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Einladungswettbewerb | 11/2020

Entwicklung des Kreuzerareals in Bad Wörishofen

Blick von der Fidel-Kreuzer-Strasse

Blick von der Fidel-Kreuzer-Strasse

1. Preis

Preisgeld: 30.000 EUR

Beer Bembé Dellinger Architekten und Stadtplaner

Architektur

Simon Schmitt Architekten

Visualisierung

Bergmeister

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Architektur

Das Spezifische des Kurortes Bad Wörishofen zeigt sich uns vor allem in den öffentlichen Straßenräumen, vor allem dort, wo große Aufenthaltsqualitäten für die Bewohner anzutreffen sind und in der prägenden Durchgrünung der Kurstadt mit unterschiedlichen Parkanlagen, ob nun dem Stadtpark am Gärtnerweg, dem großen Kurpark oder dem Kurpark um das Kurhaus. Beide Qualitäten, die vielen Parkanlagen zum Verweilen und die Straßenräume zum Flanieren, begründen das Unvergleichliche von Bad Wörishofen und machen den Ort an dieser Stelle aus. Dieses Stadtbauvokabular greift unser Entwurf auf.

Zwei somit unterschiedliche Freiräume werden so auf dem Grundstück platziert: der ruhige Garten mit dem mächtigen Baumbestand und eine neue Gasse zwischen Fidel-Kreuzer-Straße und Kneippstraße, welche das bisherig hermetische Quartier bricht und den südlich bestehenden Ostwestverbindungen eine weitere hinzufügt. Der Logik der unterschiedlichen Freiräume folgend reagiert unser Entwurf auch mit unterschiedlichen Gebäudehüllen, ob nun zum Wohnpark oder zum Straßenraum.

Vorbilder sind hier für uns die Architekturen der Kurorte aus dem Ende des 19. Jahrhunderts: zum Garten die große Verandenarchitektur analog zum Beispiel der Schatzalp in Davos und zu den Straßenräumen eine fein ausgearbeitete städtischere Architekturhaltung, welche an das Vokabular der Gründerzeitarchitekturen der Nachbarschaft anknüpft und einen Dialog damit eingeht.

Jeweils zu dem empfindlichem städtebaulichen Umfeld der beiden öffentlichen Straßenräumen der Kneippstraße bzw. der Fidel-Kreuzer-Straße bekommen die Holzbauten einen Anzug aus lindgrünem und gesäuertem Werkstein und ein Walmdach, welches nur notwendige Belichtung des Dachgeschosses ausspart. Zur Gasse hin zeigt sich der klar strukturierte Holzbau auch in den Fassaden und schließt das letzte Geschoss mit einem einfachen Staffelgeschoss ab. Entlang der Fidel-Kreuzer-Straße wird dabei die Dreigliedrigkeit des Vorgängerbaues vom Kurhotel Kreuzer aufgenommen und lässt so die atmosphärische Bedeutung für den öffentlichen Raum weiterleben.

Die großen Veranden zum Garten schmiegen sich entlang der Bäume und bauen so eine grüne Oase mitten in der Stadt. Bis auf wenige kleine orientieren sich alle übrigen Wohnungen mit großzügigen Verglasungen in den Garten und zusätzlich zum großen Teil mit den durchgesteckten Wohnräumen und einer zweiten Veranda auch zu den Straßenräumen. So werden immer besonnte Wohnräume möglich, selbst dort, wo der Garten nordseitig der Wohnungen liegt.

Im Erdgeschoss liegen hauptsächlich die öffentlichen Nutzungen, welche zur Belebung der Straßenräume beitragen können: Restaurants oder Cafés an den jeweiligen Ecken zur neuen Gasse unter Einbeziehung dieser für die Außenbewirtung, dazwischen Ladengeschäfte und zur weniger frequentierten Fidel-Kreuzer-Straße Nutzungen aus dem tertiären Gesundheitssektor. In den übrigen Geschossen liegen die Wohnnutzungen, die jeweils von den 3 Straßenräumen aus erschlossen werden. Die Treppenhäuser stecken sich im Erdgeschoss dabei durch vom Straßenraum bis in den Wohngarten und erschließen somit den großzügigen Garten mit Brunnen, Kinderspiel und Sitzplätzen zum informellen Treff der Bewohner. Jeweils an den Eingängen liegen dezentral auch die Fahrrad-, Müll- und Kinderwagenräume.

Entlang der Kneippstraße, welche durch die Lärmbeaufschlagung aus dem Kurgarten zeitweise nachts belastet ist, liegen entweder die weniger schützenswerten Bereiche der Wohnungen wie Küchen oder weniger schützenswerte Büroarbeitsplätze mit der Möglichkeit des Coworkings. Vorstellbar wäre auch, Teile der Büroflächen flexibel an die Wohnungen mitanzubinden. Die Tiefgarage wird über die Fidel-Kreuzer-Straße organisiert.

Das Gebäude selbst ist bis auf die Treppenhauskerne ab Decke über der Tiefgarage als Holzbau vorgesehen, um einerseits die innerhalb des Kurortes notwendige schnelle Bauzeit aufgrund der Möglichkeiten der Vorfertigung zu garantieren, aber auch um einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz zu treffen: im Holz gebundenes Kohlendioxid wird langfristig im Gebäude gespeichert. Zudem sehen wir den Holzbau als neue frische Antwort auf ansonsten ausgetretene Wege im Wohnungsbau. Dies auch und gerade hier, um dem Wunsch nach attraktivem „jungen Wohnraum“ gerecht zu werden.

Tragwerk / Statik

Mitten in der historischen Stadt Bad Wörishofen soll ein bestehendes Baufeld neu erschlossen werden. Das Erdgeschoss beinhaltet großteils gewerblich genutzte Flächen. Entsprechend erforderliche Stellplätzen werden unterirdisch realisiert.

Ab der Decke über UG soll am Kreuzerareal in Bad Wörishofen ein Holzbau entstehen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: es gibt insgesamt 5 regelmäßige Geschosse. Daraus ergeben sich wirtschaftliche und nachhaltige Planungs- und Vorfertigungsprozesse ganz im Sinne einer hohen Termin- und Kostensicherheit.

Um dem Gewerbebau im Erdgeschoss größtmögliche Flexibilität zu bieten, greift man auf eine Skelettbauweise (Stützen mit Unterzügen) zurück. In allen Obergeschossen hingegen, werden die vorhandenen Wandscheiben als optimale Linienlager für die BSB-Holzdecken genutzt. Um möglichst einfach und wirtschaftlich den brandschutztechnischen Anforderungen gerecht zu werden, werden die Erschließungskerne konventionell als Massivbaukerne vorab hochgezogen, entweder als Ortbeton oder ggf. ebenfalls als vorgefertigte Betonhalbfertigteile.

Die Ost- und Westfassade gliedern sich durch eine hinterlüftete Betonfertigteilfassade besonders gut in den Bestand ein. Die am Innenhof anschließenden geschwungenen Balkone sind bauphysikalisch vom Gebäude entkoppelt und werden von sehr schlanken Stahlstützen, welche selbst Teil der Absturzsicherung sind, getragen.

Bei der gewählten Bauweise kann von einem wöchentlichen Baufortschritt im Holzbau von ca. 500m² pro Geschoss und mehr ausgegangen werden. Die innenliegende Hofdecke ist darauf ausgelegt als Zwischenlager bzw. als Vormontageplatz während der Montagezeit genutzt werden zu können, sodass die Kneippstraße als auch die Fidel-Kreuzer Straße für den Fuß- und Straßenverkehr aufrecht erhalten werden kann.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Projekt überzeugt das Preisgericht in erster Linie durch seine klare städtebauliche Haltung. Die Figur des Gebäudekomplexes umschließt in einer sehr konsequenten und zugleich zurückhaltenden Form den bestehenden Hof mit seiner identitätsstiftenden Freiraumqualität. Die Kubatur der Baukörper wird dabei durch Rücksprünge und eine differenzierte Gestaltung des Attikageschosses in den Kontext eingepasst. Dies führt zu einer sinnvollen und nachvollziehbaren Struktur, welche die vorgeschlagene Dichte absolut angemessen erscheinen lässt.

Die im Dialog mit dem Kurhaus angemessene Präsenz des Projekts entlang der Kneippstraße wird ausdrücklich begrüßt. Der in diesem Zusammenhang richtige Bezug auf die klassische Architektur der Kurorte wird positiv gewertet. Es entsteht ein stimmiges Konzept, das die Bäderarchitektur logisch weiterentwickelt und neu interpretiert. Dabei wird außerdem durch die Differenzierung der Fassadentypologien ein sinnstiftender Bezug zum Quartier generiert und eine sensible Integration des Neubaus in den Kontext erreicht. Die Ausformulierung der angedachten Lamellenstruktur im Dachbereich erscheint in diesem Kontext jedoch noch nicht hinlänglich überzeugend.

Der öffentliche Raum erfährt durch die neu geschaffene Gasse zur Fidel-Kreuzer-Straße mit den hier situierten Dienstleistungsflächen und der vorgelagerten Arkade eine deutliche Aufwertung. Die partielle Durchlässigkeit des Erdgeschosses macht eine Teilhabe am gut gestalteten Innenhof möglich, ohne dass dadurch die Nutzungsqualität für die Bewohner beeinträchtigt wird. Bei einer weiteren Ausarbeitung der Freifläche sollte ihre mikroklimatische Bedeutung im Hinblick auf den Versiegelungsgrad und die Bepflanzung eine besondere Berücksichtigung finden.

Die Grundrissgestaltung und Ausrichtung der Gebäude ist von hoher Qualität und lässt eine flexible Gestaltung zu. Dabei wird eine große Vielfalt an Typen vorgeschlagen, die dem Wunsch des Auslobers nach innovativen, jungen Wohnformen entsprechen kann. Ergänzt wird diese Lösung durch eine sehr feine, vorgelagerte Balkonstruktur, die dem Projekt im Hofbereich eine unverwechselbare Identität verleiht. Die Geometrie der durchlaufenden Balkone müsste jedoch bezüglich der Verschattung der dahinterliegenden Räume noch präzisiert werden.

Auch auf konstruktiver Ebene überzeugt der Entwurf durch seine stringente Struktur, die eine wirtschaftlich vertretbare Umsetzung erwarten lässt. Die gebäuderelevanten Kennzahlen des Projekts weisen ebenso überdurchschnittlich gute Werte auf. Insgesamt überzeugt die Arbeit durch den spezifischen, differenzierten Dialog mit dem Kontext und der gekonnten Umsetzung auf gestalterischer Ebene, sodass ein attraktiver Baustein im Sinne eines „Weiterbauens der Stadt“ entstehen kann.
Grünraum Stempel

Grünraum Stempel

Blick in den Innenhof

Blick in den Innenhof

Fassaden

Fassaden

Blick vom Kurhaus

Blick vom Kurhaus