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Einladungswettbewerb | 06/2020

Neubau eines Bürogebäudes am Mittelhafen 36-40 in Münster

2. Preis

Preisgeld: 40.000 EUR

Max Dudler GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Städtebau
Aus der Komposition von drei Baukörpern mit gleicher Grundgeometrie aber unterschiedlichen Gebäudehöhen entwickelt sich der Büro-Neubau für FIEGE als interessante städtebauliche Figur. Mit einer jeweils um zwei Geschosse gestaffelten Höhenentwicklung entsteht eine bewegte Silhouette, die den unterschiedlichen Nutzern des Gebäudes ein eigenes Gesicht verleiht. Mit einem siebengeschossigen Hochpunkt richtet sich der als Ensemble wirkende, vielschichtige Bau zum Hafen und entfaltet so seine identitätsprägende Wirkung für das Unternehmen FIEGE. Zum östlichen Nachbargrundstück wendet sich der Neubau respektvoll mit einem niedrigen, auf drei Geschosse beschränkten Baukörper und schafft Raum für eine großflächige Dachterrasse im Zentrum der Bebauung, die mit Blick auf den Hafen sowohl von der Morgen- als auch von der Abendsonne profitiert. Ein fünfgeschossiger Bauteil orientiert sich längs an der Straße und schafft eine eigene Adresse für den Zweitnutzer. Die versetzte Positionierung der Volumen sorgt für eine deutliche Präsenz beider Nutzer an der Straße. Die Höhenstaffelung stellt dabei das Unternehmen Fiege als Hauptnutzer klar in den Fokus. Mit seinen zwei in unterschiedliche Richtungen weisenden Haupteingängen bekommt das Unternehmen FIEGE gleich zwei neue Adressen, eine zur attraktiven und lebendigen Promenade am Kreativkai und eine zur Straße hin, von wo der hauptsächliche Zugangsverkehr zu erwarten ist.
Mit seinen Freiflächen und unterschiedlichen Eingängen wendet sich das vielschichtige Gebäude in alle Himmelsrichtungen und ist so ein Haus ohne Rückseiten. Die Gliederung in drei Baukörper fügt den Neubau in den Stadtraum ein und öffnet den Grundriss zu den umliegenden Grundstücken. Die bewusste Positionierung der einzelnen Bauteile eröffnet in der sich entwickelnden Stadtlandschaft am Hafen verschiedene Räume mit hohen Aufenthaltsqualitäten und unterschiedlichen Atmosphären. Durch den Rücksprung in der Kubatur entsteht ein Platz an der Promenade, der das Hafenmonument der „Schildkröte“ rahmt und dabei in Szene setzt. Den hier positionierten außenliegenden Caféflächen bietet das Monument gleichzeitig einen gewissen Schutz. Zentral zwischen den Baukörpern entspannt sich ein zum Stadtraum offener Hof, der als repräsentatives Entrée Mitarbeiter und Besucher des Unternehmens FIEGE gebührend in Empfang nimmt. Durch die Querstellung des Baukörpers zur Straße Am Mittelhafen ergibt sich auch für den Zweitnutzer ein aufgeweiteter Raum als Eingangs-Vorplatz, der durch seine Lage auf dem Plateau die nötige Prägnanz bekommt.

Architektur
Nicht nur städtebaulich, auch architektonisch zollt der Entwurf der Industriehistorie Respekt und transformiert Merkmale traditioneller Hafenarchitektur in eine zeitgemäße wie zeitlose Architektursprache. Mit der gestalterischen Kombination aus Tradition und Moderne entsteht eine Architektur, die die Philosophie des Familienunternehmens FIEGE manifest werden lässt und die Effizienz und Dauerhaftigkeit im Inneren nach außen spiegelt. Mit dem rötlich gebrannten Wasserstrichziegel knüpft der Neubau im Material klar an die Vergangenheit des Hafens an. Die „Stapelung“ der Geschosse, die durch die horizontale Bänderung der Fassaden betont wird, ist eine Referenz an die alten Speicher und Lagergebäude des Viertels. In Kombination mit den großflächigen dreigeteilten Fenstern im Chicago Style (ein festverglaster Mittelteil und zwei seitliche, manuelle Öffnungsflügel) und den in Sichtbetonoptik gestalteten Innenräumen entsteht ein zeitgemäßes und zukunftsfähiges Bürogebäude. Die Überhöhung des Attikageschosses betont die entwickelte Kubatur und integriert dabei sowohl Technikaufbauten, Aufzugsüberfahrten als auch die auf dem Dach geplanten Photovoltaikanlagen.

Nutzung / Innenraum
Der entwickelte Grundriss zeichnet sich durch hohe Effizienz aus. Innenliegende Kerne übernehmen alle dienenden Funktionen und halten die attraktiven, natürlich belichteten Außenbereiche frei für die Büronutzung. Die sich so ergebenden Flächen lassen sich flexibel unterteilen. Es entstehen Büroflächen, die genauso zeitlos und dauerhaft sind, wie die Architektur selbst, da sie auf künftige Nutzungsänderungen problemlos reagieren können. Die Geschossflächen bieten sich für offene Großraumstrukturen gleichermaßen an wie für Zellenbüros. Die Offenheit der Räume ermöglicht die durchgehende Nutzung der Flächen bis in die innenliegenden Ecksituationen des Grundrisses, ohne auf den Komfort von natürlicher Belichtung verzichten zu müssen. Ohne Probleme realisierbar ist auch die Zuschaltung des Zweitnutzer-Bauteils und somit die Zusammenlegung der Flächen aller drei Bauteile für den Fall, dass in Zukunft das gesamte Haus von einem Nutzer übernommen werden soll.
Raum für „Neues Arbeiten“, für informelle Besprechungen bietet das Erdgeschoss mit seinem Open-Space-Charakter und der direkten Verbindung zum Café. Der Konferenzbereich verortet sich im 3. OG und öffnet mit seinem großen, zweigeschossig angelegten Saal den Blick aufs Wasser. Die anschließende Dachterrasse wird zur idealen Ergänzung, nicht nur als attraktiver Pausenraum, sondern auch als Empfang bei Veranstaltungen. Gleichzeitig steht die Dachterrasse auch dem Zweitnutzer zur Verfügung – auch eine Trennung der Terrassenfläche wäre hier denkbar. Über die Terrasse hat der Partner ebenfalls direkten Zugang zum gemeinsam genutzten Konferenzbereich.
Beide Haupteingänge des Erstnutzers erschließen ein gemeinsames zweigeschossiges Foyer, das zwischen den zwei Eingangsebenen vermittelt, die sich aus dem erhöhten Sockel ergeben. Das an der Promenade gelegene Café auf Niveau 0 wird über eine versetzt positionierte Schwelle mit dem Foyer auf Niveau +1 verbunden. Für den barrierefreien Übergang zwischen den Niveaus sorgt der zentral im Foyer positionierte Fahrstuhlkern. Straßenseitig schafft eine Rampe Barrierefreiheit.

Mitarbeiter: Dennis Assaf, Miguel De Castro, Mathias Wolf, Rebecca Alsfasser, Jochen Soydan

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser beantworten die Aufgabenstellung aus der städtebaulichen Situation und der inneren Programmatik mit mehreren Nutzern durch eine Komposition aus drei kubischen Volumen, die in ihrem „Footprint“ identisch erscheinen, dabei aber in Ihrer Höhe variieren.
Die Maßstäblichkeit der Volumen überzeugt im Kontext der umgebenden Hafenbebauung.
Auch wenn einer der Baukörper die vorgegebene Traufhöhe des B-Plans überschreitet, so wirkt dies dennoch angemessen.
Die Figur erzeugt Außenräume, die sich mit dem umgebenden Stadtraum verzahnen. Dabei wird die Schildkröte gut proportioniert in die Komposition integriert. Die großzügige
Dachterrasse reagiert scheinbar beiläufig, aber sehr passend auf die Terrasse des benachbarten Ruderklubs.
Gleichzeitig bietet das Haus mehrere Orte an, von dem es erschlossen werden kann. Dabei wird die Eingangshalle am Wasser durch ihre Zweigeschossigkeit nachvollziehbar als Hauptzugang ausgebildet. In ähnlicher Weise ist im 3. und 4. OG ein zweigeschossiger
Vortragsraum mit Blick auf den Hafen in die Gebäudestruktur eingesetzt. Diese doppelgeschossigen Räume bieten Potential für eine Variation in den Fassaden, was jedoch nicht gewertet wurde.
Die Klarheit und Durchgängigkeit der Fassade verbindet die drei Volumen zu einem Haus und wird an diesem Ort als beruhigend und zeitlos wahrgenommen. Trotz der entwerferischen Strenge wirkt das Gebäude äußerst sympathisch, weniger Strenge würde dem Entwurf gut tun. Dabei spielt das ausgewogene Verhältnis von offenen und geschlossenen Flächen eine große Rolle.
Klinker als Fassadenmaterial bindet das Haus selbstverständlich in den Kontext des Hafens ein.
Die Überhöhung der Abschlussgeschosse betont die vertikale Entwicklung der Volumen untereinander und bietet Raum für besondere Nutzungen.
Die direkte Verbindung der Räume in den beiden Hochpunkten ist nicht gegeben.
Die Flexibilität der inneren Struktur wird von den Verfassern nicht explizit thematisiert, ist jedoch nach Auffassung der Jury in hohem Masse gegeben. Ob in diesem Zusammenhang die Menge der Kerne reduziert werden kann, müsste im Weiteren untersucht werden.
Insgesamt überzeugt die Arbeit durch Ihre klare und gleichzeitig gelassene Haltung sowie ihrer guten Proportionierung.