modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 07/2020

Neubau eines "Wissensquartiers" für Stadtarchiv, Stadtmuseum und Stadtbibliothek in Einbeck

TOR ZUM WISSEN

TOR ZUM WISSEN

Anerkennung

Preisgeld: 1.000 EUR

Simone Boldrin Architettura

Architektur

Vervoorts & Schindler Architekten BDA

Architektur

TDB LANDSCHAFT

Landschaftsarchitektur

IfG Ingenieurgesellschaft für Gebäudetechnik GmbH & Co. KG

TGA-Fachplanung

ENOTHERM GmbH

Akustikplanung, Bauphysik, Energieplanung

BSCON Brandschutzconsult GmbH

Brandschutzplanung

KONRAT Nachhaltige Architektur - Wollbrink Schoblocher Architekten PartGmbB

Bauphysik, Energieplanung, Immissionsschutzplanung

Erläuterungstext

TOR ZUM WISSEN

Eingang Ein Torbogen? Selbstverständlich!

Es ist überflüssig in einer Stadt wie Einbeck über die Formulierung eines Einganges zu spekulieren. Der Torbogen, groß genug für die Abmessung eines Brauereigespannes, ist die an nahezu jedem Gebäude der Stadt verankerte Antwort. Der Torbogen als offene, einladende Geste führt auch in das Herzstück des neuen Ensembles, den Innenhof, der das Stadtmuseum als identitätsstiftenden Ankerpunkt präsentiert. Zwei Torbögen erschließen den Hof: über den ersten gelangt man direkt zur Straße Auf dem Steinwege, über den zweiten auf den Fußweg zur Münstermauer. Ein dritter Torbogen erschließt über einen Vorhof den Bestandsnachbarn.

Erschließung Erdgeschoß? Hereinspaziert!

Zwei Giebelseiten, die alte des Museums und die neue des Wissensspeichers, bilden an der Südfassade eine Torsituation aus, in deren Zentrum der Torbogen den Haupteingang markiert. Über den leichten Knick der Wandabwicklung wendet er sich der Fuge im Straßenzug zu und präsentiert sich der Stadt im Sichtbezug. Zum Innenhof liegen alle Eingänge öffentlicher Art: Empfangssaal, Museumsshop und Gastronomie, Medienpädagogik und Museum sind direkt daran angelagert. Der Lesesaal der Bibliothek liegt im 1.OG und wird über die Galerie des zweigeschossigen Foyers erreicht. Die bereits vorhandenen Eingänge zu den Bestandsgebäuden bleiben unangetastet, ihr dezentrales Konzept wird fortgeführt. An der Außenseite der Gebäude liegen sekundäre Eingänge für Personal, Anlieferung, Entsorgung, zu autark nutzbaren Sanitäreinheiten und zu Treppenhäusern und Aufzügen. Die klare Trennung der Zugänge nach Nutzergruppen macht die Orientierung intuitiv und selbstverständlich. Dabei zeigt das Erschließungssystem eine hohe Durchlässigkeit und lässt vielfältige Bewegungsmuster zu, die dezentrale Konzeption lässt auch kurze Wege zu.

Baumassen Zwei Geschosse plus Keller? Zwei Geschosse plus Dach!

In der mittelalterlichen Stadt erkennt man das öffentliche Gebäude an einem gezielten Maßstabssprung, der es dominant im Vergleich zur umliegenden Gruppe zeigt. Dabei ist dieser so angemessen, dass es zugleich familiäres Mitglied der Häusergruppe bleibt. Oftmals entspricht das äußere Volumen dem Inneren, und der imposante Baukörper birgt einen ebenso imposanten Raum. Diese öffentlichen Orte sind der Stadtmorphologie eingeschrieben, jeder erkennt sie und versteht sie als Orte der Zusammenkunft und des gesellschaftlichen Austauschs.
Die hinzugefügten Baumassen ergänzen den Bestand dergestalt, das eine Art Resonanzkörper mit dem offenen Volumen des Hofes im Zentrum entsteht, in dem alle Teile zusammen klingen. Die Bibliothek nimmt als volumetrisch größtes Gegengewicht die maximale Distanz zum Altbau ein und zollt ihm so Respekt. Analog zur Typologie eines öffentlichen Gebäudes entspricht das Innere dem äußeren Volumen. Konsequent fiel die Entscheidung gegen eine Unterkellerung. Eine hochwertige Archivnutzung würde der Gründung und Kelleraußenwand kostenintensiven WU-Beton abfordern. Zudem ist die steile Dachlandschaft prägend und gliedert auch große Volumen in gefällige Flächen. Die Baumasse des Archivs wird daher als Dachraum ausgebildet, der Lesesaal zeigt einen Luftraum bis unter den First.

Wandelgang Barrierefrei? Umlaufend!

Der zentrale, zweigeschossige Empfangssaal blickt auf eine Galerie, die seine Hoffassade passiert. Einläufige Treppen oder der benachbarte Fahrstuhl führen zu dem Umgang, der alle wesentlichen Räume des gesamten Ensembles wie ein Ring erschließt. Linkerhand liegt der Lesesaal mit Anbindung an Mitarbeiterbüros und Gastronomie im Erdgeschoss. Niveaugleich zum Lesesaal ist der Bestandsnachbar angebunden: ein neuer Türdurchbruch an seiner Schmalseite erschließt die Ausstellungsräume des Museums. Rechterhand führt der Weg ins Stadtmuseum. Die Differenz der Geschosshöhen wird von einem vor dem Altbau positionierten Aufzug überbrückt, der als Durchlader über alle Ebenen dem Museum als barrierefreie Erschließung dient.

Bestand Teilabriss? Vollerhalt!

Die Intervention eröffnet die Möglichkeit, den Altbau an moderne Nutzungen und vor allem das Gebot der Barrierefreiheit anzupassen, ohne die Substanz verändern zu müssen. Die Berührung zwischen Alt- und Neubau erfolgt über einen Torbogen, der unter der Traufe des Altbaus anschließt. Hier ist in einer „dicken Wand“ ein neuer Personenaufzug ohne Überfahrt platziert, der alle Vollgeschosse des Altbaus andient. An Empfangssaal und Wandelgang angeschlossen und diesen räumlich zugehörig, ist er gleichzeitig autark vom Museum aus zu benutzen. Auch der Bestandsnachbar wird im 1.OG niveaugleich an den Neubau angebunden, so dass die Zirkulation durch alle Raumglieder gewährleistet ist. Mit dem Konzept einer horizontalen Ringerschließung aller Räume im 1.OG und je einem Personenaufzug pro Baukörper gewinnt die Zäsur über dem Gewölbekeller des Museums die Qualität einer Irritation, die ein freies Zirkulieren indes nicht zu behindern vermag. Als bauhistorischer Zeuge seiner Entstehungszeit verweist der Raum als Erinnerungsort auf andere Nutzungsepochen und den Begriff gesellschaftlicher Wandelbarkeit. Jeder Versuch, die historischen Deckenversprünge an diesem Punkt zu eliminieren brächte tragwerksrelevante Veränderungen des Gefüges mit sich und überzeugt daher weder aus denkmalpflegerischer noch aus ökonomischer Sicht. Die steinerne Zäsur im Fachwerk bleibt als wesentliches bauhistorisches Dokument erhalten.

Nutzungen Benutzen? Bespielen!

Der Wissensspeicher mit dem Stadtarchiv im Dach und dem Foyer auf Platzniveau wendet sich mit großen Öffnungen dem Hof zu und empfängt Besucher mit einem großzügigen, zweigeschossigen Raum, vor dessen Rückwand der Empfangstresen steht. Hier werden Besucher begrüßt, Informationen gegeben, Medien ausgeliehen und Tickets verkauft. Hinter dem Empfangstresen liegen der Aufzugsvorraum, Besucher-WCs, Schließfächer und PC-Arbeitsplätze. Links und rechts neben dem Empfangstresen führen einläufige Treppen auf den Wandelgang. Der Museumsshop ist räumlich an das Foyer angebunden, hat aber einen direkten Zugang zum Innenhof und ist damit unabhängig. In der Bibliothek sind auf Niveau des Lesesaals Gruppenarbeitsplätze angeordnet, auf den Galerien laden Tageslichtnischen dazu ein, als Recherche- und PC-Arbeitsplätze genutzt zu werden. Die Medienpädagogik soll zukünftig das Erdgeschoss des Bestandsnachbarn einnehmen. Vom Platz aus erfolgt der Zugang über den Medienhof, der gut geeignet ist um Lerngruppen vorzubereiten und zu sammeln. Das Raumgefüge ist für die Medienpädagogik sehr tauglich, die eigentlichen Werkräume liegen mit Bezug zum Straßenleben Am Steinwege. Der Hof ist der eigentliche „Dritte Ort“, das Herz des Wissensquartiers.

Über große Torbögen gelangen Besucher über die Straße oder den Park in den Innenhof mit dem Ausmaß eines kleinen, städtischen Platzes, eines Campiello. Dominiert wird er von der einzigartigen Rückfassade des Museums. Ihm gegenüber liegt ebenerdig der Empfangssaal mit großen Schaufenstern, daneben der Museumsshop. An der Nordwestecke des Campiello ragt die Bibliothek auf, erdgeschossig liegt hier die Gastronomie. Im Hof können Konzerte, Theateraufführungen oder Abende mit Freiluftkino stattfinden. Als Fläche für Veranstaltungen bietet sich neben dem Innenhof und dem Saal die Galerie im 1.OG an. Sie ist weitläufig und bietet viele reizvolle Raumerweiterungen und Ausblicke. Generell lässt sich jeder einzelne Baustein des Ensembles autark nutzen, auch der Hof. Je nach Wunsch kann er des Nachts geöffnet bleiben oder geschlossen werden. Tagsüber mag er auch als Abkürzung dienen, so dass mit Laufpublikum gerechnet werden kann. Ebenso können Räume mit diversen Qualitäten bei Veranstaltungen gleichzeitig genutzt werden, bis hin zur choreographischen Bespielung aller Raumglieder.

Baudenkmal

Unsere häufigsten und am besten erhaltenen Baudenkmale liegen unter der Erde. In einem so dicht besiedelten Kontext wie der Einbecker Altstadt ist mit Bodendenkmalen in beträchtlichem Ausmaß zu rechnen. Die häufigsten und relevantesten Artefakte sind in der Regel in den Höfen verortet. Daher haben wir uns konsequent gegen eine Unterkellerung entschieden. Abgesehen von hohen Kosten, die eine hochwertige Archivnutzung der Gründung und Kelleraußenwand über WU-Beton mit Folie abfordern würde, birgt auch das Zeitfenster ab einer Einschaltung der Archäologen Ungewissheiten. Denn das Besondere am Finden ist ja die Unbekanntheit des Gegenstandes und Zeitpunktes seiner Entdeckung. Die steile Dachlandschaft prägt bereits das existente Gefüge und gliedert selbst große Volumen in angenehme Flächen. In der Konsequenz dieser Überlegungen formen wir die für das Archiv notwendige Baumasse als Dachraum aus. Der von uns geplante Eisspeicher kann im Gegensatz zu einer unterirdischen Baumassnahme ganz sensibel dort platziert werden, wo keine Funde vorhanden sind und kein Bodendenkmal tangiert wird. Mit dieser konzeptionellen Grundidee werden die größten Kostenfaktoren ausgeschaltet, die Bausumme kann in Gänze dem oberirdischen Bauwerk und der Ausstattung des eigentlichen Herzstücks, dem Lesesaals gewidmet werden.

Freianlagen

Das neue geschlossene Ensemble von Stadtmuseum, Archiv, Bibliothek und Restaurant gruppiert sich um einen Innenhof, der gleichzeitig als Entrée zu den verschiedenen Kultureinrichtungen, wie auch als Gartenhof der Gastronomie und als Ort für unterschiedlichste Veranstaltungen musikalischer und spielerischer Art (Kinder) dient. Dieser zentrale Eingang wird über eine Gasse an der südlichen Grundstücksgrenze erschlossen. Die neuen Gebäude übersetzen die Unregelmäßigkeit des mittelalterlichen Stadtgrundrisses und seine städtebauliche Körnigkeit durch subtile, winkelige Brechungen in der äußeren und inneren Kontur auf das Ensemble. Eine Ölweide mit einem pittoresken Astwerk in einem runden Hochbeet verleiht dem Hof ein signifikantes Flair. Die Gasse führt zu einer mit Zierobstbäumen unregelmäßig bestandenen Wiese, auf der die Kinder des Kindergartens und der geplanten Kindertagesstätte spielen können. Zwischen beiden führt ein Weg von der Straße ‚Auf dem Steinwege‘ zur Stadtgrabenstraße und der gartenseitigen ‚Münstermauer‘, von der die beiden Einrichtungen angebunden sind. Der Gartencharakter dieser Fläche verbindet sich mit den Nachbargärten, so dass sich das gesamte Grundstück mit dem gebauten Kulturensemble und den Kinderhäusern harmonisch in das Stadtbild einfügt.
Die Feuerwehr erreicht über die südliche Gasse das Archivgebäude von der Gartenseite. An der Nordseite befindet sich die Anlieferung für die Gastwirtschaft und die Müllentsorgung. Die Gasse und der Hof werden von einem rötlichen Sandsteinpflaster belegt, welches typisch für die weitere Weserregion ist. Das Pflaster bietet mit einer gesägten Oberfläche gerade älteren Menschen einen hohen Gehkomfort.

Energiekonzept

Durch die Integration von Architektur, Materialwahl und Energiekonzept sind bereits durch die Konzeption des Gebäudes und die Wahl der Materialien passive Maßnahmen ergriffen worden. Dieses Zusammenwirken von Architektur und Technik soll die Umweltwirkungen des Gebäudes minimieren und die Behaglichkeit für die Nutzer erhöhen. Ebenfalls sind auf diese Weise Betriebs- und Wartungskosten zu minimieren. Doch wie wirken die passiven Maßnahmen und wie können Sie durch Technik optimal ergänzt werden um ein Energiekonzept zu entwickeln, welches dem ganzheitlichen Anspruch Rechnung trägt. Das Ziel des Entwurfes ist eine vorrangige Nutzung von passiven Maßnahmen sowie die Ergänzung dieser durch selektive aktive Maßnahmen auf Grundlage von erneuerbaren Energien.

Tragwerk

Das Tragwerk nimmt Bezug auf die Örtlichkeit und transformiert traditionelle Baukultur in das neue Wissensquartier Einbeck. Für das Stadtarchiv wird das klassische Hängewerk in moderner Bauweise interpretiert, um das Dachvolumen mit der gewünschten Archivnutzung zu füllen. In regelmäßigem Abstand werden hierzu Stahlbetonschotte in das Dach eingepasst, die alle Ebenen des Archivs aufnehmen und die Lasten über in die Außenwand integrierte Stahlbetonstützen in die Fundamente abtragen. So ergeben sich im Eingangsbereich großzügige stützenfreie Räume und in allen Geschossen gemauerte Wände. In der Bibliothek wird die Urform des Sparrendachs mit heutiger Holzbaukunst zu einem großvolumigen Dachraum frei von Tragelementen. Die einzelnen Sparren verbinden sich zu einem leichten Flächentragwerk in sichtbarer Holzkonstruktion und stehen auf einem massiven Drempel, der über die angeschlossenen Geschossdecken gehalten wird. Vier Eckstützen bilden das innere Traggerüst für die Galerieebenen. Die Außenwände können klassisch in Mauerwerk hergestellt werden. Die Geschossdecken beider Baukörper bestehen aus Stahlbeton und gewährleisten damit die Einhaltung auch höchster Brandschutzanforderungen. Der konsequente Einsatz von Recyclingbeton, Holz, Ziegel und ökobilanzoptimierten Baustoffen für alle tragenden Bauteile führt zu einer signifikanten Reduzierung des Treibhauspotentials und damit zu einer Verbesserung der Ökobilanz des Rohbaus, ohne die Baukosten negativ zu beeinflussen. Damit leistet auch das Tragwerk einen Beitrag zur Zukunftsfähigkeit und Werthaltigkeit des Bauwerks.