst nach dem Zugang ins Gebäude über eine parallel zur Fassade liegende breite Rampe erschlossen. Dieses Motiv der Schichtung gibt der zentralen, zu Straße und Park orientierten, zweigeschossigen Halle im EG den notwendigen Abstand zum öffentlichen Raum, so dass diese als Wartebereich zu den Gerichtssälen in diesem Geschoß genutzt werden kann. Die Zugangssituation erfüllt in der dargestellten Weise die Raumansprüche an den notwendigen Windfang und einer funktionierenden Sicherheitsschleuse nicht. Insbesondere gibt es Bedenken durch die räumliche Nähe zwischen Sälen, Wartebereich und Kontrollbereich im EG.

Die eindeutige städtebauliche Setzung setzt sich in einer klaren innenräumlichen Organisation fort. Die öffentlichen Bereiche liegen im EG und 1. OG räumlich erfassbar um die zentrale Halle, wobei sich die Sitzungssäle richtig zur Hofseite orientieren. Die halböffentlichen Bereiche wie die Bibliothek im EG an der Schenkendorfstraße können gut erreicht werden. Allerdings scheint die lichte Raumhöhe für die Säle von 3,70 m gering. Die offenen Treppen in der Halle wie auch das Oberlicht signalisieren die Zusammengehörigkeit der beiden Geschosse, die die Halle begrenzenden Erschließungskerne sind zudem leicht auffindbar. Die insgesamt drei Wartebereiche, die alle über einen Bezug nach außen verfügen, sind ausreichend. Sie genügen hinsichtlich der räumlichen Qualität jedoch nicht den Anforderungen an eine Vertraulichkeit von Anwalts- und Mandantengesprächen.

Ab dem 2. OG wird die Halle zum ausreichend großen Hof, zu dem gut belichtet einseitig Büroräume organisiert werden können. Das begrünte Dach der Halle könnte in Teilen als Pausenbereich für die Mitarbeiter*innen genutzt werden. Im 2. bis 4. Obergeschoss werden die drei Fachgerichte weitgehend etagenweise organisiert. Die stringente Grundrissentwicklung führt zu langen, unstrukturierten Fluren, denen es an Differenziertheit oder dem Angebot an beiläufigen Begegnungsflächen fehlt. Die Archive werden im 2. OG entlang der Fassaden eingeordnet, was aus statischen und klimatischen Gründen wenig plausibel ist.

Die Interimsnutzung kann mit wenig Umbauaufwand realisiert werden. Das ausführlich dargestellte Brandschutzkonzept scheint insbesondere durch die überlange Brandabschnittsbildung wie auch durch die notwendige Sprinkleranlage für die Halle aufwändig.

Mit der vorgeschlagenen, konventionellen Bauweise kann das Gebäude wirtschaftlich hergestellt werden, ein besonderer Innovationsgehalt ist nicht zu erkennen.
Das vorgeschlagene Gebäude gibt durch einen selbstbewussten Auftritt als „Solitär am Platz“ seiner öffentlichen Nutzung ei-nen angemessenen Ausdruck und kann neben dem historischen Gebäude des Amtsgerichts bestehen. Allerdings erzeugt dieser Ausdruck in der inneren Organisation ein wenig differenziertes Raumangebot, was insbesondere hinsichtlich der Unterbringung von mehreren Fachgerichten als fragwürdig erscheint. Ob der Gesamtausdruck einem modernen, zeitgemäßen Gerichtsgebäude entspricht, wird kontrovers diskutiert.