modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 10/2020

Umbau und Sanierung des Fruchtkastens in Herrenberg

3. Preis

Preisgeld: 12.000 EUR

DEMIRAG ARCHITEKTEN

Architektur

Erläuterungstext

Korkut Demirag, Dagmar Bürk Kaiser, Hanna Kropp, Meriem Ameziane,
Vanessa Kleinfelder, Johanna Krummradt, Vaishali Meena,
Sarah Geissler

Prof. Dr. Thomas Knubben - Gesamtkonzeption, Inhalte und Ausstellung
Prof. Dr.-Ing. Harald Garrecht - Gebäudetechnik und Energiekonzept
Prof. Peter Andres, Stefanie Anten - Andres Lichtplanung, Hamburg
Reiner Dietz, Elztal-Dallau, Brandschutzsachverständiger

Beurteilung durch das Preisgericht

Am Rande der Herrenberger Altstadt steht der denkmalgeschützte Fruchtkasten, eine archetypische Erscheinung, ein gelungener historischer Fachwerksbau. Der Bau folgt konsequent den funktionalen und konstruktiven Vorgaben und seiner funktionalen Bestimmung – als ehemaliges Lager für den „Zehnt“. Den Verfassern gelingt es, für die geplante Umnutzung und Neugestaltung zu einem zeitgemäßen Ausstellungsgebäude einen überzeugenden Entwurf zu formulieren. Der zurückhaltende, elegante Umgang mit der Fassade des Denkmals Fruchtkasten erscheint angemessen. Die baulichen Eingriffe sind wohl überlegt, dosiert und sie folgen einer klaren Ordnung. Einzig die neu geplanten Vordächer an den Zugangstüren erscheinen im städtebaulichen Kontext fremd und deplatziert. Eine großzügige, zweigeschossige Eingangshalle empfängt die Besucher. Sie ist räumlich gut proportioniert und unterstützt die Besucher bei ihrer Orientierung im Gebäude. Das Fragment der historischen Bestandswand wird hier räumlich gekonnt inszeniert und verleiht dem Raum einen spröden Charme. Die Haupterschließung liegt leider etwas verdeckt im hinteren Bereich der Erdgeschosszone. Sie erschließt nahezu alle Obergeschosse. Hier sollte nicht unerwähnt bleiben, dass die Entfluchtung des Gebäudes, über nur einen baulichen Rettungsweg, noch Fragen aufwirft. Das geforderte Raumprogramm ist nachgewiesen und entsprechend seiner Nutzungen räumlich einfach und klar organisiert. Raumklimatisch behandelte Bereiche werden thermisch getrennt ausgewiesen, was hilft den notwendigen Heizbedarf auf ein mögliches Minimum zu reduzieren. Zudem bleibt die historische Außenhülle frei von unangemessenen baulichen Eingriffen. Die gewählten konstruktiven Interventionen sind auf ein geringes Maß reduziert und berücksichtigen das vorhandene Tragwerk. Die ökonomisch als auch ökologisch ausgewählten, eher rohen Materialien sind ein innovativer und sehr angemessener Beitrag für einen Bau dieser Aufgabenstellung. Der Rettungsweg über den Treppenraum auf der Südseite endet an der schmalsten Stelle des „Winkels“. Diese Einengung wird als problematisch betrachtet. Der Ausgang sollte gegen Norden verschoben werden. Mit einer medialen Präsentation zu Stadtgeschichte empfängt eine erste Ausstellungseinheit die Besucher im historischen Steinbau im Erdgeschoss. Zentrales Objekt ist ein interaktives Modell der Herrenberger Stadtbildes. Im 1. OG schließt sich mit dem Thema Streuobstwiesen eine szenographisch stark durchgearbeitete Abteilung zum Thema an, deren Gestaltung an ein Science Center erinnert, was durchaus für verschiedene Altersgruppen attraktiv sein kann. Die Präsenzausstellung mit Sammlungsobjekten zu Themen der Stadtgeschichte zusammen mit einem Raum für Kulturvermittlung belegen das gesamte 2. OG. Entlang einer gedachten Führungslinie sind die Themen klar gegliedert. Der historische Raum einschließlich der Träger und der bestehenden Holzdielen bleibt als Ganzes erfahrbar und bildet einen spannenden Kontrast zur modernen Ausstellungsarchitektur. Diese erscheint im Rendering jedoch relativ massiv und hat ggf. noch das Potential luftiger gestaltet zu werden, um den Raum noch besser erfahrbar zu machen. Im Anschluss an das Café im Erdgeschoss beginnt die Ausstellung mit einer Herrenberger Zeitreise im historischen Steinhaus. Ein mit Projektionen animiertes Stadtmodell gibt Einblick in die Entwicklung von Herrenberg. Die Dauerausstellung ist auf zwei Stockwerke verteilt, wobei das Thema Stadtbrand den gesamten ersten Teil im zweiten Obergeschoss einnimmt. Die Gestalter erweitern das Thema um eine vergleichende Perspektive zu anderen Städten, die durch Feuer zerstört wurden. Der darüberliegende zweite Teil der permanenten Ausstellung greift – weit über das in der Ausschreibung geforderte Maß hinaus – weitere Themenbereiche auf, die Herrenberg im Kontext mit historischgesellschaftlichen Entwicklungen verbindet. Darüber hinaus wird der Fruchtkasten selbst als historisches Objekt ernst genommen und ist Teil einer eigenen Abteilung über vergangene Lebenswelten. Ein tragfähiger Entwurf für die weitere Ausarbeitung. Lob verdient der Entwurf auch, weil die Kulturvermittlung in direkter Nachbarschaft zur Dauerausstellung untergebracht ist. Der vorliegende Entwurf für den Umbau und die Sanierung des Ausstellungshauses im Fruchtkasten in Herrenberg liefert einen wohltuenden Beitrag zum rücksichtsvollen und verantwortungsbewussten Umgang mit historischen Ressourcen. Durch diese Gesamthaltung vereinen sich Alt und Neu und schaffen ein angemessenes, zeitgemäßes, der Aufgabenstellung entsprechendes Ganzes.