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Einladungswettbewerb | 09/2020

Bonifatiushaus in Karlsruhe

1. Preis

Preisgeld: 25.000 EUR

architekturbüro ruser + partner mbb

Architektur

Erläuterungstext

Idee | Konzept
Der Baukörper des neuen Gemeindehauses steht zwischen der mächtigen, neuromanischen St. Bonifatiuskirche und dem offenen Ende einer gründerzeitlichen Blockrandbebauung mit reichem Fassadenschmuck. Als massiver, steinerner Baukörper entwickelt das Bonifatiushaus eine plastische Eigenständigkeit und setzt in der Strenge der Fassadengestaltung einen eigenen, zeitgemäßen Akzent. Dennoch zeigt es in seiner Gestaltung und durch seine innere Ausrichtung die Zugehörigkeit zur Kirche.
Durch die Stellung der St. Bonifatiuskirche zurückspringend von der Straßenflucht der Schillerstraße ist der Neubau von Norden aus der Stadtmitte kommend schon früh erkennbar. Besonders prägend für den Ort ist die historische massive Balustradenmauer, die das etwas erhöht stehende Kirchenhaus umfängt und entlang der Straße zum Neubau hinführt. Der Zugang zum neuen Bonifatiushaus erfolgt ganz bewusst nicht von der Straße, sondern von der Kirchenseite her, um den Bezug zur Kirche zu betonen. Durch die zurückgesetzte Eingangsfassade im Erdgeschoss entsteht zwischen der Balustrade, der Kirche und dem Neubau ein großzügiger Vorplatz als Begegnungsfläche für das Gemeindezentrum und die Kindertagesstätte. Von hier aus ist über die bestehenden Stufen der öffentliche Zugang zum erhöhten Plateau um die Kirche möglich, so dass diese Fläche für Gemeindetreffs, Feste o.ä. vom Bonifatiushaus her zusätzlich aktiviert werden kann. Über den gemeinsamen, geschützten Eingangsbereich unter den Arkaden entlang des Vorplatzes werden Kita und Gemeindezentrum jeweils über separate Türen erschlossen, um die Orientierung und den Betrieb zu erleichtern. Im Inneren des Gebäudes gibt es in jedem Geschoss eine Übergangsmöglichkeit zwischen den beiden Nutzungseinheiten, um die Begegnung aber auch Synergien in der Nutzung zu ermöglichen (z.B. Mitbenutzung des Aufzugs durch die Kita, etc.).

Erschließung | Funktionen
Das Gemeindezentrum beginnt im Erdgeschoss mit einem großzügigen Foyer, das von der Schillerstraße her als „Schaufenster“ der Gemeinde transparent ist. Von dort führen eine zweiläufige Treppe und der Aufzug direkt hinauf ins 2. Obergeschoss, wo sich der Gemeindebereich befindet. Die Erschließung über die Treppe ist so ausgerichtet, dass sich der Blick immer wieder Richtung Kirche wendet und damit die Beziehung dorthin betont wird. Herzstück des Gemeindezentrums ist ein zentraler, im 2. Obergeschoss liegender begrünter Innenhof, der den Besprechungsraum, den „Kleinen Saal“ und den daran koppelbaren Bewegungsraum der Kita räumlich verbindet. Der Innenhof kann als Erweiterung des Besprechungsraums und der Bücherei, als Aktionsfläche, Ort für Meditation und für Veranstaltungen der Gemeinde genutzt werden. Er ermöglicht eine großzügige Belichtung der anliegenden Räume und den ständigen Sichtbezug zum Kirchenhaus. Die sanitären Anlagen, die Küche und die Personal- und Pausenräume werden über den Umgang um den Hof erschlossen. Er schafft für das Gemeindezentrum trotz der Lage im 2. Obergeschoss eine besondere räumliche Qualität und Identifikation. Über die Treppe gelangt der Besucher weiter hinauf ins 3. und 4. Obergeschoss. Hier befinden sich die Räume der Gemeindeverwaltung. Vor den Büros befinden sich großzügige Wartezonen. Von hier aus öffnet sich der Blick über ein großes Fenster und einen Luftraum zurück Richtung Stadt und auf das Kirchenhaus.
Am Eingang der Kindertagesstätte im Erdgeschoss liegt zentral das Leitungszimmer neben dem Krippenbereich, der mit den Gruppen-, Schlaf-, Intensiv- und Sanitärräumen als Cluster kompakt und in sich geschlossen organisiert ist. Nach Süden zu den Gärten der Wohnbebauung hin ausgerichtet liegen geschützt die Essbereiche für die Ü3 Kinder. Sie lassen sich nach außen zur Südterrasse öffnen, bei Bedarf können beide Essräume zusammengeschaltet werden. Die Küche liegt gegenüber des Essbereichs, sie kann für Feste o.ä. auch das Außengelände und den gemeinsamen Vorplatz andienen.
Über eine zweiläufige Treppe, die ebenfalls in Blickrichtung zur Kirche angeordnet ist, gelangt man zu den Gruppenbereichen der Ü3 Kinder im 1. Obergeschoss. Alle Aufenthaltsräume der Kinder haben über eine umlaufende Loggia einen direkten Zugang und damit auch einen direkten Fluchtweg ins Freie, eine Außentreppe führt von der Loggienzone hinunter in das Spielgelände. Im 2. Obergeschoss befindet sich als Sondernutzung der Bewegungsraum der Kita, sowie die Personal- und Pausenräume, für die eine Mitnutzung der Gemeindeküche möglich ist. Der Bewegungsraum (ggfs. zusammen mit dem zugeschalteten, kleinen Saal) wird neben der Gemeindezentrumstreppe durch die verlängerte, außenliegende Treppe direkt ins Freie
entfluchtet.

Freianlagen
Der Eingangshof ist als Begegnungsort mit einem durchgehenden Pflasterbelag und Sitzbänken gestaltet, hier befinden sich auch die 25 Fahrradstellplätze. Die bisher asphaltierte erhöhte Fläche hinter der denkmalgeschützten Balustrade wird entsiegelt und erhält eine wassergebundene Decke, auch eine Begrünung z.B. durch Neupflanzung eines Baums wird vorgeschlagen, um die Fläche als besonderen Ort hervorzuheben.
Die Außenspielfläche der KITA teilt sich in U3- und Ü3-Spielbereich. Die Ü3 Kinder haben ihre Außenspielfläche im Nordwesten des Bauareals. Die Fläche „A“ hinter der Mauer wird zum „Verborgenen Garten“ und kann auch als Themenbereich genutzt werden. Die U3 Kinder haben ihre Außenspielfläche direkt an ihren Krippenräumen an der West- und Südfassade. Die Fläche ist vom „Trubel“ abgewandt und ein ruhiger, geschützter Bereich. Durch die zurückspringende Westfassade entsteht vor den Krippenräumen eine teilüberdachte, geschützte Spielterrasse.

Fassade | Materialität
In der Fassadengestaltung ist die horizontale Schichtung der Nutzungen in den verschiedenen Geschossen ablesbar. Der Bereich der Kindertagesstätte ist durch die umlaufende zweigeschossige Zone mit Arkaden im Erdgeschoss und der Loggia im 1.Obergeschoss gekennzeichnet. Das Gemeindezentrum darüber wird durch streng gereihte, schlanke Fenster belichtet. In den Obergeschossen öffnet sich der Bereich der Gemeindeverwaltung kontrastierend über plastisch hervortretende große Fensterflächen nach außen. Die zweigeschossig ausgebildeten Pfeiler vor den Loggien und Arkaden stehen in Beziehung zur Fassadengliederung am Langhaus der Kirche. Die gereihten Fenster im Gemeindezentrum korrespondieren als Motiv mit dem Element Obergadenfenster der Kirche, der strengen Gliederung der Kirchplatzbalustrade und ergänzen so das Ensemble Kirche / Gemeindehaus.
Der Neubau wird als Massivbau errichtet. Die tragende Konstruktion besteht aus Stahlbeton und Mauerwerk. Helle Vormauerziegel bilden die sichtbare Hülle und fügen sich in die vorhandene Farbigkeit der Kirchenfassade ein. Alle Fensterflächen werden als Holzkonstruktionen ausgeführt. Die flachen Dächer werden extensiv begrünt. Im Inneren werden die Räume verputzt und die Böden mit robustem Industriestäbchenparkett ausgestattet. In den Gruppenbereichen und in den Essräumen fungieren Möbel mit Oberlichtern als Raumteiler, um eine Großzügigkeit und Leichtigkeit der Räume im Inneren zu erreichen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die städtebauliche Setzung und Ausbildung des Baukörpers entspricht weitestgehend den Vorgaben der Bauvoranfrage. Lediglich in der Breite wird etwas mehr Raum beansprucht. Stadträumlich setzt sich der Baukörper nachvollziehbar durch seine Position und Fassade von der umgebenden Wohnbebauung ab. Durch den an der Schillerstraße positionierten Baukörper entsteht im Bezug zum Chor der Kirche St. Bonifatius eine markante Gebäudehöhe. Die Erschließung des Gebäudes wird durch die denkmalgeschützte Balustrade der die Kirchen umwehrenden Mauer eingeleitet und über eine Schichtung als Arkadengang nachvollziehbar baukörperlich formuliert. Geschickt wird hier die barrierefreie Erschließung des Baukörpers über zwei Eingänge für alle Nutzungsbereich erreicht. Die Geste des Entrees heißt die Nutzer willkommen. Die Verteilung der Programmflächen der Kita erfolgt durch im Zusammenhang stehende Einheiten auf den einzelnen Ebenen. Der Bezug zum Außenraum der Krippengruppe im EG sowie der Gruppen im 1.OG wird durch vorgelagerte, überdeckte Erschließungsbereiche ergänzt und schafft neben der Zugänglichkeit der Kindergarten Freifläche zusätzliche Angebote. Ab dem 2.OG wird im Grundriss der gewünschten Vernetzung der Bereiche Raum gegeben. Der 2. bauliche Rettungsweg aus dem Saal müsste in der weiteren Bearbeitung sicherlich noch genauer überprüft werden. Die im 4 & 5 OG zur Schillerstraße orientierte Verwaltung ist funktional ausgearbeitet. Die über zwei Geschosse führende Verglasung der dem Büro zugeordneten Aufenthaltsbereiche lässt im Grundriss andere Räume erwarten. Das Raumprogramm ist vollumfänglich nachgewiesen und wird sogar um zusätzliche Büroflächen ergänzt. Die Fassade ist in ihrer Gliederung sehr fein durchgearbeitet und lässt Bezüge und Anklänge zur Kirche St. Bonifatius zu. Die Fassaden sollten dennoch in der weiteren Bearbeitung nochmals bezüglich ihrer Maßstäblichkeit einzelner Öffnungen überprüft werden. Das Gebäude wird als Massivbau mit einer Klinkerfassade und Holzfenster dem Ort in seiner Wertigkeit gerecht. Insgesamt stellt die Arbeit einen sehr qualitätsvollen Beitrag dar.