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Mehrfachbeauftragung in Anlehnung an die RPW | 12/2019

Neubau einer Fußgänger- und Radfahrerbrücke in Reutlingen

Blick vom Okar-Kalbfell-Platz in Richtung Tübinger Tor

Blick vom Okar-Kalbfell-Platz in Richtung Tübinger Tor

Teilnahme

Gottlieb Paludan Architects

Architektur

WTM Engineers

Bauingenieurwesen

Erläuterungstext

Gestaltungsidee / Leitbild

Vom massiven Sockel des Nordsternhauses hebt die Brücke Richtung Süden ab zu einem linearen Flug über die belebte Konrad-Adenauer-Straße. Auf dem Oskar-Kalbfell-Platz teilt sich die Brücke und in einer 2-fach Helix, bestehend aus zwei gegenläufig gewundenen Bändern, jedes in seinem eigenen Wirbel mit eigener Richtung, eines als Rampe und eines als Treppe, eine längere und eine kürzere
Route, unterschiedlich steil und unterschiedliche Nutzer ansprechend, gleitet man hinab auf den Platz.

Entsprechend dem gemeinsamen Ausgangspunkt, treffen die beiden Bänder am Platz wieder aufeinander und die Nutzer stehen sich gegenüber. Die beiden Bänder bieten ihren Nutzern dabei ein unterschiedliches Erlebnis, wobei sich eines auf der
Innenseite einer zylindrischen Struktur und das andere auf der Außenseite befindet. Die Benutzer bestreiten den gleichen Weg und behalten einander auf ihren verschiedenen Umlaufbahnen im Auge, immer in der Lage, über die Zylinderstruktur und über den Innenraum zu kommunizieren.

Die Helix ist ein Tanz im Raum, ein reizvoller Rausch über den Platz mit ständig wechselndem Blick auf den umliegenden Stadtraum. Es vereinigt eine praktische, bodenständige Alltagslösung mit der Poesie von Form, Fluss und Bewegung.

Komposition des Bauwerks

Der Zylinder ist eine Anordnung von schlanken Säulen, die den Innenraum definieren. Er schafft einen eigenen Raum, um sich herum und in ihm. Wie die
Nabe eines Rades ist der Mittelraum des Zylinders leer und es gibt keinen Zugang zum Zentrum. Die Rampe und die Treppe, an den Säulen befestigt, sind wie Springfedern, die aus einem kreisförmigen Wasserspiegel empor gezogen werden. Das Bild der Springfedern und die Höhe der Zylindersäulen scheinen durch die Reflexion der Unterseiten von Rampe und Treppe visuell verdoppelt.

Aus praktischer Sicht schränkt das Wasser die Bewegung von Nutzern ein, indem es sie davon abhält, den Innenraum des Zylinders zu betreten und sie daran hindert, unter die Bänder zu gehen, wo die lichte Höhe nicht gewährleistet ist. Nachts reflektiert die Wasseroberfläche das Licht und unterstreicht die Bedeutung des unzugänglichen Zentrums im Zylinder, was den Charme des Designs unterstreicht.

Die Helix bezieht sich auf die Sichtlinien und Strukturen des Stadtraumes, ohne die eine gegenüber den anderen hervorzuheben und die gegebene Hierarchie zu ändern. Sie hält die wichtigen Blickbeziehungen frei, ist aber immer Teil des Gesamtbildes.

In einer 2-fach Helix, bestehend aus zwei gegenläufig gewundenen Bändern, jedes in seinem eigenen Wirbel mit eigener Richtung, eines als Rampe und eines als Treppe, eine längere und eine kürzere Route, unterschiedlich steil und unterschiedliche Nutzer ansprechend, gleitet man hinab auf den Platz.

Platzgestaltung

Entscheidend für die Platzgestaltung sind die gegeben Verhältnisse und wie diese in Verbindung mit dem neuen Bauwerk eingearbeitet werden. Es ist die Absicht auf die vorhandenen Qualitäten weiter aufzubauen.

Die Kontrastreiche der umliegenden Gebäude offenbart sich auch in den Anfangs- und Endpunkten des neuen Bauwerks. Während der Vorplatz Nordsternhaus von einem dunklen, schweren Sockel, voluminöser Begrünung, Nischen und in einem kleinen städtebaulichen Maßstab gekennzeichnet wird, zeigt sich der Oskar-Kalbfell-Platz als heller, offener Platz, mit geordneter Begrünung und großen Proportionen.

Am Nordsternhaus-Platz wird ein barrierefreier Zugang über eigenständige Rampen in die vorhandene Gestaltung aus roten Klinkern, Bepflanzung und Aufenthaltsmöglichkeiten integriert. Es ist beabsichtigt die Bäume weitgehend zu erhalten, sowie die vorhandenen Brückenfundamente wiederzuverwenden um die Qualitäten und Werte des Standortes zu erhalten und zu verbessern. Das leitende Bild ist der in Materialität und Erscheinung schwere Sockel, von dem sich das neue, leichte und schwebende Brückenbauwerk löst. Die bestehende Stützwand zur Alteburgstraße wird dabei grundinstandgesetzt und aufgrund der neuen Gegebenheiten teilweise angepasst.

Am Oskar-Kalbfell-Platz ist der Ausgangspunkt die zukünftige Platzgeometrie, wobei beide Straßenbahntrassen berücksichtigt werden. Die Helix-Struktur ist dem vorhandenen Raster untergeordnet platziert, indem das Zentrum der Helix in östlicher Verlängerung einer Baumreihe liegt. Die zukünftige Pflasterung erstreckt sich bis zum Rand des runden Wasserspiegels unterhalb der Helix. Der Zugang zum Fuße der Rampe und Treppe erfolgt über eine leichte, barrierefreie Ansteigung des Pflasters, welche von den Nutzern unbewusst wahrgenommen wird. Die Wasseroberfläche bezieht sich auf den darunter liegenden Fluss und verstärkt somit die Verbindung des neuen Bauwerkes zum Platz.

Integration des Bauwerks in den Städtebaulichen Kontext

Charakteristisch für den Standort der zukünftigen Fahrrad- und Fußgängerbrücke in Reutlingen ist eine Reihe wichtiger Sichtlinien, die der Stadtraum aufweist. Hinzu kommen Gebäude und Strukturen unterschiedlicher Baustile und Epochen, sowohl
dominanten Charakters als auch sich dem Städtebild unterordnend sowie zahlreiche Verkehrsrichtungen. Das Hinzufügen eines neuen, zentral gelegenen
Bauwerks gestaltet sich vor diesem kontextuellen Hintergrund als interessante und anspruchsvolle Aufgabe.

Sichtlinien

Die wichtigen Sichtlinien, welche den Oskar-Kalbfell-Platz kreuzen, liegen zwischen der Stadthalle und dem Tübinger Tor sowie von der Alteburgstraße auf das Tübinger Tor. Der Blick auf das Tor ist auch bei der Ankunft von Westen über die Konrad-Ade-
nauer-Straße eine Qualität. In Gegenrichtung zur Konrad-Adenauer-Straße, Richtung Tübingen und Stuttgart, spielt der Blick auf die Hauptfassade der Stadthalle mit ihrer imposanten Silhouette eine wichtige Rolle. Die Helix bezieht sich auf die Sicht-
linien und Strukturen des Stadtraumes, ohne die eine gegenüber den anderen hervorzuheben und die gegebene Hierarchie zu ändern. Sie hält die wichtigen Blickbeziehungen frei, ist aber immer Teil des Gesamtbildes. Gleichermaßen lässt sie den Oskar-Kalbfell-Platz weitgehend unberührt, ist aber dennoch, am Rande der Konrad-Adenauer-Straße gelegen, eindeutig Teil der urbanen Dynamik.

Städtebauliche Einbindung

Die Helix beabsichtigt den Anforderungen des Kontextes gerecht zu werden, indem sie als eigenständige, klar ablesbare geometrische Figur die geometrischen Grundfiguren der angrenzenden Gebäude reflektiert, ohne sie zu wiederholen. Sie
beabsichtigt, durch ihre Technik zu überzeugen und gleichzeitig organischen Charme zu besitzen

Die Helix schafft eine eigene Lichtwirkung, indem der Zylinder und die beiden Bänder zum Leben erwachen. Der Zylinder wiederholt eines der nächtlichen Merkmale der Stadthalle, indem er sich als offener und einladender Lichtraum entfaltet, der nachts eine sichere und attraktive Zuflucht darstellt.

Erschließung

Die Helix gewährleistet eine sichere Verbindung der öffentlichen Räume nördlich und südlich der Konrad-Adenauer-Straße. Für Radfahrer verbindet sie Radweg mit Radweg, während Fußgänger sich sicher zwischen beiden Plätzen bewegen können.Angrenzend an den Innenhof des Nordsternhauses, beginnt die Brücke mit einer Rampe, welche primär auf Radfahrer und Fußgänger von Süden her kom-
mend ausgerichtet ist. Die vorhandene Bewegungsrichtung wird aufgenommen und weitergeführt.

Auf dem Sockel, zwischen Nordsternhaus und Rampe, erfolgt ein weiterer Zugang zur Brücke über eine Treppe, welche auf Fußgänger von Westen her kommend ausgerichtet ist. An gleicher Stelle ist ein barrierefreier Zugang über eine in der Landschaft integrierten Rampe eingearbeitet. Sowohl Treppe als auch die barrierefreie Rampe schließen am Übergang von Rampe zu Brücke an.

Über die Brücke gelangen alle Nutzer gleichermaßen zur Helix auf dem Oskar-Kalbfell-Platz, von wo aus Fußgänger sowohl die Möglichkeit haben, die Treppe im Zylinder als auch die Rampe außerhalb des Zylinders zu nutzen. Auf Barrierefreiheit angewiesene Nutzer und Radfahrer bewegen sich über die Rampe weiter.

Am Fuße von Treppe und Rampe kommen die jeweiligen Nutzer versetzt aufeinander zu. Dies ermöglicht eine Abwägung der Situation bevor man sich
weiter auf den Platz begibt. Die Helix öffnet sich auf dem Oskar-Kalbfell-Platz nach Norden und nimmt so die Richtung der Bewegung über die Brücke wieder auf (Nord/Süd), was die allgemeine Orientierung unterstützt.

Die nach Norden gewandte Öffnung der Helix ermöglicht den Nutzern eine optimale Anbindung an den über den Oskar-Kalbfell-Platz verlaufenden Fahrradweg sowie die Stadthalle, den ZOB und das Tübinger Tor.
Blick vom Tübinger Tor in Richtung Stadthalle

Blick vom Tübinger Tor in Richtung Stadthalle