modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 08/2020

Neues Wohnquartier am historischen Ortskern in Levern, Gemeinde Stemwede

3. Preis

Preisgeld: 8.000 EUR

andreas schneider architekten

Architektur

Monath und Menzel

Modellbau

Erläuterungstext

Am historischen Ortskern von Levern entsteht ein neues Wohnquartier, dessen Identität durch kommunikative Nachbarschaftscluster geprägt ist. Leitidee des Entwurfs ist die grundlegende Vielfalt in der Art der Nutzung, der Bebauung, der Außenraumangebote und der Verbindungen. Die Nachbarschaftscluster ermöglichen ein Arrangement aus unterschiedlichen Haustypen in überschaubaren Einheiten, die vielfältige Begegnungsformen und -intensitäten zulassen. Die Gestaltungsqualitäten der übergeordneten Quartiersstruktur finden sich in den Kleineinheiten der Cluster wieder. Die Körnung und der städtebauliche Maßstab des neuen Quartiers fügen sich harmonisch in das Gesamtgefüge des Ortes ein. Mit behutsamer Verdichtung werden neue, dynamische Entwicklungsmöglichkeiten für Levern geschaffen.
Auftakt für das neue Quartier bildet der „Marktplatz“ am Quartierseingang, der als übergeordneter, verbindender Ort zwischen Bestand und neuem Wohnviertel fungiert. Mit seinem Café belebt er nicht nur die neue Nachbarschaft, sondern stellt auch eine Einladung an Nutzer aus den umliegenden Gebieten dar. Eine Spielstraße führt von hier aus in das Wohngebiet und mündet in einen großzügigen Wendeplatz in der Quartiersmitte. Dieser bietet als Herzstück für die Bewohner viele Möglichkeiten für nachbarschaftliche Aktivitäten und Feste. Im Erdgeschoss eines der am Wendeplatz liegenden Mehrfamilienhäuser ist ein multifunktionaler Gemeinschaftsraum für vielfältige Nutzungen wie Sport, Kinderbetreuung oder gemeinsames Kochen eingeplant.

Das Gesamtareal ist geprägt durch ein klares, aber vielschichtiges Wegenetzwerk mit vielfältigen Außenraumqualitäten, das sich durch das ganze Quartier zieht und dieses mit der Umgebung verbindet. Motorisierter Verkehr ist auf ein Minimum beschränkt. Fußgänger und Fahrradfahrer haben hier Vorrang, Elektromobilität wird gezielt integriert. Gemeinschaftlich genutzte, autofreie Innenhöfe, von denen aus die einzelnen, einander zugewandten Häuser erschlossen werden, bilden das zentrale Element jedes Clusters. Als Orte alltäglicher Begegnung, schaffen diese Möglichkeiten für Austausch, gemeinsame Aktivitäten oder Nachbarschaftshilfe. Rückwärtig entstehen ruhige Zonen mit privaten Gärten, zwischen denen jeweils ein öffentlicher Fuß- und Radweg angelegt ist. Stellenweise Aufweitungen bieten hier Orte der Interaktion, ausreichend Bänke Gelegenheit zum Verweilen. Vom Quartierseingang bis zum Regenrückhaltebecken erstrecken sich längs der Grünverbindung Spielelemente in loser Gruppierung als Orte des kreativen Entdeckens. Sickermulden entlang der Grünwegeführung und in den Innenhöfen sammeln das Regenwasser, das über Rigolen in das Regenrückhaltebecken geleitet wird. In heißen Monaten kann dieses in die Sickerflächen rückgeführt werden, um hier Verdunstungskälte zu generieren. Zusammen mit der allgemeinen Durchgrünung und damit gegebenen Verschattung entsteht so ein angenehmes Mikroklima. Blumenwiesen als Inseln entlang öffentlicher Grünwege oder Alternative zu Mietergärten an den Mehrfamilienhäusern bieten ökologische Nischen für heimische Insekten.

Die Bebauung des Gebietes sieht ein- und zweigeschossige sowie an der Leverner Straße und um die Quartiersmitte dreigeschossige Gebäude vor. Die dreigeschossigen Baukörper, ergänzt durch gezielte, verdichtete Begrünung zwischen den Gebäuden an der Quartierskante, übernehmen die Schallschutzfunktion für das Quartier. Dabei sind die Nebenräume dieser Gebäude zur Leverner Straße hin orientiert, um auch den Bewohnern eine ruhige Hauptnutzung zu ermöglichen. Innerhalb eines Clusters ist eine variable Anordnung eines Mixes aus Einfamilien-, Doppel-, Reihen- und Mehrfamilienhäusern vorgesehen. Flexible Gebäudestrukturen erlauben eine individuelle Aneignung durch die Bewohner sowie verschiedene Wohnformen. Sonderformen wie Mehrgenerationenwohnen, betreutes oder altengerechtes Wohnen sind hier gut integrierbar und ermöglichen eine starke Teilhabe am öffentlichen Leben. Alle Gebäude sind im Erdgeschoss barrierefrei ausgeführt. Die Vergabe von Baufeldern oder Teilbereichen an Baugruppen ist denkbar.

Die Ost-West-Ausrichtung der Häuser lässt eine faire Verteilung besonnter privater Außenräume zu, ebenso wie die Nutzung solarer Wärmeeinträge. Unterschiedliche, geneigte Dächer sind hauptsächlich nach Süden ausgerichtet und können so die Photovoltaikelemente aufnehmen, die in Kombination mit einem Blockheizkraftwerk die Haushalte umweltfreundlich mit Strom und Wärme versorgen. Zusammen mit der Nutzung passiver, solarer Strategien sowie einer luftdichte, hochgedämmten Gebäudehülle ist für langfristig geringe Betriebskosten gesorgt. Entsprechend einer klimafreundlichen Ausrichtung des Quartiers, ist eine Begrenzung der CO2-Emissionen für Heizung, Warmwasserbereitung auf 9kg CO2/m²a, und des Transmissionswärmeverlustes durch Ausbildung der Bauteile mit einem Wärmedämmstandard von maximal 15 kWh/m²a gemäß Passivhausstandard vorgesehen. Die Verwendung rezyklierbarer Baustoffe sowie die kompakte Bauweise minimieren die Lebenszykluskosten sowie den individuellen ökologischen Fußabdruck. Ausführungen als Passivhaus sowie Zertifizierung nach DGNB sind möglich.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schlagen eine kleinteilige Bebauung mit Gemeinschaftshöfen vor, die jeweils an den öffentlichen Straßenraum angebunden sind.
Die jeweiligen Höfe werden mit unterschiedlichen Gebäudeformen gebildet, wie Einfamilienhäuser, Geschosswohnungsbau und geförderten Wohnungsbau. Dadurch entsteht ein sehr soziales Ge-füge mit guter Aufenthaltsqualität und eigener Identität innerhalb der Hofgemeinschaften.
Durch die Anordnung der Hofstrukturen werden größere Grünräume in Nord-Südrichtung mit pri-vaten Gärten, aber mit einer öffentlichen Durchwegung, geschaffen, welche als durchlässige Grün-schneisen zu sehen sind. Dadurch entsteht klimatisch eine gute Durchlüftung für das neue Quar-tier.
Positiv wird der Auftakt in das Wohnquartier durch den sogenannten Marktplatz mit Bürgercafé gesehen, da er auch gleichzeitig als Bindeglied mit dem bestehenden Wohngebiet fungiert.
Die Durchfahrung des Gebietes ist folgerichtig und schließt an die neue geplante Stichstraße an, sodass keine Wendesituationen entstehen.
Die Stellplatzsituation ist hinsichtlich eines räumlich verträglichen, dörflich angemessenen Stell-platzkonzepts zu überarbeiten.
Die vorgeschlagene Quartiersmitte wird kontrovers diskutiert, zumal an dem Platz der gesamte Verkehr vorbeigeführt wird und sich der Platz stärker mit der landschaftlichen Grünschneise ver-binden sollte.
Die Mischung aus Satteldächern und Pultdächern wird vom Preisgericht gewürdigt, wird aber in der kleinteiligen Aneinanderfügung äußerst kritisch gesehen, insbesondere wenn unterschiedliche Dachformen direkt aufeinandertreffen.
Insgesamt schafft der Entwurf eine eigenständige Sprache und Idee und fügt sich aufgrund seiner Körnigkeit in die bestehende Ortsstruktur mit hoher Freiraumqualität harmonisch ein.