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Nichtoffener Wettbewerb | 08/2020

Gestaltung der Eingangssituation des Bundespräsidialamts in Berlin

Perspektive Eingangssituation

Perspektive Eingangssituation

1. Preis

Preisgeld: 36.000 EUR

tsj-architekten gmbh

Architektur

lad+ landschaftsarchitektur gmbh

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Leitbild & Städtebau I Wie baut man „kein Haus“?
Die neue Eingangssituation für das Bundespräsidialamt und Schloss Bellevue verortet sich in einem Spannungsfeld aus unterschiedlichsten Anforderungen: Das Baufeld liegt an einer sehr prominenten Stelle Berlins, die derzeitige und zukünftige Nutzung stellt jedoch eine äußerst sensible und schutzbedürftige Einrichtung dar. Es soll einerseits ein repräsentativer, gut auffindbarer Zugang auf die Liegenschaft ausformuliert werden, welcher sich andererseits hochbaulich maximal zurückhaltend in die denkmalgeschützte Parkanlage und den südlich angrenzenden Tiergarten einfügt.
Dies gelingt, indem sich der unterirdisch flächig vernetzte Baukörper auf Erdgeschossniveau mit der geringstmöglichen Baumasse, aufgeteilt auf drei ausgewogen platzierte Solitärbaukörper, zeigt. Durch das Vermeiden eines einzigen „wandartigen“ Baukörpers und den Verzicht auf lange straßenparallele Gebäudekanten, kann der Grünraum zwischen der pavillonartigen Bebauung hindurchfließen und der Parkcharakter der Gesamtanlage verstärkt und nach außen sichtbar werden. Alle oberirdischen Bauteile sind eingeschossig ausgebildet (Eingangsgebäude mit „eingelassenem“ Staffelgeschoss) und drücken so ihre zurückhaltende und dienende Funktion gegenüber dem Bundespräsidialamt und dem Schloss Bellevue aus. An keiner Stelle treten die neuen Baukörper in Konkurrenz zum Bundespräsidialamt, dem Schloss Bellevue oder dem Ehrenhof. Lediglich mit dem Eingangsbereich und dem Besucher-Warteraum streckt der Eingangspavillon seine Fassade dichter an den Gehweg des Spreewegs heran und bildet mit dem verglasten Foyer einen repräsentativen ersten Eindruck. Alle weiteren Baukörper verschwinden hinter einer gestaffelten Grünkulisse in welche unauffällig der Stabgitterzaun integriert ist; die Liegenschaft wird im Vorbeigehen stärker als zuvor als zusammenhängender Park wahrgenommen, welcher sich weitestgehend uneinsichtig und schützend um die Bauten legt.


Umgang mit dem Baumbestand
Das „diplomatische“ Einfügen der Baumassen in die Parklandschaft ermöglicht nicht nur den Erhalt von „besonders schutzwürdigen“ Bäumen (Stieleiche, Ulme & Hainbuchengruppe) sondern auch die Berücksichtigung vieler weiterer als erhaltenswert eingestuften Bäume wie etwa die zwei Schwarzpappeln, die Rotbuchengruppe, die Linde am Spreeweg, die Lindengruppe am Präsidentengarten und die ans Wettbewerbsgebiet angrenzende Kastanienallee.
Durch den Erhalt der z.T. sehr dicht stehenden Baumgruppen gelingt es neben dem neu zu schaffendem Gehölzsaum (in dem der Stabgitterzaun integriert ist) einen weiteren „optischen Filter“ in „zweiter Reihe“ zu belassen, welcher tiefere Einblicke auf die Liegenschaft verhindert und somit eine wertvolle Schutzfunktion darstellt. Speziell die Lindengruppe an der Mauer zum Präsidentengarten setzt einen städtebaulich wirksamen Hochpunkt hinter die abgesenkten Flächen der Bundespolizei.
Die Stieleiche wird als „sehr bedeutender Baum“ mit einem immergrünen, geschnittenen Heckenpaket und einfassender Sitzbank neu gefasst und setzt den Eingang zum Wach- und Kontrollgebäude sowie den Zugang auf die Liegenschaft in Szene: ein besonderer Baum markiert einen besonderen Ort!

Gestaltungskonzept Fassade & Innenräume I Materialien & Pflegeaufwand
Die oberirdisch sichtbaren Teile des Neubaus sollen sich möglichst unauffällig in die Parklandschaft integrieren und auf keinen Fall mit Schloss Bellevue in Konkurrenz treten. Aus diesem Grunde werden sämtliche geschlossenen Fassadenflächen mit einer hinterlüfteten Vorhangfassade aus feingeschliffenen Baubronzetafeln verkleidet. Die matte, fast schwarze Oberfläche greift in der Farbigkeit die Fassaden-Gestaltung des Bundespräsidialamtes auf und geht im Grün der Parkanlage unter. Besondere Bereiche (Eingang, Warteräume) sind mit einer profillosen Ganz-Glasfassade aus Sonnenschutzglas versehen („Stuctural Glazing“) und lenken so das Augenmerk auf die halb-öffentlichen und repräsentativen Funktionen des Wach- und Kontrollgebäudes. Fenster vor „schutzbedürftigen“ Räumen erhalten eine zusätzliche „Schicht“ aus vorgelagerten Bronzelamellen, welche nach Erfordernis schräg gestellt sind, um Einblicke in die dahinter liegenden Räume zu verhindern.

Der innere und tragende Kern des Eingangsgebäudes wird als „Hintergrund“ für die repräsentativen Bereiche ebenfalls mit Bronzetafeln - hier poliert, dadurch in einem warmen Braunton - verkleidet und durch Einprägungen und Wandbeleuchtung objekthaft hervorgehoben.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Ansatz der Verfasser, die neuen Gebäude in ihrer Volumetrie zu reduzieren, um sie zurückhaltend in das bestehende Ensemble aus Schloss und Park Bellevue sowie dem Bundespräsidialamt einzufügen, gelingt überzeugend.

Das Parkareal mit seinem wertvollen Baumbestand bleibt erhalten und wird durch einzelne, geschickt in den Grünraum positionierte Pavillons ergänzt. Von den vom Straßenraum aus weitgehendst nicht sichtbaren Pavillons wird nur das Kontrollgebäude herausgestellt und öffnet sich den Besuchern. Der Grünraum umfließt alle Pavillons und erhält durch den Abriss der „Alten Wache“ und Verlegung großer Teile des Programms unter die Erde eine überraschende Großzügigkeit.

Die gute Maßstäblichkeit der - wie große Steine - in den Park verteilten, unterschiedlichen Nutzungen überzeugt. Die architektonische Ausbildung der amorphen Pavillons wurde im Hinblick auf ihre Architektursprache jedoch kontrovers diskutiert.

Die Darstellung der gewünschten Leichtigkeit der Fassaden unter Berücksichtigung der erforderlichen Sicherheitsbelange erfordert mehr architektonische Präzision und eine höhere Detailschärfe.

Der zentrale zweigeschossige Pavillon mit dem Besucherein- gang vermittelt zwischen Spreeweg und Schloss und überzeugt durch seine Transparenz und Offenheit. Es gelingt eine Ballance zwischen der funktionalen Gestaltung innenliegender und damit diskretionswahrender Kontrollbereiche und einladenender, nach außen orientierter Wartezonen.

Eine Besonderheit des Entwurfs liegt in der klaren Trennung des Eingangs- und Kontrollbereiches vom internen Bereich der Bundespolizei. Deren Büroräume liegen natürlich belichtet um einen abgesenkten, großzügigen Gartenhof herum, der für die Beschäftigten eine ungewöhnlich angenehme Aufent- haltsqualität verspricht.

In zwei weiteren deutlich kleineren, eingeschossigen Pavillongebäuden werden nahe zum Bundespräsidialamt die Funktionen der Ver- und Entsorgung untergebracht. So gelingt es, die Bereiche mit Anlieferung und Versorgung klar von den übri- gen Funktionen zu trennen. Zur Stärkung des Parks wird diese zurückliegende Anlieferungszone durch eine Grünzone mit neuen Baumsetzungen vom Straßenraum abgeschirmt.

Im Wachhof entsteht eine völlig neue räumliche Situation. Alle bestehenden Flächen bleiben erhalten und erweitern sich visuell im Bereich der abgerissenen „Alten Wache“. Die vor- teilhafte Trennung von Kontroll- und Polizeibereich ermög- licht, die Funktionen räumlich klar zu verteilen.

Der Versorgungsgang im 1. Untergeschoss und der darunter- liegende Mediengang im 2. Untergeschoss überzeugen durch Anordnung und Raumabfolgen. Parallel zum Versorgungsgang ist das Postverteilzentrum angeordnet, welches durch Oberlichter mit Tageslicht versorgt wird. Diese notwendigen Öff- nungen müssten gestalterisch stärker zurücktreten.

Zum Spreeweg und Wachhof öffnen sich die Gebäude mit einer leichten Vorhangfassade, im Wechselspiel von transparenten, geschlossenen und durch Vertikallamellen geglieder- ten Fassadenteilen. Die matte, fast schwarze Oberfläche der Baubronzelamellen korrespondiert mit der Farbigkeit des Bundespräsidialamtes und fügt sich harmonisch in das Grün der Parkanlage. Die Eingangsbereiche sind transparent ausgebildet und schaffen so die gewünschte einladende Adressbildung.

Die konstruktive Realisierbarkeit der gerundeteten, profillosen Ganzglasfassade wird im Hinblick auf die anspruchsvollen Sicherheitsanforderungen in der dargestellten Immaterialität in Frage gestellt.

Der Abstand zu mehreren besonders erhaltenswerten Bäumen muss nachjustiert werden, insbesondere die Stieleche erfordert mehr Rücksichtnahme.

Die vorläufige Kostenprognose wird in diesem Entwurf voraussichtlich gering überschritten.

Insgesamt überzeugt der Entwurf in seiner Funktionalität und städtebaulichen Setzung im geschützten Tiergarten in besonderer Weise.