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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2020

Neubau der Fußgänger- und Radfahrerbrücke Entenwerder in Hamburg

Sicht auf HafenCity

Sicht auf HafenCity

Anerkennung

WTM Engineers

Bauingenieurwesen

Dietmar Feichtinger Architectes

Architektur

Heinze Stockfisch Grabis + Partner GmbH

Sachverständigenwesen

Erläuterungstext

Originalität und städtebauliche Qualität
Die Brücke ist mehr als eine Verbindung der Ufer, sie ist ein Ort über dem Wasser, der die Flusslandschaft inszeniert. Die privilegierte Lage der neuen Brücke ermöglicht eine weite Aussicht auf den offenen Flussbereich der Norderelbe im Süden und stellt gleichzeitig den Bezug zur urbanen Umgebung im Norden her. Vom Fluss aus wird die Brücke Teil der Stadtsilhouette. Sie drängt sich im Blick mit dem künftigen Elbtower nicht durch Brückenaufbauten auf. Sie fügt sich in die vom Elbpark Entenwerder bestimmte Naturlandschaft ein. Die architektonische Betonung der Brücke mittels Beleuchtung ist sehr zurückhaltend: integrierte Spots beleuchten die Struktur dezent und heben den Rhythmus der Tragelemente hervor. LED Leisten an der äußeren Unterkante der Sitzstufen betonen die Horizontalität.

Qualität des gestalterischen Konzepts
Die Brücke überspannt den Oberhafenkanal in einem Zug, ohne Stützen im Wasser. Die Torsituation zur Stadt bleibt großzügig und offen. Die wertvolle Verbindung der Hafencity mit dem Park erlaubt neue Perspektiven. Die beiden Bereiche sind über eine Treppenanlage miteinander verbunden. 30 cm hohe Sitzstufen laden zum Verweilen ein. Sie werden an den seitlichen Kreuzungspunkten mit Treppenstufen ergänzt. Der breite Holzhandlauf in der Brückenmitte signalisiert die Funktion als Belvedere. Der Ausblick vom oberen Fußgängerbereich ist frei und ungestört von dem tiefer liegenden Geländer. Steher aus doppelten Flachstählen, die sich nach oben verjüngen, tragen den Handlauf. Horizontale Montageseile fassen die Edelstahl-Netz-Geländerfüllung.

Anbindung und Übergänge
Die Brücke schließt an die vorhandenen Wege an. Sie stellt die kontinuierliche Verbindung des Radweges und des Fußweges her. An der Ostseite wird das natürliche Gelände über Rampen mit einer Neigung von 3 % beidseitig mit dem Ankunftsniveau über dem Widerlager verbunden. Der Uferweg unter der Brücke bleibt erhalten. Das Gelände zwischen dem unteren Niveau des Ufers, des Uferwegs und den beiden Rampen wird neu geformt. Es stuft sich in Abschnitten ab und ist begrünt. Die direkte Verbindung zwischen dem Uferweg und dem oberen Niveau des Ankunftspodestes wird über eine nördliche Treppe ähnlich dem Bestand hergestellt. Am Westufer bestimmt das überführte Siel die Lage des Widerlagers. Die Wegeverbindung nach Süden begleitet den Straßenzug, Richtung Norden wird die Straße direkt angebunden.

Tragwerk
Die vollkommen integrale Brücke ist mit luftdicht verschweißten Stahlkastenquerschnitten ausgestattet, an der seitlich auskragend zwei orthotrope Stahlplatten einen Teil des Gehwegs und den Radweg tragen. Mit Hilfe der massiven Widerlager aus Stahlbeton und deren Einbettung in die tragfähigen unteren Bodenschichten entsteht ein Rahmentragwerk, welches den Horizontalschub, (kleiner als der passive Erdwiderstand) sicher in den Boden abtragen kann, und über die steifen Rahmenecken ein schlankes Bauwerk in Feldmitte ermöglicht. Die Herstellung der Gründung erfolgt in einem Spundwandkasten im untersten Abschnitt als bewehrte Unterwasserbetonsohle mit erhöhter Betondeckung. Die maximale Bewegung von 40 mm an der Oberfläche infolge Temperatur und Verkehr wird mittels Schleppplatte aufgefangen.

Nachhaltigkeit
Der Umwelteinfluß ist durch geringen Flächenverbrauch bei Eingriffsvermeidung ins Wasser minimiert. Materialien sind sparsam verwendet, das Bauverfahren ist einfach und ökonomisch. Der Ressourcenbedarf ist minimiert. Die funktionale Qualität ist mit den verwendeten Steigungen gegeben. Der Belag ist in bewährter Form rutschfest und leicht zu reinigen. Die technische Qualität zeigt sich durch die Minimierung der Oberflächen mittels luftdicht verschweißter Kästen und nach unten vollkommen offene Profile. Damit ist die spätere Reinigung des Bauwerks, wenn nötig, sehr einfach. Der Wegfall der Lager senkt Unterhalts-, Inspektions- und Wartungskosten. Nistplätze für Vögel entfallen (Neigung > 25°). Durch Kolk-Schutz und luftdicht verschweißte Kästen ist die Lebensdauer > 100 Jahre.

Natur- und Artenschutz
Die Brücke erfüllt die Anforderungen des Natur- und Artenschutzes maximal. Der Überbau ohne abgesetzte obenliegenden Strukturteile stellt keine Behinderung der Vögel dar, die darüber hinweg fliegen können. Alle nicht begehbaren oben liegenden Flächen sind mit 25° geneigt, so dass ein Einnisten von Vögeln verhindert wird. Im Wasser findet keine Störung statt, da keine Pfeiler angeordnet sind. Die benötigten Flächen für die Widerlager sind minimiert und die Arbeiten finden im Schutze eines Spundwandkastens statt. Die Umliegende Vegetation kann größtenteils erhalten bleiben, eine Beschattung der Uferbereiche findet nur in geringem Maße statt. Die insektenfreundliche LED-Beleuchtung ohne UV-Anteil wird sparsam eingesetzt, die Fauna im Bereich des Wassers und des Festlandes bleibt ungestört.

Barrierefreiheit
Die Wege über die Brücke führen auf zwei unterschiedlichen Höhen. Radweg und Fußweg sind farblich und über ein Rohr aus Edelstahl in Bodennähe klar getrennt. Der geteilte Fußweg im Mittelteil bietet eine flache Verbindung im Süden mit einer durchgängigen maximalen Steigung von 3 %. Damit sind keine horizontalen Podeste erforderlich und die Steigung wird kaum wahrgenommen. Die Nähe zum Wasser und die erleichterte Nutzung durch ältere Personen und Rollstuhlbenutzer geben diesem Abschnitt seine besondere Qualität. Die Brücke ist durchgängig auf einer Breite von 2,0 m gemäß DIN-Normen und PLAST 10 barrierefrei. Die maximale Steigung für die Radfahrer ist gemäß den Vorschriften und ERA 2010 eingehalten.

Wirtschaftlichkeit
Die Herstellkosten der Neubaumaßnahme liegen mit 2,7 Mio. Euro bei 3700 €/m². Wesentlich zur Gesamtwirtschaftlichkeit tragen die geringen Kosten des Unterhalts bei. Es sind keine Lager vorgesehen, die innerhalb der Lebensdauer der Brücke mindestens einmal ausgetauscht werden müssten. Die Übergangskonstruktionen sind unvermeidbar und sind leicht zugänglich. Für den Korrosionsschutz ist der Aufbau nach Blatt 100 geplant, für den eine Haltbarkeit von 50 Jahren prognostiziert ist. Durch die Wahl der Integralen Bauweise ist auch der Aufwand für Inspektionen minimiert. Der Stahlkasten wird als luftdicht verschweißter Kasten vorgesehen. Alle weiteren Stahlbauteile sind unten offen gestaltet um Ablagerungen zu vermeiden. Die Unterhaltkosten sind mit den genannten Maßnahmen minimiert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Wie komme ich in Rothenburgsort möglichst schnell übers Wasser? Die Frage beantwortet der Entwurf auf dem kürzesten Weg und das wortwörtlich. Eine elegante und filigrane Brücke überspannt stützenfrei den Kanal und versucht dabei, an den beiden ökologisch sensiblen Uferböschungen den Eingriff zu minimieren.

Dem Wusch der Ausloberin, die Brücke auch zu einem Aufenthaltsort zu machen, wird mit dem Vorschlag entsprochen. Durch einen Höhenversprung zwischen Radverkehr und Fußgängerverkehr können Sitzstufen angeordnet werden; diese geben dem Brückenbauwerk einen markanten Charakter. Radfahrer und Fußgänger werden auf der gesamten Länge der Brücke voneinander getrennt und haben unterschiedliche Steigungen zu bewältigen. Inwieweit das ein reibungsloses Nebeneinander im Alltag ermöglicht und jeder Verkehrsteilnehmer wirklich nur „seine Bahn“ benutzt, wird kontrovers diskutiert. Der „steilere Weg“ für den Radverkehr mag auch als Umweg betrachtet werden. Und wie komfortabel es wirklich ist, auf den Sitzstufen den Radfahrer unmittelbar im Rücken zu haben, kann der Entwurf nicht klären.

Dem Radverkehr wird eine durchgehende Breite vom 3 Metern zur Verfügung. Der Fußweg variiert zwischen 3,5 und 2 Metern im Bereich der Stufen in der Brückenmitte.

Die Geländer variieren ebenfalls und nehmen sinnvollerweise die Beleuchtung in den Handläufen auf. Die Geländer sind transparent und unterstützen den insgesamt vornehm zurückhaltenden Entwurf.

Der fügt sich im Ergebnis gut in den Landschaftsraum ein. Er versucht nicht, den Elbbrücken Paroli zu bieten und ist doch ein sehr eigenständiger Beitrag für die gestellte Aufgabe.

Die wünschenswerte und versprochene Feinheit ist in konstruktiver Hinsicht noch nicht in Gänze belegt. Die Jury ist der Auffassung, dass die geringe Konstruktionshöhe als zu optimistisch eingeschätzt wird.
Luftbild

Luftbild

Sicht auf Norderelbe

Sicht auf Norderelbe

Querschnitte A-A, B-B, C-C

Querschnitte A-A, B-B, C-C