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Städtebaulicher Realisierungswettbewerb als kooperatives Verfahren | 09/2020

Ortsteilentwicklung Roleber in Bonn-Hoholz

3. Preis

Preisgeld: 10.000 EUR

MUST Stedebouw / MUST Städtebau GmbH

Stadtplanung / Städtebau

die3 landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebauliches Konzept: Das urbane Dorf
Konzeptioneller Grundgedanke des Entwurfs für das neue Wohnquartier in Bonn Roleber ist, ein unter architektonischen, sozialen und ökologischen Gesichtspunkten nachhaltiges Gebiet zu erschaffen, das in der Stadtentwicklung Bonns einen beispielgebenden Baustein bildet. Eine hohe Bebauungsdichte im Kernbereich schafft Raum für großzügige Grünflächen und wird kombiniert mit einem multimodalen Verkehrsangebot. So werden Klimaanpassung und Klimaschutz in einem städtebaulichen Konzept miteinander vereint. Außerdem erfüllt das Konzept eine Nachfrage, die viele Wohnungsuchende unterschiedlicher Generationen (jung, mittel, alt) in der Region sich wünschen: die Qualitäten einer urbanen Dichte werden mit den Qualitäten des ländlichen Raumes vereint. Dafür wird das Nettobauland auf das, aus Sicht der Verfasser, maximal Notwendige reduziert: ca. 45.000 m2.

Durch die städtebauliche Struktur, einer starken Durchmischung verschiedener Gebäudetypologien, zahlreiche öffentliche Räume und großzügige Grünflächen erhält das Quartier seinen besonderen Charakter. Die Anordnung der Baukörper und die Nutzungsangebote wirken identitätsstiftend für eine Nachbarschaft, in der gesellschaftliches Engagement und soziales Miteinander einen wichtigen Stellenwert einnehmen.

Das neue Wohnquartier besteht aus einer niedrigeren Randbebauung von Reihen- und Doppelhäusern im Norden, Süden und Westen. Diese ruhige und an die umliegende Nachbarschaft anknüpfende Bebauung bildet eine angemessene Außenansicht des neuen Quartiers. Im Kernbereich haben die Baukörper eine Geschossigkeit von bis zu 3 Etagen mit Staffelgeschoss. Die Mischung der verschiedenen Haustypen und die Nachbarschaft von Reihenhäusern und Geschosswohnungsbau ist die Grundlage für ein sozial und demografisch durchmischtes Wohnquartier. Am Ostrand des Quartiers befindet sich ein Platz als Auftakt und einladende Geste für die umliegenden Wohnquartiere von Roleber. Hier sind – gut erreichbar – die öffentlichen Nutzungen konzentriert: ein Supermarkt mit Bäcker, ein Café, die Quartiersgarage und die Kindertagesstätte. Teil des Platzes ist außerdem die Mobilstation mit Bushaltestelle und Fahrradstation, die damit in die städtebauliche Struktur integriert sind. Dieser multifunktionale Platz wird trotz der verschiedenen Nutzungen, Aufenthalt und Mobilität, als räumlich und gestalterisch als Einheit definiert. Durch die zentrale Lage an der Siebengebirgsstraße sind Supermarkt und Kindertagesstätte für Anwohner und Kindern aus ganz Roleber mit den öffentlichen Verkehrsmitteln gut erreichbar.

Gebäudekonzept: Vielfalt durch Anordnung - Kompaktheit durch Schichten
Die Durchmischung von insgesamt fünf Gebäudetypen/-formen als Mehrfamilienhäuser, Doppelhäuser und Reihenhäuser bildet die Vielfältigkeit, Feinkörnigkeit und Heterogenität ab, die sich die Verfasser für diesen Ort wünschen. Gleichwohl ermöglichen die fünf Typen einen modularen Bau. Die in der Umgebung vorherrschende Form des Satteldachs wird für die Reihen -und Doppelhäuser aufgegriffen und zum Teil ergänzt mit Referenz an die bis vor einiger Zeit vorherrschenden Glashäuser. Neben den fünf „modularen Typen“ gibt es drei Sondertypen: die Kindertagesstätte, das Glashaus am Grünzug und das multifunktionale Gebäude am Eingang des Quartiers. Dieses enthält den Supermarkt, eine Quartiersgarage, Wohnungen, ein Bäcker, ein Café und ein Abholpunkt für Pakete. Die Platzierung der Quartiersgarage oben auf dem Supermarkt ist bewusst gewählt: die Garage soll so gestaltet werden, das zukünftig - abhängig von den Bedürfnissen der Einwohner - hier auch andere Nutzungen untergebracht werden können1. Die Fassade der Garage soll begrünt werden, auf dem Dach können zudem Nutzungen wie Solarenergie und Gewächshäuser untergebracht werden. Im Sinne einer klimaangepassten Bauweise werden auch die Flachdächer der Mehrfamilienhäuser als Gründächer, sowie für die Nutzung von Solarenergie optimiert. Grüne Fassaden bringen Grünstruktur auch in die Vertikale und verbessern die klimaregulierende Wirkung der Gebäude.

Freiraumkonzept – Reminiszenz an die Feldflur
Der Freiraum schafft einen grünen Rahmen für das neue Stadtquartier und ist zugleich vernetzendes Element. In Anlehnung an die ehemaligen landwirtschaftlichen Versuchsflächen orientiert er sich in Gestalt und Ausprägung an den vorherrschenden Strukturen – den Feldwegen und Knicks, die die umgebenden landwirtschaftlichen Flächen (meist) informell erschließen. Die bestehenden grünen Ränder aus Wildhecken und Bäumen im Westen und Süden bleiben erhalten und bilden eine in Bonn Roleber gewohnte grüne Grenze. Baumpflanzungen verzahnen das Gebiet mit der Umgebung.

Aus der Analyse der vor Ort existierenden Grünelemente sowie der zu vernetzenden Ränder wurde die städtebauliche Figur des neuen Quartiers abgeleitet und entwickelt:
Im Nordosten bindet eine große Spielwiese das bestehende Quartier an das neue an. Hier wird auch die Aufstellfläche für das Bonner Spielmobil verortet. Damit ist dieser Freiraum ein wichtiger ‚Trittstein‘ zum nördlich gelegenen Spielpatz und zur unmittelbaren Nachbarschaft und wirkt verbindend. Der bestehende Graben wird durch einen Fußweg von Osten nach Westen aufgewertet und durch Sitzmöglichkeiten am Wasser erlebbar gemacht. Er bildet eine Klammer als Grünverbindung in Richtung Westen und zum nord-süd-verlaufenden Grünzug des neuen Quartiers. Der neue Grünzug ist dabei nicht nur öffentliche Aufenthaltsfläche im Freien, sondern bietet Flächen für gemeinschaftliches Gärtnern, Sitzmöglichkeiten und informelle Spielangebote. Gestalt und Angebot orientieren sich an der ehemals landwirtschaftlichen Nutzung der Flächen. Sie erinnern an die Fluren und Schläge, die heute noch an den umliegenden Feldern ablesbar sind. Zudem sichert der Grünzug durch seine Ausrichtung die vorhandene Frischluftschneise und ist durch großer Bestandsbäume bereits raumprägend. Im Süden bindet er an das bestehende Wegenetz der Felder sowie rund um Gut Ettenhausen an. Im Zuge einer Weiterentwicklung böte sich hier die Möglichkeit entlang dieser Freiraumachse weitere Bauabschnitte anzubinden, das Quartier fortzuschreiben und wie selbstverständlich zu verzahnen.

Nachbar -und Freundschaften
Im zentralen Bereich des Quartiers bindet der Grünzug an eine Wohn- und Spielstraße (Promenade), die von Osten nach Westen verläuft, und das Rückgrat des Kernbereichs bildet. Damit werden in der Quartiersmitte zwei wichtige Freiraumelemente platziert und miteinander vernetzt. Die Promenade verknüpft den zentralen Eingang des Quartiers (Mobilitätsplatz) mit dem Grünzug und bindet das Gebiet westlich an die Umgebung an. Am Schnittpunkt der beiden Freiraumachsen schlagen die Verfasser die Verortung eines Gemeinschaftsgebäudes vor. Dieses erinnert in seiner Kubatur an die Glashäuser, die hier bis vor kurzem noch standen.

Promenade und Grünzug bieten Angebote für Spiel und Aufenthalt. Rollerfahren, nachbarschaftliches Treffen und Feste finden Raum auf der Promenade, Experimentierflächen zum Gärtnern für dieangrenzenden Mehrfamilienhäuser und informelle Wiesenflächen zum Spielen im Grünzug. Zwei Kleinkindspielflächen befinden sich in unmittelbarer Wohnnähe der Mehrfamilienhäuser im Nordosten und im zentralen Bereich.

Straßen, Wege, Parken: Mobilität vernetzen und gestalten
Der Auftaktplatz zum neuen Quartier an der Siebengebirgsstraße ist nicht nur ‚Vorplatz‘ und Visitenkarte der umgebenden Bebauung, sondern gleichzeitig Mobilitätshub für Hoholz. Hier wird über eine Mobilstation vernetzte Mobilität Realität: die Busse halten an der Westseite, eine Radstation entlang des Fahrradweges bietet die Möglichkeit sein Rad zu reparieren, vom Rad zum Bus zu wechseln, und umgekehrt. Auf dem Supermarkt befindet sich eine Quartiersgarage, die als Mobilität Service Hub gedacht ist. Hier können E-Autos aufgeladen bzw. Car-Sharing Angebote untergebracht werden. Vom Quartierseingang aus wird die Haupterschließung des neuen Quartiers erfolgen. Die
durch das Quartier verlaufende Erschließungsstraße ist klassisch gegliedert in Fahrspur und begleitenden Fußweg. Die drei zentralen Tiefgaragen im Quartier werden von der Erschließungsstraße erschlossen. Die Reihen- und Einfamilienhäuser erhalten ihre Stellplätze unmittelbar am Haus. Stellplätze für Besucher sind über das Quartier verteilt. Die Flächen in den Höfen und zwischen den Reihenhäusern dienen als „shared space“. Die Straßen werden durch Baumbeete, mit dazwischen angeordneten Gästestellplätzen, begrünt. Einzig die Straße im Norden wird bereits heute durch die bestehenden Bäume entlang des Grabens räumlich gefasst und nach Norden hin abgeschirmt. Die Wohngebäude entlang der Promenade werden fußläufig erschlossen und sind nur für die Anwohner, Müllabfuhr und Notdienste (im Sinne einer Spielstraße) befahrbar.

Fazit
Das entwickelte architektonische und freiraumplanerische Konzept schafft einen ganzheitlichen Ansatz aus Städtebau, zahlreichen Wohnangeboten, Freiraumgestaltung und Wirtschaftlichkeit. Es bietet eine zukunftsorientierte Antwort auf das steigende Bewusstsein für Ressourcenschonung des Bodens durch Verdichtung bei gleichzeitigem Angebot an qualitativ hochwertigen Freiräumen.
Dadurch wird das neue Quartier zu einem attraktiven Wohnort mit nachhaltigen Qualitäten für die Bewohner und zu einem beispielgebenden Projekt für Bonn.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser entwickeln mit dem Bild des "urbanen Dorfes" am Ortsrand von Roleber ein neues Quartier mit hoher Individualität bei gleichzeitiger Zurücknahme städtebaulicher Ordnung. So entsteht innerhalb einer Ringerschließung eine urbane Enge, die an den Reiz kleinteilig strukturierter historischer Stadtquartiere erinnert. Die Jury diskutiert kontrovers, ob diese Assoziation den Charakter des Ortes angemessen wiedergibt und die bunte Mischung der Gebäudetypen und -positionen nicht zu willkürlich für die Gestaltung einer wertigen Quartiersatmosphäre gewählt ist.
Die Stärke dieses Konzeptes besteht in den großen, richtig vernetzten öffentlichen Freiräumen, die den Bestand bis in die umgebende Landschaft weiterentwickeln und einen breiten Puffer zum westlichen FFH-Gebiet ausbilden.
Dem stehen kompakte Baugruppen gegenüber, die einen lebendigen Mix unterschiedlicher Bauformen und Baustellungen anbieten. Im Quartiersinneren lässt die dabei dargestellte Dichte Qualitätsverluste für das Wohnen befürchten und missachtet die erforderlichen Abstandsflächen.
Seine Schwächen zeigt der Entwurf im Entrée an der Siebengebirgsstraße; der weite Raum kann als Adresse weder stadträumlich noch funktional überzeugen.
Die Lage der Kita bedient eher externe Bedarfe, das Café wünschte man sich auf einer besonnten Platzseite und die Erschließung der Tiergarage bleibt unklar.
Dennoch: Die Arbeit leistet einen interessanten und bereichernden Beitrag zum Wettbewerb.
Städtebauliches Konzept

Städtebauliches Konzept

Perspektive Promenade

Perspektive Promenade

Quartier von Süden

Quartier von Süden

Funktionskonzept

Funktionskonzept