modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 10/2020

Erweiterungsneubau für das Finanzamt in Wuppertal Barmen

2. Preis

Nattler Architekten

Architektur

Reinders Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Drees & Sommer Advanced Building Technologies

TGA-Fachplanung

Alexander Schmitz

Visualisierung

Erläuterungstext

Frisch ans Werk!
Gehen wir die Dinge neu an, weg vom angestaubten Image muffiger Amtsstuben…

Städtebau und Idee
Der geplante Erweiterungsneubau für das Finanzamt Wuppertal-Barmen versteht sich als ergänzender Baukörper in Flucht der Straße Unterdörnen. Er schließt damit die offene städtebauliche Kante in Fortsetzung des bereits vorhandenen straßenbegleitenden vier-geschossigen Bauteils in identischer Ebene und Höhe.
Zusammen mit dem Hochhaus des Finanzamtes, das um 90 Grad gedreht und leicht zurückversetzt andockt, entsteht ein im Grundriss T-förmiges Ensemble. Neubau und Bestand werden durch eine filigrane Fuge miteinander verbunden.
An der Nahtstelle zum Bestand ergibt sich eine einladende Entree-Situation („Wupperfenster“ genannt), die den gesamten Eingangsbereich gestalterisch umrahmt: Rechts die vorhandene Außentreppe mit markantem Vordach ins höher gelegene Erdgeschoss des Hochhauses, sie wird integriert und kann als Personalzugang weiterhin funktionieren. Auf der linken Seite, gegenüberliegend und vom Straßenniveau direkt barrierefrei erreichbar, befindet sich der neue Besuchereingang. Er ist wie der gesamte öffentlich zugängliche Bereich des Finanzamtes im Erdgeschoss des Neubaus äußerst transparent sowie einladend gestaltet und bietet eine gute Orientierung. Dazwischen führt die fußläufige Verbindung zum begrünten Innenhof, der in Richtung der Wupper erste Blickbeziehungen eröffnet.
Den Innenhof prägt der alte wertvolle Baumbestand, unter dessen Blätterdach grüne Pausenbereiche den Mitarbeitern einen qualitätsvollen Aufenthalt an der frischen Luft ermöglichen. Alle Parkplätze sind zudem als Pflasterrasen angelegt, um möglichst wenig Flächen zu versiegeln und ein angenehmes Microklima zu generieren.
Die Parkplätze im Innenhof bieten sich für eine Doppelnutzung an, wenn in einem zweiten Schritt ein Teil des Plangrundstücks abgetrennt und zusätzlich bebaut wird. So können beispielsweise in einem separaten Baukörper Zur Schafbrücke hin attraktive Wohnungen mit Orientierung zur Wupper entstehen. Die Bewohner nutzen dann außerhalb der Dienstzeiten des Finanzamtes die freiwerdenden Parkplätze. Zusätzliche gemeinschaftlich nutzbare Freiflächen entstehen, wenn weitere Pkw-Stellplätze des Finanzamtes vom Gartenhof in eine neue Parkpalette, anfahrbar aus der Straße Zur Dörner Brücke verlagert werden.

Innere Organisation
Individualisierte Produkte und flexible Prozesse für maßgeschneiderte Lösungen
Eine effiziente Büroorganisation beidseitig eines Mittelflurs erzeugt helle und freundliche Doppelbüros von gleichbleibend hoher Qualität. Dienende Facilities (u.a. von WC-Anlagen, Copy-Zonen bis hin zu Teeküchen) sind zentral positioniert und damit leicht erreichbar. Die Fluraufweitungen an dem ihnen gegenüberliegenden Vertikalen Erschließungskern verstehen sich als Angebot zur Förderung der informellen Kommunikation.
In allen drei Obergeschossen sind ebenengleiche Anbindungen an den Bestand des Hochhauses vorgesehen. Sie fügen den Neubau elegant in das vorgefundene Erschließungssystem ein und schaffen eine effektive wie auch übersichtliche Grundstruktur der kurzen Wege. Die dort entfallenden Büros werden im Neubau vollständig kompensiert und lassen im Übergangsbereich zusätzliche Aufenthaltsflächen zur Stärkung eines kommunikativen Miteinanders in einer modernen Behörde entstehen.
Das Erdgeschoss kennzeichnet eine klare Abgrenzung zwischen öffentlich zugänglichen Besucherbereich und den exklusiv von den Mitarbeitern des Finanzamtes genutzten Flächen. Ein flächenoptimiertes Archiv mit eingestellter zweiter Ebene nutzt die komfortable EG-Geschosshöhe von ca. 4,84m geschickt aus. Weitere Kapazitätserhöhungen der Regalflächen sind durch den Einbau von Kompaktanlagen leicht möglich.

Konstruktion und Materialien
Ressourceneffizienz, verantwortungsvoller Umgang mit begrenzten Rohstoffvorräten Modulares Bauen, verbesserte Bauqualität in werksseitiger Produktion
Basierend auf einem 2,40m Raster sind die drei Obergeschosse in modularer Bauweise geplant. Ihre Holzhybridkonstruktion aus einer schlanken Betonplatte mit Holzunterzügen aus Brettschichtholz steht auf einem EG in konventioneller Bauart. Die Decken spannen dabei von den Holzstützen in der Außenfassade bis zum Mittelunterzug, der in der Ebene einer Flurwand verläuft. Den Holzstützen in der Fassadenebene ist eine hinterlüftete Vorhangfassade mit vertikaler Lattung aus Holzprofilen vorgeblendet. Zwischen den Stützen werden bodentiefe Verglasungen in einer Holz-Aluminium Konstruktion mit außenliegenden schattenspendenden Screens eingefügt. Die OG-Geschosshöhe von jeweils 3,20m ist durch die gewünschte Anbindung an den Bestand vorgegeben und lässt eine komfortable lichte Raumhöhe von 2,75m in den Bürobereichen zu.
Alle tragenden Holzteile bleiben im Innenraum auch sichtbar und stärken den Eindruck einer nachhaltigen, aus nachwachsenden Rohstoffen bestehenden, CO2 reduzierten Bauweise mit gesunden Baustoffen. Die sortenreine Fügung der verwendeten Materialien lassen im Sinne einer cradle to cradle Kreislaufwirtschaft am Ende der geplanten Lebensdauer des Gebäudes eine problemlose Wiederverwendung des Baumaterials erwarten. Das ist gegenüber der Umwelt verantwortungsvoll und zukunftsweisend geplant. Das Gebäude wird damit zu einem unverwechselbar qualitätsvollen sozialen Ort.
Eine extensive Dachbegrünung mit aufgeständerten Photovoltaik Elementen unterstützt das integrale Energiekonzept.

TGA Konzept
PLUS Energie Gebäude, energetisch, funktional und gestalterisch überzeugend, gute CO2 Bilanz, ambitionierte Klimaziele erreichen Siehe separates Energiekonzept

Vorbeugender Brandschutz
Dem Konzept liegt ein einfaches und gleichzeitig sicheres Prinzip zu Grunde: Je Geschoss werden eigene Nutzungseinheiten gebildet. Jede Nutzungseinheit verfügt über zwei voneinander unabhängige bauliche Rettungswege. Den 1.Rettungsweg bildet die vertikale Erschließung als notwendige Treppe. Der 2.Rettungsweg führt im EG direkt ins Freie bzw. in den Obergeschossen über die vorhandenen Fluchttreppen im Hochhaus. Da die benachbarten Nutzungseinheiten im Bestand und dem geplanten Neubau ausschließlich vom gleichen (und einzigen) Mieter genutzt werden, kann davon ausgegangen werden, dass beide Rettungswege jederzeit und uneingeschränkt zur Verfügung stehen.
Die Überschreitung der Nutzflächen von 400m² je Geschoss wird durch eine flächendeckende automatische Brandmeldeanlage kompensiert.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das städtebauliche Konzept erzeugt auf einfache Art eine deutliche Raumkante entlang der Straße Unterdörnen. Durch die Aufnahme und Weiterführung der Gebäudehöhe des Bestandes wird das Ensemble folgerichtig ergänzt.

Grundsätzlich positiv wird die öffentliche Durchwegung zum Wupperufer bewertet, in der Nahtstelle zwischen Alt-und Neubau. Durch die Trennung der Baukörper gelingt auf einfache Art und Weise eine Gliederung der öffentlichen und internen Bereiche. Nicht überzeugend allerdings ist die gestalterische Ausformung der Fuge, von den Entwurfsverfassern „Wupperfenster“ genannt. Ebenso kritisch wird die weitgehend fensterlose Platzierung des Archivs in der prominenten Erdgeschosszone in der Nähe des Eingangs bewertet. Positiv wird die Anbindung aller Obergeschosse an den Bestand gesehen, die kurze Wege und eine kommunikative Atmosphäre erwarten lassen.

Die Fassade insgesamt ist in ihrer Ausformung für die vorgesehene Nutzung nicht angemessen. Beispielhaft zu nennen sind hier die großflächige Verglasung des Treppenhauses und die bodentiefen Fenster der Einzelbüros. Es fehlt ein ausgewogenes Verhältnis von offener zu geschlossener Fläche, hier besteht Optimierungspotential.

Eine qualitätvolle Außenanlagenplanung ist nicht erkennbar. Das Angebot einer öffentlichen Nutzung und Durchwegung muss entsprechend gestaltet werden. Die Parkplätze sind mit adäquaten Pflanzungen aufzuwerten, die Versiegelung ist auf ein Minimum zu reduzieren, Stichwort Pflasterrasen. Darüber hinaus sind die Stellplätze so anzuordnen, dass alle Bäume erhalten bleiben, was derzeit teilweise nicht gegeben ist. Nicht brauchbar ist das begrünte Baufenster auf der Ostseite. Diese Restfläche sollte für eine bessere Unterbringung des ruhenden Verkehrs genutzt werden.

Insgesamt besitzt die Arbeit eine robuste Grundstruktur, die einen wirtschaftlichen Bau und Betrieb erwarten lassen. Die Wirtschaftlichkeitsdaten liegen im mittleren Bereich.
Gestalterisch weisen die Fassaden und Außenanlagen jedoch erhebliche Mängel auf und müssen grundlegend überarbeitet werden.