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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2021

Bürgercampus der Stadt Ahlen – Neubau des Stadthauses

1. Preis / Zuschlag

Preisgeld: 56.800 EUR

Gerber Architekten GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Gedanken zum Konzept
Das vorgegebene schmale Grundstück zwischen historischer Altstadtkante und Werse verfügt über viele Bezugspunkte zur Stadt und aus der Stadt heraus. Sowohl aus Richtung Norden, Stadtpark, Museum und Weststraße, als auch von Süden über Hospitälergasse und Westenmauer/Am Wedemhove gibt es Bezugspunkte.
In der Mitte des Grundstücks hat man in Richtung Osten Blickbezug zu den Kirchen, nach Westen zur Werse hin. Das Grundstück folgt der Werse und der historischen Stadtmauerkante. Der sich durch das Grundstück ergebende längliche Baukörper folgt dieser „Verschwenkung“, verzahnt sich zum einen an dieser Stelle und formuliert zu beiden Seiten stadträumlich die gleichwertigen Zugänge in das Gebäude aus. Zur Werse hin erhält der Zugang durch die „Verschwenkung“ eine Aufweitung, zur Stadt hin einen länglichen Vorplatz für das Stadthaus. Ein optionaler Fußgänger- und Radfahrsteg könnte die gewünschte Durchwegung und Öffentlichkeit des Stadthauses stärken. Die Durchgängigkeit von Ost nach West, die Durchlässigkeit von Stadt zur Werse, sind zentrales Thema des Konzepts und könnten die Offenheit, Transparenz des Stadthauses für Bürger und Stadt stärken und fördern. Hochpunkte im Norden und Süden geben Orientierung an dieser Stelle und können durch die Staffelung Bezug zur lebendigen Dachlandschaft der Altstadt herstellen. Die Gliederung in der Geschossigkeit nimmt die Körnung der Innenstadt auf. Die Verschwenkung des Baukörpers zusammen mit der Höhenstaffelung im Norden und Süden reagiert auf die vorhandenen Bezugspunkte und vermeidet auf diese Weise Rückseiten. Das Stadthaus weicht sowohl von der westlichen als auch von der östlichen Wettbewerbsgrenze ab, lässt somit genügend Platz und Abstand für Uferpromenade und notwendigen Straßenraum. Es verankert sich auf dem Bürgercampus der Stadt Ahlen sowie mit Stadt und Werse.
Das stadträumliche Konzept verfolgt eine „landschaftliche“ Platzverbindung vom Stadtpark im Norden bis hin zum entstehenden Bürgerforum. Einheitlicher Platzbelag, der sich mit der Einfassung der Werse verbindet und lockere Baumhaine mit Hecken, sind zentrale gestaltende Elemente.
Die Besucher und Mitarbeiter des neuen Rathauses erreichen den Haupteingang und die großzügige Eingangshalle von der Stadtseite, Hospitälergasse und Westenmauer/Am Wedemhove, oder von der Uferpromenade der Werse her. Die Durchwegung und die sich verbindenden Eingänge könnten zur Belebung des Hauses und Bürgercampus beitragen und dessen Bedeutung in der Stadt stärken. Wichtig ist die Blickbeziehung aus der Eingangshalle zur Stadt und Werse. Um die flexibel bespielbare Eingangshalle sind die publikumsintensiven Bereiche angeordnet, ebenso die großen Besprechungsräume. Die Halle dient für diese Räume als vorgelagertes Foyer. Zum Campus hin im Süden ist das Standesamt angeordnet. Hier kann bei Bedarf ein externer Zugang (z.B. an Samstagen) erfolgen. Die Hochzeitsgesellschaften können den vorgelagerten Freiraum und die Sitzstufen zur Werse für diesen Festtag nutzen. Die Brücke auf das andere Werseufer könnte für das ein oder andere Hochzeitsbild genutzt werden. Ebenfalls im Erdgeschoss sind Druckerei und Poststelle, die Anlieferung der Bereiche ist über die Befahrbarkeit des Campus über die Westenmauer gesichert.
Der Luft- und Lichtraum versorgt das Erdgeschoss und die Mittelzone nicht nur mit Tageslicht, er verbindet die Ebenen über eine Freitreppe miteinander. Aufweitungen und Teeküchen an den „Verzahnungspunkten“ bieten Raum für Kommunikation und Begegnung. An diesen Punkt entstehen hochwertige Kommunikationsräume mit Ausblicken auf Werse, Bürgercampus und auf die Stadt mit St. Marien und St. Bartholomäus. In den Obergeschossen sind um den Kommunikationsraum die Bereiche mit mehr Publikum, wie z.B. die Behörde für Soziales/ Integration/Jugend angeordnet.
Die Höhenstaffelung des Körpers wird genutzt, um auf der sich ergebenden Dachfläche eine begrünte Dachterrasse auszubilden. Der Zugang kann direkt über die Treppenhäuser und Aufzüge erfolgen. Ein weiterer, privaterer Aufenthalts- und Begegnungsbereich für die Mitarbeiter des Stadthauses mit Blickbezug zur Stadt und Werse. Auf dieser Ebene sind die Fraktionen und auch der Bürgermeister angeordnet. Dieser Grünbereich könnte zu informellen Gesprächen und Kommunikation einladen. Auf der Terrasse besteht immer ein starker Bezug zur Stadt mit Kirche, Werse und den Bürgern.

Konstruktion / Technik / Energie / Fassade
Alle Bürobereiche werden über die zentral an der Halle liegenden Treppenhäuser und Aufzüge auch barrierefrei erschlossen. Die Brand- und Rauchabschnitte liegen im Bereich der Treppenhäuser. Der mittlere Gebäudeteil mit Halle könnte mit einer Sprinklerung ausgeführt werden. Auch im Falle einer Fremdvermietung ist die getrennte Erschließung der Bürobereiche gewährleistet.
Es wird eine massive Bauweise mit dem Konstruktions-, Ausbau-, Fassaden- und Installationsraster von 1,35 m vorgeschlagen. Die Tiefe des Gebäudes ermöglicht wirtschaftliche Spannweiten. Die technische Versorgung erfolgt an jeder zweiten Achse. Die Konstruktionsebene liegt in der Fassadenebene. Auf diese Weise sind die Bürobereiche an der Fassadenseite ohne Stützen ausgeführt und ein Trennwandanschluss ist an jeder Achse, also alle 1,35 m möglich. Jede Achse verfügt über eine raumhohe Verglasung mit einem seitlichen Lüftungsflügel mit Brüstung. Die Verglasung ist nur zum Zwecke der Reinigung zu öffnen. Der schmale Lüftungsflügel schränkt die Nutzfläche der zum Teil nur 10 m² großen Standard 2-Achs Büros nicht ein. Verschiedene Raumgrößen oder Aufteilungen im Falle einer Open Space Lösung sind ohne störende Stützen möglich. So kann die vorhandene Grundfläche optimal genutzt werden. Die technische Versorgung erfolgt aus der Mittelzone heraus. Diese Bereiche können auch ohne Einschränkung in der Nutzung abgehängt werden. Die Grundtemperierung und Kühlung soll über aktivierte Decken erfolgen. Unterstützend können an jeder zweiten Achse Splitgeräte im Doppelboden angeordnet werden. Es ist zu prüfen, ob das Wasser der Werse (Wärmetauscher) für die Aktivierung der Decken genutzt werden könnte. Die im bestehenden Rathaus vorliegende Fernwärme könnte zudem für den Neubau (Wärmeerzeugung) genutzt werden. Die ELT Installation erfolgt über den Doppelboden, die Mittelzone wird über die angehängten Bereiche in der Flurzone versorgt. Der massive Baukörper bildet die optimale Grundlage für ein angenehmes sommerliches Raumklima. Es werden ausschließlich passive Maßnahmen zum sommerlichen Wärmeschutz eingesetzt: außenliegende Verschattung, fassadenweise und strahlungsabhängig gesteuert sowie natürliche Nachtlüftung über regen- und einbruchsichere Öffnungen in Fassaden und Dach (Kommunikations-Halle), über die der Baukörper mit hohen Luftwechselraten über Nacht auskühlen kann. Die erhöhten Dachflächen des Gebäudevolumens erhalten eine PV Anlage. Überschüssiger Strom wird in das städtische Netz eingespeist. Das Dach wird als „Schwammdach“ ausgeführt. Ein erhöhter Dachaufbau für intensive Begrünung, Regenwasserfilterung und Speicherung mit verzögerter Abgabe in das Kanalsystem. Das Regenwasser kann in Zisternen gesammelt und zur Bewässerung der Außenanlagen genutzt werden.

Die Fassaden des Rathausneubaus entsprechen der schlichten, monolithischen Baukörpergestaltung. Die Werksteinverkleideten Stützen und raumhohen Verglasungen mit seitlichem gedämmten Öffnungselement unterstützen die ruhige Baukörpersprache und erzeugen eine dem Ort angemessene Maßstäblichkeit. Der umlaufende Sockel mit Naturstein verbindet sich mit dem Belag des Bürgercampus und der Einfassung der Werse. Der Wechsel zum doppelten Raster zusammen mit den Unterschnitten, setzen für die die Eingänge Akzente und sorgen zudem für einen Wetterschutz des Eingangsbereichs. Der einheitliche Rhythmus der Fassade legt sich um das gesamte Volumen des Stadthauses und könnte so den Ansatz unterstützen, dass das Stadthaus keine Rückseiten erhält.


Freianlagen
Im Herzen des Bürgercampus besteht leider die Notwendigkeit die oberirdischen Stellplätze anzuordnen. Optimalerweise würde der Bürgercampus hier eine parkähnliche Verbindung zur Bibliothek und zum geplanten Bürgerforum erhalten. Das Konzept der Freianlagen versucht, dem notwendigen „Park-Platz“ einen Eindruck vom Parken im Park zu geben. Die Stellplätze werden in Ost–West Richtung organisiert, damit die Durchlässigkeit von Stadt zur Werse an jeder Stelle gegeben ist. Die Nutzung als „Park-Platz“ gibt ein hohes Maß an befestigten Flächen vor. Daher wird statt des Flächen-Grüns und einer ggf. damit verbundenen Zonierung und Zerschneidung der Campusfläche, ein großzügiges Hoch-Grün vorgeschlagen. Lockere Baumgruppen und große schattenspendende Solitärbäume durchgrünen den Bürgercampus. Weg und Fahrflächen werden durch lineare, farblich abgesetzte Elemente gekennzeichnet, ohne dabei die durchgehende, richtungslose, Platzverbindung zu unterbrechen. Der Bürgercampus erhält eine einheitliche Pflasterung in beige-grauer Farbe. Der Belag fasst Stadthaus, Bibliothek und Bürgerforum zusammen. Vor dem Stadthaus in Richtung Bürgercampus wird mit einer Stufenanlage ein Zugang zur Werse hergestellt. Der Fluss soll so für die Bürger erlebbar gemacht werden. Die Brücke schafft die gewünschte Verbindung zu Gymnasium und Sportanlagen. Der Geländesprung vor der Bibliothek wird mit einer sich von der Topografie ergebenden Stufenanlage von den Verkehrsflächen getrennt. Ein barrierefreier Hauptzugang könnte im Westen von der Seite des Bürgercampus hergestellt werden.
Die Zufahrt liegt zwischen Bibliothek und Bürgerforum. In Hecken eingefasst parken die PKW optisch etwas abgeschirmt auf dem Campus. Die nicht lineare Setzung der Bäume ist bewusst gewählt, um dem Bürgercampus eine natürliche, landschaftliche Erscheinung zu geben. Das Oberflächenwasser kann in Zisternen gesammelt und zur Bewässerung der Außenanlagen genutzt werden. Die vorhandene ursprüngliche Topografie wird genutzt, um einen Großteil der PKW in Zukunft unter dem geplanten Bürgerforum parken zu lassen, ohne einen tiefen Eingriff in das Gelände vornehmen zu müssen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau / Architektur
Der Entwurf des Stadthauses stellt einen Solitärbau als ersten Baustein für den Bürgercampus vor, welcher mit dem Bürgerforum im späteren Bauabschnitt eine logische Ergänzung finden kann. Die Anordnung und Proportion von Gebäude und Freiflächen ist zu allen Seiten gelungen. Im Norden entsteht der angemessene Raum für den Zugang zur Altstadt und zum Stadtpark, die Werse wird sichtbar und erlebbar gemacht, unterstützt durch eine neue Brücke als Fuß- und Radwegeverbindung. Wohltuend wirkt die einheitliche Gestaltung der Freiflächen, die wie eine ´shared space´ Fläche das Gebäude von allen Seiten gleichberechtigt in einen Dialog mit dem öffentlichen Raum treten lässt. Die Platzierung des Standesamtes nach Süden zum Platz hin stellt eine charmante Nutzung im EG dar, diese kann hier vorteilhaft mit dem Außenraum und der neuen Brücke und Ufergestaltung in Richtung der Schule in Szene gesetzt werden. Die Erschließung des Gebäudes von zwei Seiten in ein langgezogenes Foyer hinein – trotzdem mit nur einem Empfang - wird betont durch den Rücksprung der Fassaden, wodurch ein überdachter Bereich vor den Eingängen das Betreten des Gebäudes unterstützt. Der Fußabdruck des Gebäudes, zwei ineinander verschwenkte gleich große Rechtecke, lassen spannende Bereiche und Ausblicke entstehen. Im mittleren dreigeschossigen Bereich mit Luftraum und Oberlichtern entsteht eine großzügige Halle, die eine gute Orientierung für die Besucher*innen ermöglicht und den Mitarbeitern*innen der Verwaltung unkomplizierte Möglichkeiten der Begegnung und des Austausches bietet. Die vertikale Erschließung mit offenem Treppenraum ist hinsichtlich des Brandschutzes jedoch kritisch zu hinterfragen. Die Höhenstaffelung des Gebäudes ermöglicht die Nutzung eines Dachgartens sowohl für Mitarbeiter* innen als auch für die Fraktionen und den Geschäftsbereich I. Von hier aus ist der Blickbezug zur Werse und in die Altstadt gegeben. Die klare innere Erschließung mit zwei parallelen Fluren wird an den schmalen Seiten zusammengeführt, um einerseits eine gute Belichtung zu erhalten, andererseits sind dies wiederum attraktive Flächen für Kommunikation und Austausch. Diese lounge-ähnlichen Bereiche bieten schöne Ausblicke und sind auch in den Ecken der ´Verschwenkung ´ - neben den Eingängen - angeordnet. Die Aufteilung des Gebäudes wird auch mit einer teilweisen Fremdvermietung gut funktionieren, der Eingang für eventuelle Mieter befindet sich neben dem Haupteingang an der Westenmauer. Die angemessen feingegliederte Fassade im Büroraster von 1,35m lässt eine wirtschaftliche Bauweise erwarten, der Vorschlag für die Elemente aus Werkstein mit Natursteinzuschlag wird in der Jury offen diskutiert. Das vorgeschlagene Energiekonzept wird gewürdigt Der Entwurf überzeugt in jeder Hinsicht - städtebaulich-architektonisch und funktional - und kann dadurch nachhaltig das soziale Miteinander fördern und stärken.

Freiraum
Die Freiraumgestaltung nimmt die städtebaulichen Setzungen mit wenigen, aber richtig gewählten und gekonnt gesetzten Gestaltungsmitteln auf. Der Bürgercampus integriert den Parkplatz unter einem hainartigen Baumdach, wodurch zum einen die Uferpromenade an der Werse betont wird und zum anderen die Campus-Gebäude gut proportionierte Vorzonen erhalten. Leider wird die gewünschte Stellplatzanzahl unterschritten. Die Wegebeziehungen aus der Innenstadt werden geschickt aufgenommen - die Verbindung Stadtpark bis zum Bürgerforum wird gelobt - und über eine großzügige Platzfläche zur Werse geführt, wo sie mit einem Steg und Sitztreppen einen angemessenen Abschluss finden. Die Platzfläche dient auch als Adresse für das Stadthaus und führt Besucher*innen mit einer gewissen Selbstverständlichkeit zu dessen Eingangsbereich. Die Uferpromenade am Ostufer der Werse überzeugt durch Großzügigkeit und einheitliche Gestaltungssprache, die sehr gut mit der Promenade auf der Westseite des Flusses harmoniert und auch im Zusammenspiel mit dem Stadthaus die Ausbildung qualitätvoller Freiräume erwarten lässt.