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Offener Wettbewerb | 10/2020

Sanierung, Grundinstandsetzung und Erweiterung der Komischen Oper in Berlin Mitte

Eingangssituation Behrensstraße / Glinkastraße

Eingangssituation Behrensstraße / Glinkastraße

Anerkennung

Preisgeld: 30.830 EUR

JSWD Architekten

Architektur

GINA Barcelona Architects

Architektur

Werner Sobek AG

Tragwerksplanung

ZWP Ingenieur-AG

TGA-Fachplanung

Gruner GmbH, Köln

Brandschutzplanung

Erläuterungstext

Zum Städtebau
Die Komische Oper Berlin wird erweitert und saniert. Über Jahrzehnte hinweg war die klare Gebäudeform des 60er Jahre Baus mit seinem innenliegenden Theatersaal aus dem 19. Jahrhundert an der wichtigsten Berliner Straße Unter den Linden unterrepräsentiert. Die Anbindung erfolgte über eine nicht sehr urbane Situation mit minder genutzter Platzfläche an der Glinkastraße, der Zugang selbst wird erst in der Behrenstraße überhaupt sichtbar. Zudem ist der Bestandsbau in großen Teilen technisch sowie funktional nicht mehr zeitgemäß und entspricht seit einer Sanierung in den 90er Jahren nicht mehr dem ursprünglichen architektonisch sehr starken und klaren Erscheinungsbild.
Somit weiß die Komische Oper Berlin aktuell mit ihren künstlerischen Inhalten zu überzeugen, nicht aber mit ihrer Einbindung in diesen wichtigen Stadtraum und ihrem baulichen Zustand.
Der vorliegende Entwurf ändert dies. Der Bestandsbau wird freigestellt und die Fassade in seinen klaren und kubischen Ursprungszustand aus DDR Zeiten zurückversetzt. Wo möglich, wird die Gestaltung der 60er Jahre wiederhergestellt und der innenliegende, neobarocke Theatersaal in seiner Ausprägung erhalten. Dem Bestandsbau vorgestellt wird der Erweiterungsbau in Form eines klaren Riegels mit deutlichen Zugängen zur Behrensstraße und zur Straße Unter den Linden. Der Bau schließt das Ensemble aus Hotel, Oper und Funktionsbau zu einem städtischen Block, und rahmt dabei die Oper, ohne an sie anzubauen. Zwischen Oper und Erweiterung liegt eine bauliche Fuge auf Höhe des Pausenfoyers, die neue Lindengalerie, die zwischen Geschichte und Zukunft vermittelt und diese zu einer einzigartigen Theaterlandschaft verbindet.

Zur Funktion
Die Funktionsverteilung der Erweiterung in Zusammenhang mit dem Bestandsbau ist klar und logisch. Auf gleichem Niveau wie die Bühne wird die maximal mögliche Fläche für den Theaterbetrieb bereitgestellt: Probebühnen, Montagehalle, Dekolager und die Anlieferbereiche an Glinka- und Behrenstraße bilden einen großen funktionalen Sockel, der dem einst so beengten Theaterbetrieb neue Luft für die Inszenierungen gibt. Im unteren Geschoss befinden sich neben Technikflächen die Probenbereiche des Orchesters auf gleicher Ebene wie der Orchestergraben. Die Mitarbeiter und Darsteller betreten das Gebäude durch einen eigenen Mitarbeitereingang und können von da alle Bereiche des Alt- und Neubaus auf kurzem Wege ohne Kreuzung der Öffentlichkeit erreichen. Die entscheidenden Theaterabläufe werden gegenüber dem Bestand um ein Vielfaches verbessert und deutlich effizienter gestaltet.
Der Theaterbesucher überschreitet den Bereich dieses Sockels über die neue Lindengalerie, erlangt an der ein oder anderen Stelle Einblicke „hinter die Bühne“ oder in laufende Proben, ohne deren Betrieb zu stören. Die neue Lindengalerie beinhaltet zudem all jene Bereiche, die dem Opernhaus mehr Öffentlichkeit verleihen können und sollen. Von hier wird auf der Ostseite das große Rangfoyer des Bestands erschlossen, auf der anderen Seite befindet sich der große, flexibel teilbare Veranstaltungssaal mit angegliederten Workshop-Flächen sowie das Betriebsrestaurant, dass durch seine Positionierung sowohl dem Besucher tagsüber wie abends als auch für die Mitarbeiter offensteht. Die Probebühne II ragt aus dem Sockel in die Galerieebene hinein, und ermöglicht hier über großformatige Einblicke in das Probengeschehen.
Großzügige Einschnitte in die Enden des Riegels markieren die Eingänge mit angegliederter Tageskasse zu Unter den Linden und zweigeschossigem Café zur Behrenstraße. Der südliche Eingang lässt dabei den Blick frei auf die markante Außenecke des Denkmalgeschützten Bestandsbaus.
In den oberen Geschossen werden die eher internen Nutzungen des Erweiterungsbaus in Form eines rationalen und flexiblen Dreibunds eingepasst. Über einen Steg werden sie im Luftraum der neuen Lindengalerie mit dem Bestandsbau verbunden. Die Kopfenden des Riegels schaffen hierbei wieder von außen sichtbare Öffentlichkeit. Hier wird zum Beispiel der zweigeschossige Fundus oder die Chorräumlichkeiten verortet. An oberster Stelle zu Unter den Linden eröffnet sich eine große Dachterrasse. Diese kann über Aufzüge direkt aus dem Eingangsbereich erschlossen werden und eröffnet schöne Blicke über Berlin. Die angrenzenden Fritzi Massary Lounge bildet den Rahmen für entsprechende Veranstaltungen, vor, nach oder unabhängig von den Opernaufführungen.

Zum Architektonischen Konzept
Während der Bestandsbau nur durch den Risalit oberhalb seines Eingangs einen Hinweis auf den neobarocken Innenraum preisgibt und sich ansonsten minimalistisch gibt, dreht die Fassade der Erweiterung das Prinzip um. Ein abstraktes Ornament über die ganze Gebäudehöhe verortet die besondere Nutzung in der Stadt. Es weckt Assoziationen, für die einen ist es der Kraftfluss des Tragwerks, für die anderen die Addition vieler Stimmgabeln oder der kunstvoll geraffte Bühnenvorhang. Diese Besonderheit im Ausdruck ist das, was ein derart wichtiger Kulturbaustein in der Stadt braucht und was viele andere Häuser von Weltruhm auf andere Weise haben, wie zum Beispiel die Metropolitan Opera in New York. Die bronzen schimmernde Farbgebung unterstreicht dabei noch die klare und monolithische Form des mit hellem Sandstein verkleideten Bestandsbaus.
Das neu entstandene Ensemble aus Altbau und Erweiterung rahmt mit einer klaren architektonischen Geste den denkmalgeschützten Bestand. Die komische Oper Berlin bekommt endlich eine adäquate Adresse zur Straße Unter den Linden mit hohem architektonischen Wiedererkennungswert. Der Neubau offenbart der Stadt eine neue Öffentlichkeit für alle, und zwar vor und hinter der Bühne, und verhilft so einem wichtigen Berliner Kulturbaustein zu neuer Stärke.

Zur Konstruktion
Der Neubau wird überwiegend als wirtschaftliche Stahlbetonkonstruktion aus Recyclingbeton aus dem Berliner Umfeld mit einzelnen Tragwerkselementen in Stahl und im Galeriebereich mit einer Ganzglaskonstruktion konzipiert.
Für die unteren beiden Geschosse, welche eine überwiegend geschlossene Fassadenfläche aufweisen, werden tragende Stahlbetonwände vorgesehen. Ab dem 2. Obergeschoss lösen sich die tragenden Wände in Stahlbetonstützen auf, die im Regelbereich mit einem Stützenraster von ca. 6,0m eine sehr wirtschaftliche Deckenkonstruktion ermöglichen. In Querrichtung des Gebäudes lagern Unterzüge auf je 4 Stahlbetonstützen auf und überspannen als Durchlaufsystem 21,0 m.
Zwischen den Unterzügen spannt eine Flachdecke, welche als Halbfertigteildecke mit Ortbetonergänzung geplant wird. Dadurch wird ein möglichst hoher Vorfertigungsgrad erreicht, was mit Bezug auf die beengten Platzverhältnisse im Bereich des Baufeldes einen signifikanten Vorteil für den Bauablauf bedeutet.

Eine stützenfreie Überspannung der 21,0 m Gebäudebreite im Bereich der Probebühne wird durch den Einsatz von Stahlbetonverbundträgern erreicht. Diese tragen die Vertikallasten über Stützen in die darunterliegenden Wandscheiben ab.
Die markanten Auskragungen an beiden Stirnseiten des Gebäudes werden über zurückgehängte Vierendeelträger in Stahlbauweise ermöglicht, wodurch stützenfreie Zugangsbereiche zum Gebäude entstehen. Unter den auskragenden Gebäudeteilen und in der Fuge zwischen Neubau und Bestand sorgt ein Glastragwerk für maximale Transparenz. Dabei wird die Tragfähigkeit durch, hinter den Glasflächen stehende Glasschwerter erreicht.
Die vorhandenen Treppenhaus-, sowie Aufzugskerne stellen die horizontale Aussteifung des Gebäudes auch in den oberen Geschossen sicher und leiten die Horizontalkräfte über die Gründung in den Baugrund ein.
Im Altbau wird ein sinnfälliges Maß aus Erhalt und Ertüchtigung des Bestands (wie zum Beispiel der gesamte Bühnen- und Publikumsbereich mit dahinterliegenden Garderobengeschossen) und Neukonstruktion innerhalb bestehender Außenwände und Fassaden (östlicher Gebäudeteil) angestrebt. Hier sind im Rahmen der weiteren Planungen soweit noch nicht geschehen umfassende Bestandsuntersuchungen durchzuführen. Insbesondere der stark gestiegene Platzbedarf der haustechnischen Leitungsverteilung gegenüber dem Bestand ist besonderes Augenmerk zu widmen.
Für die Aufstockung des Bühnenturms wird ein möglichst leichtes Stahlfachwerk in Form eines Zweigelenkrahmens geplant. Ziel ist es dabei, die zusätzlichen Lasten auf das bestehende Tragwerk so gering wie möglich zu halten.

Zur Materialität
Im Denkmalgeschützten Bestand werden die Materialien entsprechend dem Zustand nach Eröffnung in den 60er Jahren gewählt. Dies gilt insbesondere für die Fassadenverkleidung, die wieder in einen homogenen, weißem Gothaer Sandstein umgewandelt werden soll. Dem gegenüber steht der Neubau, dessen Fassaden mit einem metallischen Ornament aus Baubronze und entsprechenden Verkleidungen der Wandflächen ausgestattet werden.
Im Innenraum dominieren im Galeriebereich neben Neubau- und Altbaufassade eine entmaterialisierte Ganzglaskonstruktion sowie glatte, mineralische Fußbodenbeläge. Das Innere des Erweiterungsriegels wird in seiner Materialwahl als großes Werkstattgebäude begriffen, offenliegende Technikleitungen, teilweise roh belassene Tragkonstruktionen in Verbindung mit wertigen Einbauten aus Holz unterstreichen den kreativen Duktus, der in den Gebäuden herrschen wird.

Beurteilung durch das Preisgericht

In Bezugnahme zur historischen Lindengalerie schlägt das vorgestellte Projekt eine neue Passage zwischen Behrenstrasse und Unter den Linden vor, die die Präsenz und die Zugangsmöglichkeit der Komischen Oper von Unter den Linden stärken und so eine selbstverständliche Verbindung zwischen den Foyerbereichen des Bestands und der neuen Adresse an Unter den Linden schaffen soll.

Dieses Konzept gerät in ein der Aufgabe innewohnendes Dilemma, nämlich dem Wunsch nach Öffnung und Öffentlichkeit und dem funktionalen und betrieblich organisatorischen Wunsch nach ungestörten Probe- und Arbeitssituationen.

Durch die horizontale Schichtung dieser beiden funktionalen Anforderungen wird zwar die weitgehende Entflechtung dieser Erschließungsströme erreicht und es werden das öffentliche Casino und der Multifunktionsraum folgerichtig angeordnet, doch bleibt die Frage nach der funktionalen Sinnfälligkeit und Attraktivität dieses Raumes der so etwas unscharf zwischen öffentlichem Passagenraum und Foyererweiterung changiert.

Die städtebauliche Setzung mit dem auf Abstand zum Bestandsbau gesetzten klaren Gebäuderiegel kann überzeugen, wenn auch die nahezu materialos dargestellte Ausführung der Verglasung des Passagenraums im Rahmen einer Realisierung kaum Bestand haben wird.

Kritisch wird der gestalterische Ausdruck des Gebäudes diskutiert. Das von den Verfasser*innen angestrebte Assoziationsfeld zwischen Stimmgabel, Vorhang und statischem Kraftverlauf kann nicht überzeugen und wird eher als ornamentales Spiel gelesen, welches in den auskragenden Unterschnitten eben gerade keinen Kraftverlauf beschreibt und auch in seiner konstruktiven Ausformulierung eher unzeitgemäße Assoziationen provoziert.

Funktional ist die Arbeit sorgfältig durchgeplant und kann in dieser Hinsicht abgesehen von dem Passagenraum und der Lage der Probebühne 1 weitestgehend überzeugen. Die mit der Probebühne 1 vollkommene Entkernung des östlichen Altbauflügels wird vor allem im Bereich der historischen Casinoräume im Hinblick der denkmalpflegerischen Belange kritisch gesehen.

Insgesamt werden die sogfältige Bearbeitung und der Versuch, Öffentlichkeit und innere Organisation zu verbinden, gewürdigt, auch wenn dies zu einer schon in der ersten Phase kontroversen Diskussion um den Preis und die Sinnfälligkeit dieser Verbindung geführt hat.
Eingangssituation Behrensstraße / Glinkastraße

Eingangssituation Behrensstraße / Glinkastraße

Eingangssituation "Unter den Linden"

Eingangssituation "Unter den Linden"

Eingangssituation "Unter den Linden"

Eingangssituation "Unter den Linden"

Neue Lindengalerie

Neue Lindengalerie

Neue Lindengalerie

Neue Lindengalerie

Modellfoto

Modellfoto

Modellfoto

Modellfoto

Lageplan

Lageplan

Lageplan

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