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Award / Auszeichnung | 09/2020

Hugo-Häring-Auszeichnung 2020 BDA Kreisgruppe Stuttgart - Mittlerer Neckar

Mikrohofhaus Ludwigsburg

DE-71634 Ludwigsburg

Auszeichnung

atelier kaiser shen

Architektur

Projektdaten

  • Gebäudetyp:

    Wohnungsbau

  • Projektgröße:

    52m² (geschätzt)

  • Status:

    Realisiert

  • Termine:

    Baubeginn: 02/2018
    Fertigstellung: 03/2018

Projektbeschreibung

Der Bauplatz, auf dem das Mikrohofhaus steht, ist unwirtlich: auf der Sternkreuzung, einer lärmumspülten Grünin- sel inmitten der Stadt. Sie ist umfahren von vielen Tausend Fahrzeugen täglich und wird von Fußgängern im Eil- tempo überquert, um entweder ins Grün der Bärenwiese oder in die Fußgängerzone der Innenstadt zu gelangen.

Das Mikrohofhaus steht für eine neue Herangehensweise an das Thema »Wohnen auf kleinstem Raum«. Diese beispielhafte Wohntypologie erreicht ihre Qualität durch konsequente Abgrenzung vom Außenraum und ermög- licht dadurch eine überraschende Privatheit im Inneren. Die Architektur lebt vom Spannungsverhältnis zwischen Innen und Außen, offen und geschlossen, Lärm und Ruhe, privat und öffentlich. Der schneckenförmig angelegte Zugang in eine ansonsten rundherum geschlossene Fläche erweckt Neugier: Nur ein kleines, quadratisches Fenster verweist darauf, dass sich in dem mysteriös wirkenden, schwarzen Objekt, Leben verbergen könnte.

Auf nur 7,3 qm werden alle benötigten Funktionen untergebracht. Funktionale Nutzungen wie das Bad, Schränke oder die Küche sammeln sich mit einer Tiefe von 85 cm entlang der Rückwand. Aus dieser kann ein Esstisch geklappt und ein Bett gefaltet werden. Gartenseitig bleibt somit eine großzügige, multifunktional nutzbare Fläche entlang der Fassade. Der Garten wird Bestandteil des Wohnraums: Im Winter durch große Glaselemente abge- trennt, wachsen im Sommer durch Öffnen der Scheibe Innen- und Außenbereich zusammen. Der Innenraum wird optisch bis zur angrenzenden Mauer wahrgenommen. Somit entsteht eine eigene Welt innerhalb der Mauern. Nur durch das kleine quadratische Küchenfenster entsteht Blickkontakt nach Außen.

Die schlichte Außenraumgestaltung erinnert an ein chinesisches Hofhaus und wird von einer asymmetrisch angeordneten Felsenbirne gegliedert. Der Brunnen im Garten ist nicht nur ein landschaftliches Element, sondern bildet gemeinsam mit der Mauer eine wirksame Akustikmaßnahme gegen den Straßenlärm. Die Holzrahmenbau- wände aus Fichte-Dreischichtplatten liegen auf dem massiv wirkenden Sockel auf und schweben 20 cm über dem Garten, wodurch sie extrem leicht wirken. Die warme Holzoptik im Inneren wird durch das schwarze Wellblech der Außenfassade kontrastiert.

Das kompakte Mikrohofhaus stellt somit einen Beitrag zum immer knapper werdenden Wohnungsbedarf dar und ist nicht nur ein Vorschlag, eine unwirtliche Restflächen nachzuverdichten, sondern auch ein überzeugender Gegenentwurf zu immer größer werdenden Wohnungsgrößen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Mit diesem Beitrag werden zentrale Fragen zur Entwicklung des Wohnungsbaus, zum Umgang mit Restflächen in den Städten und der Nachverdichtung pointiert auf erfrischende Weise aufgeworfen und teilweise direkt beantwortet. Mit dem kleinsten Projektbeitrag am unwirtlichsten Ort, werden neben diesen Themen auch das Nachdenken über den Flächenverbrauch in Städten für den individuellen Personenverkehr – Stehend oder in Bewegung – angestoßen. Es erscheint so, als sind alle Stakeholder bei diesem Projekt bereit gewesen, zu diesen Fragestellungen den wichtigen Diskurs zu führen. Gleichzeitig führt die Reduktion bei diesem Projekt nicht zu einem Verlust an ästhetischer oder funktionaler Qualität der Architektur. Im Gegenteil, die Reduktion des Flächenverbrauchs, des Materialkanons und auch die Reduktion des Budgets befördert die Qualität. Das Mikrohofhaus ist ein Haiku zu den aktuellen Unsicherheiten zur Entwicklung der Stadt. Eine Inspiration und Ermutigung an alle weiterzudenken.