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Nichtoffener Wettbewerb | 09/2020

Neues Wohnviertel an der Greifswalder Straße in Erfurt

Blick von der Greifswalder Straße - Quartierseingang

Blick von der Greifswalder Straße - Quartierseingang

1. Preis / Teilbereich A, B, C

Preisgeld: 18.600 EUR

Winking · Froh Architekten

Architektur

arbos landscape GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Wohnviertel „Johannas Gärten“ Greifswalder Straße - Erfurt

1.0 Städtebau und Freiraum

Das ehemalige Schlachthofareal an der Greifswalder Straße in Erfurt ist ein Baustein der Entwicklung der Äußeren Oststadt zu einem innerstädtischen Wohnstandort. Die heute überwiegend brach liegende, bisher gewerblich genutzte Baufläche hat eine Größe von ca. 4 Hektar. Durch die Lage an einer Haupterschließungsstraße und einer Bahntrasse sowie durch gewerbliche Nutzungen in der Nachbarschaft ergeben sich besondere Anforderungen an den Schallschutz.

Das städtebauliche Konzept beantwortet das Thema Schallschutz in bewusster Fortführung der städtebaulichen Grundstruktur des Hanseviertels durch eine Blockstruktur, die sich nach innen in Solitärbaukörpern auflöst. Das Freiraumkonzept greift das leichte gegeneinander Versetzen von Baukörpern und Freiräumen auf und interpretiert es als Gartenlandschaft, als „Johannas Gärten“.

Die Blockränder werden nach Norden und Osten mit vier- bis fünfgeschossigen Wohnriegeln geschlossen, um die Gebäude in der ruhigen Mitte gegen Bereiche mit der höchsten Schallbelastung zu schützen. Nach Westen zur Greifswalder Straße gestalten viergeschossige Winkelbauten den Blockrand offener.

Der Zugang zum Quartier wird über eine Wegeachse eröffnet, die von der Greifswalder Straße auf die historische Schlachthalle zuführt. Die Gebäude der Randbebauung und die Tiefgarage werden von den umliegenden Straßen aus erschlossen und haben im Bereich geschlossener Riegel erdgeschossig direkte Zugänge zum belebten Innenbereich.

Sechs Gärtenplätze verbinden die Blockeingänge mit den Gartenkabinetten an den Rändern des Quartiers und den Gärten im Zentrum um die ehemalige Schlachthalle und die dort geplanten Neubauten. Markante Baumhaine aus blühenden Kirschbäumen, Blumeneschen oder Koelreutherien geben jedem Platz seinen unverwechselbaren Charakter.

Die historische Schlachthalle wird als Erinnerungsort erhalten und zum neuen Quartierstreff mit öffentlichem Vorplatz umgestaltet. Zwischen grünem Innenbereich, der fußläufigen Nord – Südverbindung und der Stadt werden neue Wegebeziehungen geknüpft und Durchblicke geschaffen.Die ehemalige Schlachthalle soll stand- und regensicher saniert werden. Der östliche Teil der Halle wird abgebrochen, die Öffnungen erhalten Industrie-Verglasungen. Hier wird der neue Quartierstreff mit Anwohner-Café, Fahrradwerkstatt und überdachtem Raum für Regentage die Bewohner zusammenbringen.

Ein differenziertes Wegekonzept erschließt das Blockinnere des neuen Wohnquartiers. Die Wege greifen die Hauserschließungen auf und bilden ein lebendiges Gartenbild im Inneren des neuen Quartiers. Bestandsbäume und Neupflanzungen aus Flaum- und Traubeneichen, Winterlinden, Esskastanien oder Obstbäumen stehen wie zufällig in dieser Gartenlandschaft verstreut und schaffen immer wieder unterschiedliche Raumerlebnisse und Durchblicke.

Der im Masterplan angestrebte Grünzug mit Fahrradwegen wird im Quartier aktiv aufgenommen. Mobilität per Fahrrad wird attraktiv. Ein externer Zugang für die Bewohner des Inneren Quartiers zur Tiefgarage mit Aufzug wird im Bereich der südlichen Gartenanlage geschaffen. Die breiten Einfahrtrampen mit Gehweg an den äußeren Erschließungsstraßen bieten weitere Fahrrad-Zugänge.

Ein Spiel aus Magergraswiesen und Schnittrasenflächen, die auch zum Spielen einladen sollen, interpretiert gestalterisch das Thema „Johannas Gärten“ und schafft gleichzeitig ein Angebot für mehr Artenvielfalt in verdichteten Wohnquartieren.

Auf vier Baufeldern entstehen 432 geförderte und frei finanzierte Wohnungen, die geförderten Wohnungen (20%) vorzugsweise in den beiden Winkeln an der Greifswalder Straße. Unterschiedlichste Wohnungsgrößen sind über alle Häuser verteilt, um ein nachhaltig sozial durchmischtes Quartier mit gelebten Nachbarschaften entstehen zu lassen. Die Tiefgarage mit ca. 500 Stellplätzen liegt unter den nördlichen und östlichen Wohngebäuden, teilweise mit Schiebeparkern, im Süden mit nur einer Parkebene. Eine Erweiterung im Baufeld C ist möglich. Tiefgaragenzufahrten erfolgen im Norden und Osten über die äußeren Erschließungsstraßen. Auf eine Zufahrt von der Greifswalder Straße wurde zunächst verzichtet. Große Fahrradräume liegen unter jedem Gebäude, Müllräume im Untergeschoss erhalten Unterfluraufzüge.

Der Grünzug wird im Zentrum von einer Unterbauung freigehalten, zur Pflanzung von Großbäumen und um eine offene Wasserhaltung zu ermöglichen.

2.0 Gebäudetypen nach Teilbereichen

Baufeld A – Blockrand mit eingeschossigen Durchgängen und Solitärbauten

Die östliche Randbebauung schirmt als 4- bis 5-geschossige Riegel mit Winkeln zum Innenhof das innere Wohngebiet gegen die Lärmbelastung der Bahntrasse ab. Eingeschossige Durchgänge ermöglichen Zugänge zum inneren Quartier. Jedem Hauseingang ist ein Abstellbereich für Kinderwagen, Rollatoren etc. zugeordnet.

Grundrisse sind so konzipiert, dass Wohn- und Schlafräume fast ausschließlich zur schallabgewandten Seite nach Westen zur „grünen Mitte“ liegen. Einige Räume werden über mit Prallscheiben geschützte Bereiche belichtet und belüftet. Im Innenbereich fassen die Gebäudewinkel 4-geschossige Solitäre mit Balkonen ein, die geschütztes Wohnen und Privatheit innerhalb der Gartenanlage ermöglichen.

Baufeld B – Blockrand mit Tordurchfahrten

Der nördliche 4-geschossige Gebäuderiegel ist ähnlich konzipiert wie Baufeld A, erhält aber zweigeschossige Durchfahrten für Feuerwehr, Müllfahrzeuge und Andere. Großflächige Glasfassaden im Bereich der Treppenhäuser bilden geschützte Räume, über die Schlafräume an der Nordfassade belüftet und belichtet werden können. Durch die Organisation als 3-Spänner orientiert sich ein Großteil der Wohnräume mit Loggien zum ruhigen Innenhof, die Erschließung erfolgt von der äußeren Erschließungsstraße aus. Dabei werden den Erdgeschosswohnungen privat nutzbare Terrassengärten zugeordnet und durch Hecken gegenüber den gemeinschaftlich nutzbaren Freiräumen klar abgegrenzt.

Baufeld C - Winkelbauten mit Solitären im Innenbereich

Winkelbauten (4-geschossig) bilden den westliche Blockrand. Die Treppenhäuser (2- bis 4-Spänner) mit Zugängen an der Greifswalder Straße bieten den Bewohnern erdgeschossig direkte Zugänge zum Grünzug mit seinen Hofflächen und Gartenkabinetten. Die Grundrisse sind hier, auf Grund der Westausrichtung zur Straße durchgesteckt. Wohnräume zur Straße erhalten Doppelfenster oder werden über Wintergärten belichtet und belüftet. Zum Garten öffnen sich die Wohnungen mit großzügigen Loggien. Im Schutz der Winkel bilden 4-geschossige Solitäre mit großen Balkonen den Außenraum für Gartenkabinette.

Baufeld D – Frei stehende Solitäre und historische Schlachthalle als „Quartierstreff“

Die Solitäre (3-geschossig) der inneren Bebauung bilden mit der historischen Schlachthalle als Quartierstreff räumlich einzelne „Gärten“. Sie werden zu Fuß und per Fahrrad vom inneren Ring aus erschlossen. Die Dächer der Solitäre bieten halböffentliche oder private Dachgärten. Teile können den darunter liegenden Wohnungen als Maisonette zugeordnet werden. Vom Blockrand öffnet sich der Blick auf die Dachterrassen und intensiv begrünten Dächer der inneren Bebauung.

In den Erdgeschossen können kleine Einheiten als Gästewohnung oder Büroeinheit genutzt werden. Hier wäre auch Raum für einen Pflegedienst oder eine Car-Sharing-Zentrale denkbar. Es ist aber auch möglich diese den jeweils benachbarten Wohnungen als Flexräume anzugliedern (z.B. für pflegebedürftige Familienangehörige oder Teenager als eigener Bereich).

3.0 Nachhaltigkeit – Klimaschutz - Regenwassermanagement

Die Gartenkabinette und privat nutzbarenTerrassengärten mit Abgrenzungen durch Buchen-, Feldahorn- und Hainbuchenhecken bilden ruhige Rückzugsräume in „Johannas Gärten“.

Das Zentrum von „Johannas Gärten“ wird von einer Muldenrigole gerahmt, die die Oberflächenentwässerung von den Dachflächen und befestigten Wegen und Plätzen aufnimmt. Dieses temporäre Wasserband ist zum einen gestalterisches Gartenelement und zum anderen Beitrag für ein dezentrales Regenwassermanagement. Das anfallende Regenwasser wird in den Mulden und Rigolen dezentral zurück gehalten und wenn möglich versickert oder gedrosselt abgeleitet. Am Platz vor der Schlachthalle und am südöstlichen Platz wird aus der Muldenrigole jeweils ein langgestrecktes Brunnenbecken zur Belebung dieser gemeinschaftlichen Freiräume.

Sandfarbene Fassaden aus mehrschaligem Verblendmauerwerk und eingefärbtem Sichtbeton sowie eine tragende Konstruktion aus KS-Mauerwerk mit Stahlbetondecken sind durch ihre natürlichen, wartungsarmen und alterungsfähigen Materialien mit geringen Lebenszykluskosten zeitgemäß. Wandelbare Grundrisse mit zuschaltbaren Räumen sichern langfristige Attraktivität in allen Lebensphasen der Bewohner. Bodentiefe Fenster als Holzfenster mit Aluminium-Deckschale und Markisoletten bilden den Bezug zu den Gärten und gewährleisten den sommerlichen Wärmeschutz.


Das neue Wohnquartier „Johannas Gärten“ steht in der Tradition der Gartenstadt. Das städtebaulich-freiraumplanerische Konzept übersetzt die städtebauliche Grundstruktur des bestehenden Hanseviertels und der äußeren Oststadt in ein zeitgemäßes, durchgrüntes und nachhaltiges Wohnviertel für Erfurt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die räumliche Qualität der Gesamtanlage entsteht in der konsequenten Antwort auf die Bedingungen des Grundstücks, mit einem ausdifferenzierten Angebot an Gebäude- und Freiraumtypologien. Der leicht geschwungene Blockrand nach Osten mit 5 Geschossen wird gut strukturiert durch eingeschobene Bau-körper, die sich zum Innenbereich maßstäblich abtreppen. Die Ausbildung des Blockrands nach Norden mit 4 Geschossen wird durch die großzügig verglasten Treppenhäuser klar gegliedert. Zusammen mit der geeigneten Grundrissanordnung, Nebenräume zur lauten Seite, werden so die Schallschutzanforderun-gen sehr gut bewältigt.
Zur Greifswalder Straße hingegen wird die bauliche Struktur stärker aufgelöst und mit Winkelbauten offe-ner zum Innenbereich gehalten. Die bestehende Villa, am nordwestlichen Eck, ist wie selbstverständlich in die städtebauliche Konfiguration eingefügt und soll mit Büroflächen weiter genutzt werden. Gemeinsam mit einem freigestellten Wohnsolitär, bildet sie den Raum für einen der Baumhaine, die als wiederkehren-des Thema die öffentlichen Plätze im Quartier bilden.
Zum Süden öffnet sich das neue Viertel mit dreigeschossigen Wohnsolitären und der geforderten Durch-wegung zum neuen Schulgebäude und wird hier angemessen durchlässig. Die städtebauliche Struktur wirkt insgesamt angemessen im Verhältnis von Baukörpern und Freiräumen, ist unaufgeregt und intelli-gent angeordnet. Der Zugang über die Wegeachse zur historischen Schlachthalle, eröffnet den Eintritt ins neue Viertel über den identitätsstiftenden denkmalgeschützten Anker, an dem auch ein Wiesenanger als öffentliche Freifläche angeordnet ist.
Die fein und differenziert gesetzte Wegestruktur bildet gelungen die privaten und halböffentlichen Berei-che aus, die immer wieder mit den markanten Baumhainen ergänzt werden.
Gartenkabinette und private Terrassengärten bilden gute Rückzugsräume. Der Innere Bereich (Abschnitt D) wird von eine sichtbaren Muldenrigole gerahmt, die das Oberflächenwasser perfekt aufnehmen kann und somit auch zum gestalterisch wertvollen Gartenelement wird. Extensive Begrünung der Dächer er-gänzen die Gartenthemen und ergeben ein gelungenes Zusammenspiel aus unterschiedlichen Grünstruk-turen.
Die meist durchgesteckten, und dadurch gut belichteten Grundrisse, sind in fast allen Bereichen sehr gut und sinnvoll strukturiert, auch in Bezug auf den Schallschutz. Nur die Übereck-Anordnung der Winkelty-pen an der Greifswalder Straße funktioniert nicht. Hier gibt es Konflikte zwischen den beiden Wohnungen (Schlafzimmer / Loggia), auch beim Brandschutz (Brandüberschlag). In wenigen Bereichen sind Ab-standsflächen zu benachbarten Gebäuden unterschritten worden.
Funktionale Anforderungen, Anzahl der Wohnungen, Wohnungsmix, ruhender Verkehr und Flächenzah-len sind allesamt gut erfüllt.
Die massive Bauweise aus Stein, Beton und Ziegelfassaden ist zwar nicht das Optimum beim Nachhalti-gen Bauen, verspricht aber Langlebigkeit, Wartungsfreiheit und Alterungsfähigkeit. Das sandfarbene, natürliche Fassadenmaterial lässt auch atmosphärisch ein gelungenes Miteinander mit der Durchgrünung erwarten.
Insgesamt ein sehr guter und schlüssiger Beitrag zu der städtebaulichen Aufgabe für ein neues Wohn-quartier.
Übersichtsplan Teilbereiche A/ B/ C

Übersichtsplan Teilbereiche A/ B/ C

Blick von Süden in Johannas Gärten

Blick von Süden in Johannas Gärten

Lageplan

Lageplan

Äußere Erschließung - Innerer Ring

Äußere Erschließung - Innerer Ring

Quartiers-Treff Alte Schlachthalle

Quartiers-Treff Alte Schlachthalle

Greifswalder Straße - Innerer Ring

Greifswalder Straße - Innerer Ring

Innerer Ring

Innerer Ring