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Mehrfachbeauftragung | 05/2020

Masterplan für den Campus Steinfurt der FH Münster in Steinfurt

1. Rang

Behnisch Architekten

Architektur

BSV Büro für Stadt- und Verkehrsplanung Dr.-Ing. Reinhold Baier GmbH

Verkehrsplanung

Erläuterungstext

Die Fachhochschule Münster (FH Münster) beabsichtigt die Umstrukturierung ihres Campus in Steinfurt. Der bauliche Zustand der Bestandsgebäude entspricht in Teilen nicht mehr den Bedürfnissen und Anforderungen an eine moderne Bildungseinrichtung. Darüber hinaus werden zusätzliche Flächen notwendig, um einerseits der stetig wachsenden Anzahl der Studierenden und andererseits der Einbeziehung der heute ausgelagerten Räumlichkeiten gerecht zu werden.

Der Campus Steinfurt liegt im Westen des Stadtteils Burgsteinfurt. Durch die gute fußläufige Anbindung an den Bahnhof ist der Campus auf kurzem Weg zu erreichen. Die Erschließung des Campus-Geländes mit dem PKW ist ebenfalls gegeben und wird von einer Vielzahl von Lehrenden und Studierenden heute gerne angenommen. Ein reichhaltiges Angebot von Parkmöglichketen im nördlichen Bereich des Campus sowie eine zwangsläufige Belastung der angrenzenden Wohngebiete durch Parkplatzsuchende ist die aktuelle Folge daraus.

In einem zukunftsweisenden, abschnittsweise realisierbaren, Gesamtkonzept soll nun aufgezeigt werden, wie eine strukturelle Weiterentwicklung des Campus in Steinfurt aussehen könnte. Ein robustes und nachhaltiges Konzept soll nicht nur die baulichen Aspekte berücksichtigen, sondern darüber hinaus die gestellten Fragen bzgl. der Gestaltung der Freianlagen, der Erschließung, der Lage der Zu- und Eingänge zum Campus sowie den Gebäuden umfassend beantworten. Zusätzlich hierzu soll die Einbindung der zu erhaltenden Bausubstanz, die Umorganisation und die Umverteilung einzelner Funktionsbereiche umfassend bewertet werden.

Auf der Suche nach einer angemessenen und visionären Lösung ist es daher notwendig und nahezu unabdingbar, die Beziehungen von Gebautem und Freiraum feinjustiert aufeinander abzustimmen, um die so zunächst verborgene, jedoch positiv wirksame Wechselwirkungen entdecken zu können. Das Gebaute alleine wird sicherlich keine adäquate Antwort auf die gestellte Aufgabe hervorbringen, vielmehr müssten zuerst die zukünftig prägenden Gestaltungsparameter festgelegt werden.

Diese Festlegung und die Identifizierung der maßgebenden Kriterien sind von entscheidender Bedeutung, ohne die eine Erarbeitung eines Vorschlags für einen zukunftsweisenden und charakterstarken Campus weder erfolgen noch weiterentwickelt werden kann. Die Definition der Zugänge zum Campus, die Ordnung und "Sortierung" des ruhenden Verkehrs, die Ausformulierung der Wegebeziehungen im Freiraum, die qualitätsvolle Gestaltung der Außenanlagen und die Frage nach einer angemessenen Dialog zwischen Campus und den angrenzenden Wohnquartieren müssen zuerst geklärt werden, um dann daraus ableitend ein schlüssiges Gesamtkonzept gestalten zu können. Keinesfalls unberücksichtigt bleiben dürfen Überlegungen zur inneren Organisation der Häuser, ein Wechselspiel zwischen Alt und Neu.

Eine spannende Aufgabe und komplexe Aufgabe. Eine nicht alltägliche Fragestellung, die eine mutige und inhaltlich facettenreiche Lösung hervorbringen müsste.

Zunächst einmal muss die Adresse, der Anknüpfungspunkt zur Stadt und zur Umgebung festgelegt werden. Dies wäre dann ein guter Startpunkt für weitere Überlegungen. Es wird ein Konzept vorgeschlagen indem der Campus Steinfurt zukünftig zwei eindeutige und darüber hinaus markante Eingänge erhalten wird. Die aktuellen Verkehrsströme und die bereits heute existierenden und von den Studierenden genutzten Wege und Straßen bilden die Grundlage für die Festlegung, Stärkung und Markierung der neuen Zugänge. Abgeleitet aus der fußläufigen Anbindung zum Bahnhof wird im nord-östlichen Bereich des Campus in unmittelbarer Nachbarschaft zum Studentischen Wohnen ein schönen Eingangsplatz ausformuliert. Von Westen kommend, angebunden an den Kreisverkehr und die zukünftige Kreisstraße, kennzeichnet das Gründerzentrum (Grips III) im Dialog mit der neuen, landschaftlich gestalteten Parkpalette den Eingang von Westen.

Über die Parkpalette wird der ruhende Verkehr somit zentral organisiert und der Suchverkehr nach einer geeigneten Parkmöglichkeit damit weitgehend unterbunden und aus den angrenzenden Wohnbereichen ferngehalten. Durch das somit gute Angebot an Parklätzen für die Fahrzeuge wird der Campus im Inneren zukünftig von jeglichem Fahrverkehr freigehalten.

In der Gesamtanlage werden zunächst Campus "Cluster" festgelegt, welche einerseits die zu erhaltene Bausubstanz in sich aufnehmen, andererseits Bereiche definieren, die freigehalten und nicht bebaut werden sollen. Der nicht bebaute Außenraum, ist demnach das maßgebende Kriterium für weitere Überlegungen. Freiräume werden inszeniert, um innerhalb des zukünftigen Campus ein spannungsreiches und kommunikatives "Netzwerk" anbieten zu können. Ein "Netzwerk" unterschiedlicher Hierarchien, differenzierter Atmosphären und Charakteristika.

Als übergeordnetes und zentrales Element des neuen Campus ist ein Kommunikations- und Erlebnisweg angedacht, die einzelnen Cluster miteinander verbindet und der als Startpunkt jeweils den Eingang zum Campus im Westen und Osten hat. Dieser "Erlebnisbereich" ist weniger als linearere Verbindung zweier Orte zu verstehen, sondern vielmehr als sich verwebende Struktur von Einzelorten. Es entsteht somit kein singulärer Ort, vielmehr ein facettenreicher Organismus für einen lebendigen Wissensaustausch von Lehrenden und Studierenden. Generell sollte es auch möglich sein, dass die Bewohner der Nachbarschaft die qualitätsvollen Freiflächen nutzen können, sodass die Durchmischung des Campus von Bewohnern und Akademikern gleichwohl zu einem inspirierenden Austausch beiträgt.

Entlang des Erlebnisweg ist das Angebot an Sitz- und Verweilmöglichkeiten reichhaltig. Die Ausformulierung der Wege, der Pflanzbereiche, der individuellen Sitzmöglichkeiten, sowie der "Pflanzordnung" der Bäume ist spielerisch und folgt harmonischen Linien und Gesten. Die Trennung von Fahrradfahrern und Fußgänger erfolgt zurückhaltend als Markierung auf den Belagsflächen. Gewünscht und unterstützt werden soll vielmehr der aktive Austausch unterschiedlichster Aktivitäten, mit einem einfachen Appell an Rücksichtnahme und Toleranz. Die landschaftlichen Elemente stehen bewusst in einem spannungsreichen Kontrast zu den eher orthogonal abgebildeten Grundformen der Cluster.

An den jeweiligen Zugängen zu den Clustern überlagert sich der Freiraum, die Landschaft mit leichten Einbauten. Ein angrenzendes orthogonales Belagsmuster, angereichert mit Schirmen und Pergolen markieren die Zugänge zu den Clustern, ohne dass die Leichtigkeit des Erlebniswegs störend zu beeinträchtigen. Hier sind die Fahrradstellplätze angeordnet, zentral und direkt am Institut. Hier kann man sich zum informellen Plausch im Freien, sonnen- und regengeschützt, verabreden.

Die bauliche Struktur der Cluster folgt der bereits angelegten orthogonalen Grundordnung der Bestandsgebäude. In weiten Teilen werden die Bestandsgebäude lediglich ergänzt und innerhalb des Clusters in eine dem Raumprogramm und den Proportionen angemessene Funktionseinheit überführt.
Einzelne "Cluster-Bauten" erhalten einen geschützten Innenhof, der alle angrenzenden Funktionen mit Tageslicht versorgt und der zusätzlich zum öffentlichen Erlebnisweg hin eine gewisse Privatheit sicherstellt. Diese Bereiche sind die individuellen "Institutshöfe", die ebenso, wenn auch etwas intimer, miteinander interagieren können. Hier kann die Forschungsarbeit im Freien erfolgen oder die Ergebnisse der dem interessierten Publikum präsentiert werden.

Es ist ebenso angedacht, dass die Häuser sich in den Obergeschossen zu einem größeren Netzwerk an Räumen verbinden können. Die Baustruktur ist so vorformuliert, dass sich die Gebäudehöhen und die Maßstäblichkeit der Gebäude selbst angenehm und angemessen mit der Umgebung verbinden. Dabei sind die Gestaltung und die Einbeziehung der Dachflächen als fünfte Fassade bedeutsam. Die Dachflächen können wie die Innenhöfe über die Staffelung der Gebäude als Experimentierflächen in die institutionelle Arbeit miteinbezogen werden.

Für die Erweiterungsfläche im Westen ist ein weiteres Cluster vorgesehen, welches sich thematisch in die Struktur des Campus eingliedert und diese ganz selbstverständlich ergänzt und bereichert.
Die einzelnen Bauphasen sind so gewählt, dass die konzeptionelle Idee und das Gesamtbild des Campus nach und nach wachsen kann, ohne dass in Zwischenphasen der Eindruck eins unfertigen Hochschulgeländes entsteht. Ebenfalls wurde bei der Verteilung der einzelnen Nutzungen und der Belegung der Gebäude mit Funktionen darauf geachtet, dass Doppelumzüge notwendig sind. Um der CO2-Neutralität des Campus gerecht zu werden sind die nichtgenutzten Dachflächen als Gründächer vorgeschlagen. Zusätzlich hierzu wird ein besonderer Wert auf die Verwendung von ressourcenschonenden Rohstoffen besonderer Wert gelegt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf nimmt die gestalterischen und funktionalen Herausforderungen der Aufgabenstellung gut auf. Durch die Schaffung von nutzbaren und gestalterisch angemessenen Räumen und die Bildung einer Campusmitte werden die Gebäude der FH Münster sinnvoll miteinander verknüpft. Weiter zeichnet sich der Entwurf positiv durch eine sinnvolle Verknüpfung mit den vorhandenen Strukturen und der angrenzenden Wohnbebauung aus. Darüber hinaus überzeugt die Arbeit mit einer angenehmen Dichte und qualitätsvoller Bereichsbildung, auch in Hinblick auf den Freiraum. Die Grundidee eines Kommunikations- und Erlebniswegs und die damit einhergehende räumliche Freiraumgestaltung mit differenzierten Qualitäten findet großen Anklang.
Die vorgeschlagene Gebäudetypologie ist für die FH Münster gut nutzbar und entspricht den Vorstellungen.
Die verkehrliche Anbindung der Parkpalette über die Straße Am Campus wird als funktional tragfähig angesehen. Zudem kann die gestalterische Differenzierung der Parkpalette zu den Lehr- und Institutsgebäuden überzeugen. Eine Ausweisung von weiteren oberirdischen Stellplätzen sollte noch differenzierter erfolgen, insbesondere für mobilitätseingeschränkte Personen.
Der Entwurf bietet die Chance, sich variabel den zukünftigen und den sich veränderten Herausforderungen der FH Münster anpassen zu können. Zudem bieten die baulichen Strukturen ausreichend Flexibilität. Daher stellt der Entwurf insgesamt eine funktional und gestalterisch hochwertige sowie sinnvolle Lösung der vorliegenden Planungsaufgabe dar.
Lageplan

Lageplan

Schemagrundriss Erdgeschoss

Schemagrundriss Erdgeschoss

Schemagrundriss Regelgeschoss

Schemagrundriss Regelgeschoss