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Offener Wettbewerb | 11/2020

Landtagserweiterung NRW und Freiraumplanung des angrenzenden Bürgerparks in Düsseldorf

1. Preis / REALISIERUNGSTEIL

Schulz und Schulz

Architektur

r+b landschaft s architektur

Landschaftsarchitektur

Beckh Vorhammer

Tragwerksplanung

Transsolar Energietechnik GmbH

sonstige Fachplanung

Technische Universität Dresden_Institut für Hydrologie und Meteorologie

sonstige Fachplanung

LINDENKREUZ EGGERT | Bildermacherei & Utopografie

Visualisierung

Erläuterungstext

Entwurfsleitende Idee:
Stadt, Bürgerpark und Rhein kommen zusammen an diesem besonderen Ort. Er ist geprägt von den vorhandenen Einzelarchitekturen, insbesondere aber von der Weite und dem Grün des Parks. Die Erweiterung des Landtags soll daher nicht den Park verdrängen, sondern das Grün soll stärker mit der Stadt verschmelzen. Gebautes und Grün verbinden sich zu einer "Architektur-Landschaft".

Originalität und Gestalterische Qualität:
Der entwurfsleitenden Idee der "Architektur-Landschaft" folgend basiert die Erweiterung des Landtags auf einem Ordnungsprinzip, in dem Teile eigenständig Gestalt gewinnen können, das im Ganzen aber eher Landschaft ist als Gebautes, in dem Park und Gebautes vereint sind. Da es um die Erweiterung des Landtags am Fuße des Rheinturms geht, liegt es nahe, die Formensprache beider Gebäude aufzugreifen: So gruppieren sich aufgeständerte Zylinder im Bürgerpark, dessen Grün zwischen und unter ihnen hindurchfließt und die einen großzügigen Eingangsvorplatz rahmen. Die geschichteten Glasfassaden verweben Architektur und Grün und bieten reizvolle wechselseitige Blickbeziehungen.

Funktionalität und Nutzungsqualität:
Die kreisförmige Grundrissorganisation greift die Eigenheiten des Landtagsgebäudes auf. Die kompakte Ringerschließung ist zum großen Teil einbündig organisiert, was den Kommunikationszonen hohe Aufenthaltsqualität beschert. Der Zugang aus dem Bürgerpark erfolgt über den größten der vier Zylinder, dort sind auch die öffentlichen Bereiche konzentriert. Die Verbindung der Zylinder untereinander und zum Landtag ist auf dessen Ebene 3 organisiert, der Plenarsaalebene. Lufträume und Freitreppen binden die Sitzungsräume und den Eingang der Erweiterung an die Verteilerebene an. Alle Gebäudeteile sind barrierefrei erschlossen.

Nutzerkomfort und -behaglichkeit:
Die geringen Tiefen der Raumspangen erlauben in Verbindung mit den transparenten Fassaden die optimale Versorgung der Räume mit Tageslicht. Die Deckenauskragungen bilden einen Sonnenschutz bei hochstehender Sonne. Ein beweglicher, außenliegender Sonnenschutz mit Tageslichtlenkung im Oberlichtbereich, sowie exponierte Betondecken mit Bauteilaktivierung sorgen für ein ausgewogenes Raumklima zu allen Jahreszeiten. Büros und Besprechungsräume können natürlich belüftet werden, dem Wunsch nach mechanischer Belüftung kann durch fassadenintegrierte, dezentrale Lüftungsgeräte mit Wärmerückgewinnung im Doppelboden Rechnung getragen werden. Diese ermöglicht einen bedarfsgerechten Betrieb der Lüftung. Schallabsorber in den Schränken und ein weicher Bodenbelag minimiert die erf. Absorberfläche an der Decke. Die größeren Veranstaltungs- und Sitzungsbereiche erhalten dezentrale Klimatisierungen. Die technische Ausrüstung der Landtagswerweiterung erfolgt nach dem Low-Tech-Prinzip. Der bauliche Schallschutz wird durch entsprechende Bauteilqualitäten erfüllt.

Wirtschaftlichkeit:
Die kompakte Zylinderform der Gebäude erzeugt eine bereits geometrisch bedingte hohe Flächeneffizienz wie auch ein günstiges A/V-Verhältnis. Die Vorgaben für Nutz- und Bruttogrundfläche werden erfüllt, sodass sich die gebotene Wirtschaftlichkeit in Errichtung und Betrieb erreichen lässt. Die Konzeption als Skelettbauten mit nichttragenden Trennwänden und Fassadenanschlüssen im engen Ausbauraster erlaubt eine hohe Wandelbarkeit und Umnutzungsfähigkeit. Das Low-Tech-Prinzip der technischen Ausrüstung sorgt für geringe Betriebskosten.

Energie und Ressourcen:
Dem Low-Tech-Prinzip folgend haben einfache bauliche Lösungen Vorrang vor dem Einsatz komplexer technischer Anlagen. Notwendige Wärme-, Kälte- und elektrische Energie soll zu großen Teilen regenerativ und eigenerzeugt werden. Für ein Erdwärmepumpensystem zum Heizen und Kühlen kann dabei die Nähe zum Rhein genutzt werden (Uferfiltrat-Gewinnung). Zur Maximierung der regenerativen Stromerzeugung sind die Fassaden bzw. Auskragungen mit Photovoltaik belegt und bilden gleichzeitig einen feststehenden Sonnenschutz. Die Position der Photovoltaik-Anlagen an den Fassaden wird aus der Geometrie des Entwurfs entwickelt, indem sie nach Süden auf den weiten Deckauskragungen angeordnet und nach Osten und Westen in die Brüstungsfelder integriert werden (siehe Piktogramm). Die Baustoffwahl orientiert sich am Cradle-to-Cradle-Prinzip, dabei wird vorrangig auf den Einsatz von Holz als nachwachsendem Rohstoff fokussiert. Die Dächer erhalten intensive Begrünungen mit Gräsern, Sedum, Sträuchern und Kleinbäumen, die auch in der Weitsicht und in der Dachaufsicht vom Rheinturm aus das Bild der "Architektur-Landschaft" vermitteln.

Einbindung des Gebäudes in den landschaftsarchitektonischen Kontext und Stärkung des Stadtgrüns:
Unter Berücksichtigung der bestehenden stadt- und landschaftstypologischen Strukturen wird das neue Gebäudeensemble integraler Bestandteil des Rhein- und Bürgerparks. Die Freiflächen diffundieren unter den Gebäuden hindurch und verbinden Stadt- und Landschaftsraum. Urbanität trifft auf "Natur". Durchgängige Grünstrukturen verbinden eine Abfolge von Plätzen unterschiedlicher Charaktere: Hafenterrassen, Rheinturm Bellevue, "Neues Forum", Platz des Landtages, Apollo und Caritas Platz, Johannes-Rau-Platz.
Durch die landschaftliche und topografische Überformung des Rheinturmareals wird die Kontinuität der angrenzenden Freiräume gestärkt. Die Höhensituation am Rheinturm nutzend überspannt eine begrünte Retentionsdachkonstruktion das Areal. Unliebsame Barrieren und Lagerflächen verschwinden aus den Sicht- und Bewegungsfeldern der Passanten, ohne die erforderlichen Funktionalitäten (Anlieferung, Fluchtwege, barrierefreie Erschließung) einzuschränken. Ein neuer Erlebnisraum - "Rheinturm Bellevue" - entsteht und verknüpft das Rheinufer mit dem "Neuen Forum" sowie den angrenzenden Parkflächen.

Funktionalität und gestalterische landschaftsarchitektonische Qualität der äußeren Erschließung:
Das Radwegenetz wird integraler Bestandteil der Freianlagen und führt unter den Neubauten hindurch. Sowohl die angrenzenden Stadträume wie auch die überregionalen Radrouten werden miteinander verknüpft. MIV und ÖPNV werden weitgehend aus der Parklandschaft herausgehalten. Erforderliche Verkehre (Vorfahrt Landtag, Anbindung Tiefgargage Landtag, Andienung Rheinturm) werden gezielt geführt und integraler Bestandteil des Shared-Space-Prinzips des Landtagsvorplatzes "Neues Forum" (Ausbildung der Verkehrsflächen in Form eines verkehrsberuhigten Geschäftsbereiches mit max. Tempo 20 km/h). Darüber hinausgehender Verkehr wird herausgehalten. Die zukünftige Tiefgarage wird über eine Gemeinschaftszufahrt am WDR erschlossen und gewährt somit das Heraushalten übermäßiger Verkehre im Parkraum.

Erarbeitung eines innovativen Verkehrs- und Mobilitätskonzeptes:
Weiterentwicklung des Fuß- und Radwegenetze innerhalb des Parkraums unter Berücksichtigung geeigneter Wegequerschnitte und der barrierefreien Erschließung. Umsetzung des Shared-Space-Prinzips (Tempo 20) zur Sicherung von Querungsstellen auf Platzbereichen. Vorhalten von Carsharing-Plätzen innerhalb der Tiefgaragen. Anbindung des ÖPNV an den Parkraum/"Neues Forum". Ausbau des Fahradleitsystems mit Hotspots und Integration von E-Ladestationen innerhalb der Platzabfolgen für z.B. E-Räder. Fahrradabstellanlagen positionieren sich witterungsgeschützt in Nähe der Haupteingänge der Landtagserweiterung.

Sicherung der stadtklimatisch wichtigen Durchlüftung durch entsprechende Gebäudestruktur, Begrünung von Dach-/Fassadenflächen:
Das stadtklimatische Potential der weitläufigen Grün- und Freiflächen wird durch die aufgeständerte und punktuell gesetzte runde Gebäudestruktur aufrechterhalten, für die Lee-seitigen Stadtbereiche wichtige Kalt- und Frischluftschneise werden gesichert (siehe Piktogramm). Die Durchgrünung des "Neuen Forum" durch vegetative Inseln sowie die vorgesehene Dachbegrünung mittels Retentionsdach ermöglicht neben klimatischen Aspekten auch die Umsetzung eines nachhaltigen Regenwassermanagements.
Gezieltes Auslichten und Ergänzen des Gehölzbestandes schafft neben vielfältigen räumlichen Situationen eine ungehinderte Luftdurchströmung. Eine gewisse Porosität der Bebauung im Erdgeschoss ermöglicht - an heißen Sommertagen - einen Frischluftstrom vom Rhein. Die Überbauung und Begrünung des Rheinturmareals mit dem "Rheinturm Bellevue" optimiert die stadtklimatischen Rahmenbedingungen.

Zusammenfassung:
Architektur und Landschaft bilden eine Einheit, indem Gebäude und Park zur Architektur-Landschaft verschmelzen. Stadt- und landschaftstypologische Besonderheiten werden zusammengeführt. Die vorhandenen Strukturen werden respektiert und zu einem neuen, eigenständigen Gesamtensemble weiterentwickelt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit überzeugt durch eine klar ablesbare Idee, welche die additive Morphologie des bestehenden Landtagsgebäudes in eigener Weise fortsetzt. Gleich einer Kette reihen sich kreisförmige Baukörper aneinander. Um den Kontakt vom Bürgerpark zum Rhein herzustellen, sind drei der vier Baukörper aufgeständert bzw. kragen ab dem 2. Obergeschoss aus. Durch die Reihung und das Aufständern der Baukörper wird der Bilker Park mit dem Rheinuferpark intensiv verknüpft. Dies wird dadurch unterstützt, dass der Autoverkehr zur Tiefgarage des Landtags früh unterirdisch abgeführt wird und die Zufahrt ihre Barrierewirkung verliert. Auch der Rheinturm wird Teil des Ensembles und erfährt eine vorteilhafte Einbindung. Die Freiraumstruktur ermöglicht so insgesamt eine sehr gute Nutzungsqualität, wenn auch die Chance auf eine Neuordnung des Außenraums an anderen Stellen vertan scheint.
Die Glaubwürdigkeit der weiten Auskragung ohne Stützen ist durch ein konstruktives Schema nachgewiesen. Dass das Anheben der Baumassen allerdings auch die Kosten erhöhen könnte, steht zu vermuten. Insbesondere der kleinste in seiner Bedeutung für die Durchlässigkeit aber besonders wichtige Baukörper kennzeichnet ein ungünstiges A/V-Verhältnis.
Positiv wird gewertet, dass durch die Aufständerung der Gebäudeteile der Erhalt des Freiraums ermöglicht wird. Bei der räumlichen Ausarbeitung des unter dem Gebäude liegenden Freiraums ist noch unklar, wie dieser Freiraum eine dem Landtag entsprechende Raum- und Gestaltqualität annehmen kann, vor allem jene Ecken, die sich aus den konstruktiven Notwendigkeiten ergeben. Die kritischen Aspekte und offenen Fragen wurden von der Jury kontrovers diskutiert, die bestehenden Konflikte jedoch als lösbar eingeschätzt.
Funktional kann der Entwurf sehr überzeugen. Die Verbindung aller Baukörper sowie zum Bestandsgebäude wird im 3. Obergeschoss hergestellt und damit ausgezeichnet an die Ebene des Plenarsaals mit Wandelhalle und an die Fraktionsbereiche angebunden. Die inneren Wege sind aufgrund der Einbindung in das ringförmige Erschließungssystem zwar lang, doch kommt das Konzept ohne längere monofunktionale Korridore aus. Hinsichtlich der äußeren Erschließung ist der Eingang im größten Baukörper an der richtigen Stelle mit unmittelbarem Zugang zu einem der großen Säle verortet.
Das Raum- und Funktionsprogramm ist weitestgehend erfüllt, auch wenn die Flächen für Veranstaltungen und Sitzungen teilweise etwas zu gering angesetzt und dafür an anderer Stelle zusätzliche Nebenflächen vorgesehen sind. Auch qualitativ kann die Umsetzung des Raumprogramms in den Grundrissen überzeugen.
Aus der Perspektive der Nachhaltigkeit bietet der Entwurf vielversprechende Ansätze. Er kombiniert eine Begrünung auf dem Dach mit einer Teilsolarisierung der Fassaden. Der Einsatz des Materials Holz kommt dem ökologischen Anspruch ebenfalls nach. Die bodennahe Kaltluft kann durch die Aufständerung nahezu ungehindert fließen.
Die Arbeit ist konstruktiv gut durchdacht und berücksichtigt viele Prinzipien des energieoptimierten und nachhaltigen Bauens. Die vorteilhaften Aufenthalts- und Arbeitsplatzbedingungen in den Büros sind durch die angemessenen Fensterflächenanteile und durch das effiziente Sonnenschutzkonzept und die Nachtluftkühlung sichergestellt. Die Tageslichtversorgung ist jedoch im Bereich des zurückgesetzten Erdgeschosses oder einiger innenliegender Flure nicht durchgängig optimal. Die umlaufende Fassadenauskragung ist entsprechend des Sonnenverlaufs ausgeformt und auch die gestalterisch integrierte Photovoltaik reagiert differenziert auf die unterschiedlichen Himmelsrichtungen. Infolgedessen gelingt der Arbeit die größtmögliche Energie-Eigenversorgung bei einer geringen CO2-Bilanz und zudem geringen Betriebskosten.
Insgesamt handelt es sich bei diesem Entwurf um einen konsequent durchgearbeiteten, attraktiven Vorschlag für die Erweiterung des Landtagsgebäudes. Dabei gelingt es den Verfassern, ein Ensemble zu entwerfen, das unzweifelhaft zum Landtag gehört, ohne zum Hauptgebäude in Konkurrenz zu treten.
"Neues Forum" am Landtag

"Neues Forum" am Landtag

Bürgerpark und Landtag

Bürgerpark und Landtag

Lageplan Landtag und Bürgerpark

Lageplan Landtag und Bürgerpark

"Neues Forum"

"Neues Forum"

"Architektur-Landschaft"

"Architektur-Landschaft"