modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Nichtoffener Wettbewerb | 11/2020

Neugestaltung des Münsterplatzes in Northeim

1. Preis / Zuschlag

Preisgeld: 11.600 EUR

TGP Landschaftsarchitekten Trüper Gondesen und Partner mbB

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Neugestaltung Münsterplatz in Northeim

Der Münsterplatz als baumbestandener Kirchplatz

In der historischen Altstadt von Northeim bilden der Münsterplatz und der Marktplatz in einem kleinteiligen Gefüge aus Straßen und Gassen die beiden bedeutenden Platzräume. Der Münsterplatz als Teil der Klosteranlage St. Blasien ist Ausgangspunkt für die Gründung der Stadt Northeim. Die historische und denkmalgeschützte Bebauung des Platzes aus dem St. Blasien-Komplex, dem Heimatmuseum und der durchgängigen südlichen Fachwerkbebauung unterstreichen die stadträumliche Bedeutung des Münsterplatzes.

Ein einheitlicher und erlebbarer Kontext zwischen der historischen Fachwerkbebauung und der Platzgestaltung ist heute jedoch nicht mehr gegeben und soll mit dem vorliegenden Entwurf gefunden werden. Der grundlegende Entwurfsansatz sieht daher vor, den Platz und die angrenzenden Straßen wieder in einen gestalterischen und funktionalen Kontext zu der baugeschichtlich bedeutenden Platzarchitektur zu setzen.

Nach zahlreichen von Wandel und Zeitgeist geprägten Platzgestaltungen soll mit dem vorliegenden Entwurf eine Lösung gefunden werden, die die Geschichte des Ortes aufgreift, die denkmalgeschützte Bebauung zur Geltung bringt und einen vielfältig nutzbaren und lebendigen Stadtplatz kreiert.

Der Entwurf geht auf den Ursprung des Ortes zurück und nimmt die ehemalige Münsterkirche als Ausgangspunkt für die neue Platzgestaltung. Der 1487 begonnene, über Jahrhunderte fortgeführte und nie vollendete Kirchenbau wird mit seinem Grundriss aufgegriffen und als Pflasterintarsie auf dem Platz widergespiegelt. Gleich einem innerstädtischen Kirchhof ist der Grundriss der Kirche von Einzelbäumen und Baumgruppen umstanden.

Leitbild des vorliegenden Entwurfs ist der baumbestandene Kirchplatz

Mit der Neuordnung der Bäume geht die Freistellung der denkmalgeschützten Fachwerkfassaden insbesondere des Bürgerhauses und Heimatmuseums einher. Die beiden öffentlichen Gebäude sollen einen wesentlich stärkeren Platzbezug erhalten. Das Vorfeld des Heimatmuseums wird als blühender Vorgarten aufgefasst, zwei Zuwegungen als Treppe und barrierefreie Rampe führen zum tieferliegenden Eingang des Museums.
Für den Zugang des Bürgerhauses wird eine Erweiterung des Eingangsbalkons vorgeschlagen. Den Zugang vom Münsterplatz bildet eine leicht anziehende Platzfläche, während Schleppstufen den Höhenunterschied zur Passage lösen.

Nach der Leitidee des baumbestandenen Kirchplatzes folgt die weitere Neugestaltung des Münsterplatzes der geforderten Funktionalität, dem berechtigten Wunsch nach einer hohen Aufenthaltsqualität und einem attraktiven und lebendigem Stadterleben. Der Entwurf berücksichtigt dementsprechend die Belange des Wochenmarkts, der Stadtfeste und versucht gleichermaßen für junge und alte Menschen, für Bewohner und Gäste atmosphärische Aufenthaltsorte beim Stadtbummel, im Café, auf Bänken unter Bäumen und an einem großen Wasserspiel auf dem Münsterplatz zu schaffen.

Mit dieser eigenen Identität ist der Münsterplatz westliches Entree und Kristallisationspunkt für die Altstadt Northeims. Der Platz leitet selbstverständlich in die angrenzenden Stadträume wie der Straße am Münster, der Passage und zum Kreishaus und zur Stadthalle über. Die Verbindung zur Stadthalle wird durch eine Reihe aus kleinkronigen Bäumen und ein großzügiges Hochbeet mit Sitzgelegenheiten aufgewertet.

Ein verbindendes Pflasterbild für die Altstadt von Northeim
Der Entwurf stellt einen einfachen Materialkanon für die Straßen und Plätze der Altstadt auf. Eine einheitliche Pflasterung aus sandfarbenem Granit- Großpflaster bildet für alle Gassen, Straßen und Plätze einen homogenen Teppich. Über Steinformate und Pflasterverbände werden die unterschiedlichen Straßen- und Platzräume herausgearbeitet.

Die Straßenräume sind nach dem klassischen europäischen Straßenprofil aufgebaut. Die beidseitigen Gehwege erhalten großformatige Granitsteine von 36cm im Reihenverband und die inneren Lauf- und temporären Fahrflächen ein Reihenpflaster aus kleinformatigen Granitsteinen von 18cm. Zu den Gebäuden hin schließen die Straßenräume mit einer gleichfarbigen Traufe aus Granit-Mosaikpflaster ab. Die Hauseingänge erhalten eine großformatige Platte als Antritt. In den Straßenraum und die Gassen fügen sich in den beschriebenen Pflasterteppich straßenbegleitende Entwässerungsrinnen aus 30cm breiten Muldensteinen ein.

Der Münsterplatz setzt sich von den Straßenräumen über einen Passé-Verband aus sechs unterschiedlichen Formaten von 12 bis 36cm ab. Der Passé-Verband als richtungsloser Pflasterteppich von Gebäudekante zu Gebäudekante bildet eine einheitliche Platzfläche für den Münsterplatz. Der Kirchengrundriss zeichnet sich als dunklere Pflasterintarsie aus regionaltypischer Grauwacke gegenüber der Platzfläche ab.

Eine einheitliche und fein differenzierte Pflasterung wird die historischen Gebäude und städtischen Freiräume wieder zu einem erlebbaren Gesamtbild zusammenführen.


Einzelbäume und Baumgruppen rahmen den Kirchengrundriss
Die Baumpflanzungen werden als Zeitschichten in der Historie der Altstadt und insbesondere des Münsterplatzes aufgefasst und respektiert. Der vorliegende Entwurf wählt einen differenzierten Umgang mit den Bestandsbäumen. Insbesondere die Baumreihen aus den 1990er Jahren werden in Frage gestellt, da sie einen inneren dichten Platzrahmen bilden, der die eigentlichen Platzkanten verstellt und ihnen ihre stadträumliche Wirkung nimmt. Der Entwurf löst diese als überflüssig empfundenen Baumreihen auf. Ein Großteil der Bäume wird erhalten und bildet mit Neupflanzungen aus Sophora japonica (Schnurbäumen) frei angeordnete Baumgruppen.

Bestehende Solitärbäume und neue Baumgruppen formulieren einen offenen transparenten Platz mit direkten Bezügen zu der rahmenden Bebauung. Die eigentlichen Platzkanten mit ihren wertvollen Fassadenabwicklungen sind wieder erlebbar.

Dieser Ansatz entspricht der historischen Entwicklung des Platzes und ist Ausdruck einer zeitgemäßen ökologischen und Stadtklima gerechten Planung. Die neuen Baumgruppen erhalten große zusammenhängende Substratbereiche und als Umfeld eine durchlässige wassergebundene Wegedecke. Das Oberflächenwasser des Platzes wird zu großen Teilen zu den Bauminseln geführt und dort von den Bäumen aufgenommen.
¬
Im Umgang mit den Bäumen sucht der Entwurf einen verbindenden Ansatz aus zeitgeschichtlichen, gestalterischen und ökologischen Aspekten.


Der Münsterplatz als Kristallisationspunkt der Altstadt
Auf der homogen gestalteten Platzfläche mit seiner Dynamik aus Laufwegen, Aktivitäten und Veranstaltungen bilden die neugruppierten Bäume gleich Inseln die Ruhepole auf dem Münsterplatz. Ein Materialwechsel von Stein zu wasserdurchlässiger Sandfläche hebt die Bereiche hervor und ihre Form wird von geschwungenen Rundbänken nachgezeichnet. Die Bänke mit oder ohne Lehne und Spielelemente für die Kinder werden von den Linden und Schnurbäumen beschattet. Sie bieten Ausblick auf das dynamische Platzleben, insbesondere auf das zentrale Wasserspiel vor dem Hintergrund der historischen Fassaden des südlichen Platzrandes, des Gebäudekomplexes St. Blasien und des Heimatmuseums.

Der Brunnen sieht einzelne große Wasserfontänen im Wechsel mit kleineren Fontänen vor. Mit interaktiven Stopp- und Aktivierungsfeldern lassen sich immer neue Wasserbilder kreieren. In den Abendstunden sind die Wasserbögen stimmungsvoll illuminiert. Für Kinder ist das Wasserspiel in den warmen Sommermonaten ein aufregender Spielbereich. Die 8m große und kreisrunde Pflasterintarsie für die Düsen und Rinne ist bodeneben und überfahrbar.

Das illuminierte Wasserspiel und das Raster aus Lichtpunkten im Kirchengrundriss bilden in den Abendstunden einen herausragenden Akzent im Stadtraum. Die historischen Fassaden werden ausgeleuchtet und rahmen den Platz stimmungsvoll. Die Ausleuchtung des Münsterplatzes erfolgt über fünf freistehende Platzleuchten und stringent an den Platzrändern angeordnete Mastleuchten.

Die offene und großzügige Platzfläche spiegelt die Dynamik des Stadtlebens wider. Der Münsterplatz ist der Kristallisationspunkt der Stadt Northeim. Hier finden regelmäßig der Wochenmarkt und die jährlichen Oster- und Weihnachtsmärkte sowie ein Zirkus statt. Mit dem Hintergrund der historischen Stadtkulisse werden Veranstaltungen und Märkte zu unvergleichlichen Erlebnissen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf überrascht mit der Aussage, die vorhandenen Baumreihen, die als Platzkante dienten, aufzulösen. In der perspektivischen Darstellung wird sehr deutlich, dass der Platz mit den neuen Baumstandorten und den dort positionierten Bänken eine sehr hohe Aufenthaltsqualität erhält. Die Besucher werden von allen Seiten auf den Platz gezogen und finden eine Vielzahl von Zielpunkten (u. a. Wasserspiel, welches sich unterschiedlich steuern und illuminieren lässt) und Sichtachsen vor.
Der Platz ist gut nutzbar, im Alltag wie für Veranstaltungen mit besonderen Ansprüchen. Hier insbe-sondere auch unter dem Aspekt der unterschiedlichen Altersgruppen. Er regt zum Treffen, Verweilen und Spielen ein und ermöglicht eine sehr gute, hindernisfreie Durchquerung.
Der Bereich vor dem Museum weist formale Schwächen auf. Die Rampe ist in falscher Richtung dar-gestellt und in der Lage kritisch zu betrachten. Die Mastleuchten sollten ggf. eher in die Baumschei-ben verschoben werden, um die Nutzbarkeit der Zwischenräume zu optimieren.
Den Straßenquerschnitt „Am Münster“ belässt der Verfasser nahezu wie im Bestand, zieht jedoch das Pflastermaterial des Platzes bis zur Bebauungskante durch und vereint so die unterschiedlichen Frei-räume miteinander.
Das Material der Oberfläche, ein sandfarbener Naturstein als Pflasterbelag, erscheint angemessen und vermittelt eine freundliche Atmosphäre. Der Abdruck der ehemaligen Kirche „Münster“ durch leicht dunkleres Pflaster, welches am Rand ohne klare Kante verläuft, wird unter dem Aspekt, dass die Kirche nie ganz fertig gestellt wurde, als sehr positiv bewertet. Hier entsteht ein subtiler Schat-tenwurf der Vergangenheit.
Die Anbindung an den Bestand wird überwiegend positiv bewertet. Hier insbesondere der Übergang zu den dargestellten Pflasterbelägen im weiteren Verlauf der Straße „Am Münster“ und zum City Center (Betrachtungsbereich).
Die Formgebung der Grünflächen zum Museum erschließt sich jedoch nicht, ebenso wie die Führung der Rampe.
Der Baumstandort beim ehemaligen Bürgerbüro darf nicht weiterentwickelt werden, da er eine his-torische Fassade zustellt.
Das Pflastermaterial ist im Kontext der Umgebung angemessen, der Entwurf in diesem Zusammen-hang wirtschaftlich, aber vor dem Hintergrund des gegebenen Finanzrahmens zu prüfen.