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Einladungswettbewerb | 09/2020

Entwicklung des Areals am alten Finanzamt in Oldenburg

2. Preis

Preisgeld: 31.000 EUR

Kaspar Kraemer Architekten GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Städtebau

Der Entwurf ordnet die einzelnen Nutzungen gemäß den städtebaulichen Vorgaben einfach und klar in drei Gebäuderiegel, die auf dem „Sockel-Tisch“ des Verbrauchermarktes im Erdgeschoß aufsetzen und einen nach Süden offenen Binnenhof u-förmig umfassen. Die 4-geschossige Bebauung mit umlaufenden Arkadensockel bestimmt die maßstäblich zurückhaltende Attikakante. Zurückspringende Staffelgeschosse orientieren sich an dieser Attika und schaffen die geforderten zusätzlichen Flächen. Mit dieser Grundhaltung gelingt es, das umfangreiche Bauvolumen in den städtebaulichen Kontext integrieren und das gesamte Areal als ruhigen Stadtbaustein verträglich zu setzen.

Die südliche Blockkante definiert die Verbindung zwischen der Heiligengeiststraße und den westlich angrenzenden begrünten Binnen- und Parkflächen, die als Hauptweg die Zugänge von Süden und Osten zum Verbrauchermarkt erschließt. Durch die Öffnungen der Fassade im Erdgeschoß entsteht so eine reizvolle Arkadensituation, die das Gassensystem der Oldenburger Innenstadt, sowie speziell der Heiligengeist-Höfe, fortschreibt. Angestrebt ist, den Blockinnenbereich mit Baumbepflanzungen und einfachen Gestaltungsmitteln zu einem Ort von hoher Aufenthaltsqualität zu entwickeln und somit zum attraktiven urbanen Raum aufzuwerten.


Funktion und Erschließung

Um eine hohe Funktionalität zu gewährleisten, nimmt jeder Gebäuderiegel eine separate Nutzung auf:

• die Büronutzung im Riegel an der Heiligengeiststraße,
• Altenpflege, Tagespflege und das betreute Wohnen im Riegel an der 91er Straße sowie
• das Wohnen nach Westen an der Georgstraße.

Die Riegel sind jeweils mittig erschlossen, sodass sich eine eindeutige Zuordnung der Treppenhäuser und damit eine eindeutige Orientierung und Adressbildung ergeben. Aufgrund der Gebäudeabmessungen können die notwendigen Fluchtlängen eingehalten werden.

An den jeweiligen Schnittflächen der Riegel können die Nutzungen einfach in den einen oder anderen Bereich „hineinwachsen“, sodass eine hohe Flexibilität und auch Wirtschaftlichkeit des Gesamtkomplexes gegeben sind. Aus der Tiefgarage mit 134 Stellplätzen können die einzelnen Bauteile übersichtlich erschlossen werden. Die Besucher des Verbrauchermarktes werden im südlichen Bereich der Tiefgarage über Rollsteige in die Passage der Erdgeschossarkade geführt, die von Süden und Osten an den Kopfseiten die Besucher aus der Heiligengeiststraße sowie von den westlichen Parkplätzen empfängt. Es ergibt sich auch hier eine einfache, aber übersichtliche und selbstverständlich nutzerfreundliche Erschließung der Verkaufsflächen.

Um den Innenhof im 1. Obergeschoss legen sich die öffentlichen Nutzungen der einzelnen Funktionen und öffnen sich großzügig zum Grünbereich, so die Aufenthaltsflächen, wie auch das öffentlich zugängliche Restaurant, bzw. Kantine, die den Gartenbereich als Außengastronomie mitnutzen kann.

Der optionale Kindergarten schließt zweigeschossig den Hof nach Süden, führt aber aufgrund seiner geringen Höhe zu keiner besonderen beeinträchtigenden Verschattung. Im Grünbereich finden sich die benötigten Außenspielflächen für die Kinder.
Der Zugang zum halböffentlichen Innenhof im 1. OG erfolgt über einen Zugangsturm, der an der Wegeverbindung Parkplatz- Heiligengeisthöfe-Heiligengeiststraße liegt. Er ermöglicht die Erschließung des Kindergartens ohne Störung der übrigen Bereiche.
Er ist in Form eines Campaniles ausgebildet und fungiert als Signal und Zeichen im öffentlichen Raum. Er markiert den Zugang des halb-öffentlichen Innenhofes auf dem Dach des Verbrauchermarktes und die Verbindung zwischen den Grünflächen im EG und 1. OG. Zusätzlich ist der Innenhof aus allen Nutzungsbereichen über die Treppenhäuser erreichbar. So kann der Innenbereich als grüne Oase für sowohl die Benutzer des Gebäudes wie auch die Öffentlichkeit fungieren.

Zusätzlich zum grünen Innenhof im 1. OG stehen den Nutzern der Pflegeeinrichtung und des betreuten Wohnens die Dachgärten im 4. OG als privatere Erholungsbereiche zur Verfügung, sie sind über die Kerne in den Innenecken angebunden.

Eine zweigeschossige Fahrradstation übernimmt als Anbau an das Haus Nr. 25 eine Gelenkfunktion. Es markiert den Zugang zum Parkplatz sowie den innenliegenden Grünflächen und bildet eine städtebauliche Fuge zum Hauptgebäude. Hier befindet sich die Fahrradrampe zu den 100 Fahrradstellplätzen im Untergeschoss. Weitere 100 Fahrradstellplätze sind in den Außenanlagen verortet.


Konstruktion

Die ablesbare Fassadengliederung in Sockel, Mittenzone und Architrav/ Staffelgeschoss folgt klassischen Entwurfsprinzipien und schafft Bezüge zu den klassisch gegliederten Gebäuden in der Nachbarschaft wie dem Haus Heiligengeiststraße 26. Tieferliegende Fensterfaschen gliedern die Fassade plastisch und verlebendigen sie. Außen angeordnete Lamellen-Jalousien in den Obergeschossen übernehmen den sommerlichen Wärmeschutz.

Zur Rückhaltung der Regenwässer und zur Verbesserung des Stadtklimas sind alle Dachflächen intensiv begrünt.

Die Grundkonstruktion ist massiv mit tragenden Wänden aus Stahlbeton/ Kalksandstein, die Decken in Stahlbeton geplant. Das EG erhält ein mineralisches Wärmedämmverbundsystem mit Klinker-Riemchen, in den Obergeschossen mineralisches WDVS verputzt.


Wirtschaftlichkeit

Die Planung setzt auf bewährte, langlebige und dadurch nachhaltige Konstruktionen. Die Kubatur ist einfach, weist ein gutes A/V-Verhältnis auf und ist daher energieeffizient. Die Außenhülle wird gut gedämmt sein. Wartungsintensive Konstruktionen werden vermieden. Daher werden die Wartungs- und Investitionskosten wirtschaftlich sein.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der eingebrachte Wettbewerbsbeitrag bietet hinsichtlich seiner städtebaulich-freiraumplanerischen Qualität fol¬gende Aspekte: Das städtebauliche Volumen betont ein notwendiges Entrée in diesem Teil der Innenstadt, ohne die vorhandene Struktur zu überprägen. Die gut gewählten Proportionen des Gebäudes erscheinen angemessen und der wertig ausgebildete Sockel strukturiert die Fassaden im Erscheinungsbild aus Fußgängerperspektive. Die hochformatigen Fensterformate führen die Erdgeschosslage der Umgebung bis zum Ende des Straßenzuges fort. Die angebotene Fassadenstruktur der aufgehenden Ebenen wirkt dabei jedoch zu austauschbar und zurückhaltend und wird da¬durch der gewünschten Adressbildung nicht gerecht. Das bewusste Aufgreifen der bekannten Referenzen aus der Heiligengeiststraße für die Materialität des Neubaus bewirkt, dass der Baukörper sich einfügt und nicht als Fremdkörper wahrgenommen wird. Bezogen auf die Gestaltqualität und funktionale Qualität zeigt der Baukörper eine geordnete, sachliche und ruhige Architektursprache. Die Aussagen zur Gestaltung und zur Aufenthaltsqualität des - teils verschattet liegenden - In¬nenhofes und der nutzbaren Dachflächen auf dem westlichen und östlichen Gebäudeteil erscheinen sehr formal und wenig aussagekräftig. Es wird eine direkte fußläufige Anbindung bzw. Erreichbarkeit des Innenhofes vermisst, so dass eine intuitive An¬ziehung für Menschen von außerhalb des neu geschaffenen Quartiers nicht gegeben ist. Es erfolgt keine Lenkung von Besuchern in den neuen halböffentlichen Raum. Funktional wird die angebotene KiTa, deren Flächen über zwei Etagen verteilt liegen, als Nachteil bewertet. Mit fast 30 % fehlender Wohnfläche verpasst der Entwurf zudem eine grundlegende Forderung. Hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und Realisierbarkeit im Bau und Betrieb erfüllt das Gebäude die wesentlichen bauordnungsrechtlichen Belange wie insbesondere den Brandschutz. Allerdings ist eine wesentliche Überschrei¬tung der zulässigen Abstandsflächen gegenüber der 91er Straße festzustellen. Aufgrund des einfach strukturierten Baukörpers wird eine vergleichsweise hohe Wirtschaftlichkeit erwartet.