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Mehrfachbeauftragung | 10/2017

Neugestaltung und Sanierung des Innenraumes der Karl-Friedrich-Gedächtniskirche in Karlsruhe

Perspektive

Perspektive

1. Rang / Zur Realisierung empfohlen

architekturbüro ruser + partner mbb

Architektur

Erläuterungstext

Konzept
Seit ihrer Erbauung 1786 war die Karl-Friedrich-Gedächtniskirche immer wieder baulichen Veränderungen unterworfen, um sie den aktuellen Bedürfnissen der Gemeinde anzupassen. In Zukunft soll neben sakralen Nutzungen auch die Gemeindearbeit im Gebäude Platz finden. Ziel ist die Schaffung eines sakralen Raumes und die sinnvolle Integration der geforderten Nutzungen in die historischen Mauern. Bestehende Mängel, wie unbefriedigende Zugänge, mangelhafte Akustik, Orgelstandort, dunkle Raumerscheinung, Altar dunkler Position, ungenutzte Emporen und die Ästhetik der Prinzipalien sollen in diesem Zuge verbessert werden.

Um Akustik, Belichtung und Raumproportion wesentlich zu verbessern, werden die vorhandenen Emporen entfernt. Die Orgel wird im ersten Obergeschoss neu angeordnet. Die drei bestehenden Eingänge bleiben erhalten. Der Zugang von Norden wird durch eine barrierefreie Rampe ertüchtigt.

Der sakrale Raum wird in seiner ursprünglichen Form von 1786 konzipiert. Der Altar liegt im Westen.
Die vier Fenster hinter und neben dem Altar belichten den Bereich. Die vorhandenen Glaskunstfenster erzeugen eine besondere Atmosphäre im Kirchenraum. Außerdem werden weitere historische Elemente in das neue Konzept integriert, die Korbgeflechtsdecke sowie ein Teil der Bänke. Durch das Platzieren von Bänken im vorderen Bereich der Kirche ist jeder Zeit ein Raum für Andacht und Gebet vorhanden. Flexibilität wird durch Bestuhlung im hinteren Bereich geschaffen. Die sakrale Atmosphäre bleibt bei jeder Form des Gottesdienstes erhalten.

In den Turmanbauten werden Sakristei und Kirchenkaffee platziert. Die Sakristei ist neben dem Altarraum angeordnet. Das Kirchenkaffee kann sich dem Wunsch der Gemeinde entsprechend zum Lindenplatz öffnen. Im Kirchenraum besteht am Osteingang die Möglichkeit eine Pinnwand mit Bildern von Täuflingen und Konfirmanden anzubringen um diese der Gemeinde vorzustellen. Über Sakristei und Kirchenkaffee befindet sich im Obergeschoss die Orgel.

Das Gemeindezentrum wird in den zweigeschossigen nördlichen Anbau von 1903 integriert. Um Barrierefreiheit im ganzen Gebäude zu gewährleisten, wird die Decke über dem Keller auf das Kirchenbodenniveau abgesenkt. Im Erdgeschoss liegt der große Gemeindesaal mit Küche und Erschließungskern. Mobile Lamellenwände ermöglichen das Zuschalten an Festtagsgottesdiensten. Im Obergeschoss sind weitere Räume für die Gemeindenutzung untergebracht. Kleiner Gemeindesaal und Gruppenraum sind durch eine Faltwand getrennt und können gekoppelt werden. Die Räume im Obergeschoss sind ebenfalls über Lamellenöffnungen vom Kirchenraum getrennt bzw. zuschaltbar. Im Untergeschoss befinden sich Lager und Toiletten. Durch einen Plattformlift sind alle Geschosse barrierefrei erreichbar.

Architektonische Elemente
Alle neuen Einbauten, wie Sakristei, Kirchenkaffee und Küche mit Erschließungskern werden als eingestellte Holzelemente vorgeschlagen. Sie bilden einen klaren Kontrast zu den historischen Außenwänden. Die Abtrennung von Gemeindezentrum, Sakristei und Kirchenkaffee erfolgt über transluzente Lamellenwände. Unterschiedliche Winkel der Lamellen gewähren je nach Blickwinkel gezielte Einblicke oder Abgrenzung in die dahinterliegenden Räume. Wo eine akustische bzw. thermische Trennung notwendig ist, liegt hinter den Lamellen eine Glasfassade. Bei der Orgel entfällt diese. Zusätzlich sind die Lamellen hier im 90° Winkel angebracht, so dass die Akustik ungehindert das Kirchenschiff erreichen kann. Desweiteren fungieren die Lamellenwände als moderne Interpretation der bisherigen Verkleidung der Orgel. Durch die Neudefinition der Raumfunktionen in den Obergeschossen entstehen programmatische und visuelle ablesbare Bezüge im Kirchenraum.

Materialien
Um den Kirchenraum hell und freundlich zu gestalten, werden nicht nur die Emporen entfernt, sondern auch die historische Korbgeflechtsdecke weiß lasiert. Zudem werden alle neuen Einbauten in weiß lasiertem Lärchenholz ausgeführt. Der bestehende Natursteinboden aus Solnhofener Platten bleibt erhalten und wird ergänzt. Der Altarraum wird um eine Stufe erhöht. In der Stufe kann eine Fußbodenheizung eingebaut werden. Das entspricht dem Wunsch der Gemeinde, sich bei den Taizé-Andachten auf einem warmen Fußboden mit Kniehockern versammeln zu können. Die Prinzipalien werden als schlichte lasierte Holzkuben ausgeführt. Der vorhandene Taufstein wird übernommen und erhält einen Holzsockel.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser dieser Arbeit setzen sich bei ihrem Vorschlag intensiv mit den verschiedenen Bauepochen der Karl-Friedrich-Gedächtnis-Kirche auseinander. Sie begreifen ihren Entwurf ganz bewusst in der Tradition früherer Eingriffe als erneute Anpassung des Raumes an liturgische Bedürfnisse.

Die zwei Teilaufgaben der Aufgabe (Kirche und Gemeinderäume) finden dabei in zwei unterschiedlichen Bauepochen ihren Platz. Der sakrale Raum wird im älteren Teil des Gebäu-des, dem ursprünglichen Bau von 1786 angeordnet, die Gemeinderäume in der Erweiterung von 1903.

Diesem Ansatz folgend, werden im Sakralraum alle Einbauten des Wiederaufbaus entfernt. Es entsteht ein heller, großzügiger neuer Kirchenraum, der durch den Solnhofener Platten-belag, hell lasierter Decke und Holzeinbauten eine würdevolle Atmosphäre erhält. Die Haupterschließung des Kirchenräume erfolgt vermutlich über den Turmzugang. Eine richtige Entscheidung, die allerdings durch eine barrierefreien Zugang vom Lindenplatz unterstrichen hätte werden müssen.

Sakristei und Küche sind dem sakralen Raum logisch zugeordnet. Eine Minitoilette in der Küche ist für Notfälle angeboten. Die Mischung aus übernommenen Kirchenbänken und Stühlen weiß zu überzeugen. Im hinteren Bereich des Kirchenraums entsteht dadurch flexibler Raum für Gebetsanliegen, Kirchenkaffee, Kerzenständer, Ausstellungen etc.

Über der Sakristei und der Küche ist die Orgel angeordnet. Diese ruhige und aufgeräumte Aufstellung wird erkauft mit der Herausnahme eines Teils der ehemaligen Außenfassade des ersten Kirchenbaus. Auch ist der Spieltisch hinsichtlich der Kommunikation mit dem Altarbereich nicht ideal platziert. Kontrovers diskutiert die Jury den hohen Tageslichteinfall hinter und über dem Altarbereich.

Der Teil der Gemeinderäume wird barrierefrei von der Nordseite begangen. Auch hier kommen Foyer, zweite Küche gut im Erdgeschoss zu liegen. Die Toiletten werden im Unter- und Obergeschoss angeordnet. Beide Gemeinderäume können auf der Breitseite zum Kirchenraum geöffnet werden. Nicht geklärt ist der zweite Fluchtweg aus dem oberen Gemeinderaum, eine baurechtliche Forderung, die nach Auffassung der Jury nicht verhinderbar sein wird.

Bei der erforderlichen Investitionssumme dürfte die Arbeit im oberen Bereich der eingereichten Arbeiten liegen. Die Eingriffe in die Substanz sind durch die Herausnahme aller Emporen, den Öffnungen für die Orgel und das Absenken des Bodens beim großen Gemeinderaum enorm. Die Umsetzung innerhalb des gesetzten Budgets erscheint zumindest schwierig. Eine Herausforderung stellt sicher die denkmalschutzrechtlichen Durchsetzung dieses Vorschlags dar.

Die Jury lobt ausdrücklich die hohe architektonische und gestalterische Qualität des Beitrags. Den Verfassern ist ein wertvoller Beitrag für die gestellte Aufgabe gelungen: der Schaffung eines zeitgemäßen sakralen Kirchenbaus mit integrierten Gemeinderäumen.
Perspektive

Perspektive

Querschnitt

Querschnitt

Plan 1

Plan 1

Plan 2

Plan 2

Plan 3

Plan 3