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Einladungswettbewerb | 06/2020

KITZ – Neubau eines Kindertumorzentrums in Heidelberg

ein 3. Preis

wörner traxler richter

Architektur

MJRM Mijaa Raummanufaktur Architekten

Architektur

Erläuterungstext

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Petra Wörner
Sebastian Pfau
Björn Bischoff
Alexander Hubl

Edin Saronjic
Maximilian Pfaff




Leitsätze des Entwurfs

1. Der Neubau vervollständigt respektvoll das Ensemble aus Hochpunkten und niedrigen Baukörpern der bestehenden Klinik und entwickelt gleichzeitig eine eigene Präsenz.

2. Die Qualitäten der bestehenden Kinderklinik und ihre zentrale städtebauliche Position sollen gewahrt bleiben! Die Kinderklinik wird nicht verdeckt oder verschattet; der Ausblick aus den Patientenzimmern wird durch den Neubau nicht eingeschränkt.

3. Es entsteht eine klar ablesbare Struktur aus medizinischer Nutzung, Forschung und Pflege

4. Der Aufenthalt der Patienten steht im Vordergrund. Eine Wohnlandschaft aus kleinen, geschützten Nachbarschaften organisiert um individuelle Loggien und Wohnhöfe ermöglicht Rückzug und Austausch

5. Zwischenräume, Einschnitte, Lufträume und Verbindungswege werden als qualitätsvolle Begegnungsräume konzipiert, die zwischen dem Innen- und Außenraum vermitteln




Städtebauliche Fügung

Das neue Kindertumorzentrum umfasst städtebaulich die bestehende Kinderklinik und ergänzt das vorhandene Ensemble des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin.

Der Neubau geht mit der bestehenden Kinderklinik eine behutsame Nachbarschaft ein. Mit dem Neubau entsteht eine eingeschossige Struktur mit `Gartengeschoss` in Ebene 99.
Im Nordosten formuliert das neue Gebäude einen fünfgeschossigen Hochpunkt, der gegenüber den bestehenden Baukörpern einen respektvollen Abstand hält und Rücksicht auf die Belichtung und Verschattung der Bestandsgebäude nimmt. Im Westen komplementiert der Baustein des Elternwohnens der Kinderklinik die neue Bebauung.

Durch diese Formation bleiben die Ausblicke aus den Pflegezimmern der bestehenden Kinderklinik, die dort ab dem ersten Obergeschoss organisiert sind, frei und unverstellt erhalten. Die eingeschossige Struktur des Neubaus wahrt die allseitige Sichtbarkeit der Kinderklinik.


Gemeinschaft und Gebäudegliederung

Das neue Gebäude schafft einen behütenden Rahmen für das Leben der Patienten, Mitarbeiter und Forschern. Es erschafft einen offenen, kommunikativen Raum, der den Forschergeist und den Optimismus der Ärzte und Wissenschaftler, die Träume, den Bewegungs- und Begegnungsdrang der Kinder beflügelt. Es bietet eine behutsam und individuell regelbare Teilnahme am Leben der Gemeinschaft und gewährt in gleicher Weise Rückzugsmöglichkeiten und temporäre Besinnung auf das nächste familiäre Umfeld mit Eltern und Begleitpersonen.

Gleichsam einer eigenständigen kleinen Stadt angelegt, wird die Vielfalt der inneren KITZ-Nutzungen als räumliches Gefüge von offener Zusammenkunft, Austausch und Gemeinschaftsbildung auf Plätzen und Begegnungsorten, sowie ruhiger Konzentration und Rückzug in eingekehrten, kleinmaßstäblichen Räumen angelegt. Aktive, offene Zonen wie Begegnungsbereiche, Kaffeebar, Spielräume, Teeküchen und Freitreppen liegen an räumlichen Aufweitungen und bieten dem Zusammenkommen und Verweilen, dem Austausch und der Begegnung qualitätvolle Orte.

Der zentral an der Schnittstelle der eingeschossigen Winkelstruktur zum vertikal organisierten Forschungsbau gelegene Begegnungsbereich verbindet die verschiedenen Nutzungen des Neubaus miteinander. Hier entsteht eine zentrale Austauschfläche, ein Forum für Patienten, Angehörige, Beschäftigte und Forscher.

Die horizontalen, eingeschossigen Pflegebereiche werden durch begrünte Einschnitte, Wohnhöfe und Spielflure gegliedert und erweitern sich zum Spielplatz und Grünraum im Außenbereich. Es entsteht ein fließender Gemeinschaftsraum im Innen- und Außenbereichen, mit einer Vielzahl an kommunikativen, spielerischen Zonen, der zum integralen Bestandteil der Behandlung bzw. der Heilung wird.

Ein vertikales Atrium über dem Begegnungsbereich verbindet die verschiedenen Geschosse der Forschungsbereiche durch eine großzügige Freitreppe miteinander. Die Freitreppe des Atriums weitet sich in zwei mehrgeschossige Aufenthaltsräume mit Teeküchen im Südosten und Nordwesten der Struktur. Die zwei Aufenthaltsbereiche werden visuell über die Freitreppe miteinander verknüpft und erlauben Kommunikation und Weitblicke zu dem weiteren Klinikgelände im Süden und Südosten sowie in den Landschaftsraum des Neckars im Nordwesten. Diese Architektur fördert den Austausch ihrer Nutzer, um das Erlebte zu teilen und besser zu verarbeiten.


Natur im Haus

Der Neubau bietet eine naturinspirierte, warme, freundliche und helle Architektur. Diese Architektur soll nicht weniger als die bestmöglichen Heilungschancen für die jungen Patienten unterstützen.

Die Frei- und Innenräume des Neubaus überschneiden sich auf verschiedenen Ebenen: visuell, materiell und programmatisch. Eine Vielzahl an eingeschnittenen, begrünten Höfen stärken die Verflechtung des Neubaus mit dem Außen- und Naturraum. Die Natur wird ein Teil des Innenraums. Der Zwischenraum des Neubaus und der bestehenden Kinderklinik wird landschaftsplanerisch aufgewertet. Zwischen der Kinderklinik und dem Neubau entsteht hier ein Gartengeschoss mit einem direkten Außenraumbezug.

Die intensive Dachbegrünung der horizontalen, eingeschossigen Bereiche des Neubaus hat einen positiven mikroklimatischen Einfluss. Im Zusammenspiel der Bepflanzung der Höfe und des Zwischenraums entwickelt sich so ein ganzheitlicher Freiraumbezug für den Neubau und die bestehende Kinderklinik. Ergänzend zu diesem Grünraum sorgen natürliche und nachhaltige Materialien für eine warme, behütende Innenraumatmosphäre.


Pflege ist Wohnen

Im Fokus der neuen Bebauung steht die Entwicklung einer Umgebung, bei der die Familien die Chance haben zusammenzubleiben und schwierige Zeiten gemeinsam zu meistern. Die Wohnungen der Familienzimmer sind als introvertierte, geschützte Patio-Strukturen konzipiert.

Die Struktur erlaubt sowohl einen privaten, intimen Bezug der Zimmer zu den begrünten Innenhöfen als auch Ausblicke in die Umgebung des Neubaus. Die Patios sind an einer internen `Spielstraße` aufgereiht, einer Begegnungszone für alle Nutzer.

Natürliche, warme und helle Materialien verleihen den Apartments eine wohnliche Atmosphäre. Die Einheiten bieten Raum für Rückzug aber auch Raum für Austausch und Kommunikation. Jede Einheit erhält eine private Außenloggia. Die Loggien sind um halböffentliche begrünte Höfe organisiert, in denen kleine Nachbarschaften entstehen können. Zudem erlauben sie eine zweiseitige Ausrichtung und Belichtung der Patientenzimmer und diagonale Weitblicke in die Umgebung des Neubaus.


Forschung im Austausch

Die Diensträume der Wissenschaftler und die wissenschaftlichen Labore entwickeln sich vertikal über die Ebenen 01 bis 04 und suchen somit den Bezug zu dem weiteren Gelände der Universitätsklinik.

Neben den funktionalen, strukturellen und sicherheitstechnischen Anforderungen an die Standard- und Zellkulturlabore ist der Forschungsbau als eine offene, kommunikative Raumabfolge konzipiert. Die erdgeschossige Kaffeebar und die Begegnungszone werden durch die Freitreppe im Atrium mit den zweigeschossigen Begegnungs- und Verweilorten in den Obergeschossen zu einem lebendigen Raumgefüge über alle Geschosse verknüpft.


Konstruktion und Materialität

Das Tragwerk des Neubaus ist als Stahlbeton- Skeletttragwerk mit einem regelmäßigen Stützraster geplant, auf welches das Ausbauraster abgestimmt ist. Die Decken werden als unterzugsfreie Flachdecken in Ortbetonbauweise ausgeführt, sodass sich eine wirtschaftliche und flexibel anpassbare Gesamtkonstruktion ergibt. Die feingliedrigen, vertikalen Leichtmetallelemente der Fassade nehmen die Grundstruktur der bestehenden Kinderklinik auf und erhalten eine helle, warmtonige Beschichtung.


Energie und Nachhaltigkeit

Das Energiekonzept des Neubaus sieht eine Kombination von Bedarfsminimierung und Versorgung mittels erneuerbarer Energieträger unter Berücksichtigung der Investitions- und Unterhaltskosten vor. Zur Minimierung des Heizwärmebedarfs im Betrieb werden alle Außenbauteile im Passivhausstandard ausgeführt. Die Struktur des Entwurfes trägt dazu bei, Gebäudetechnik nur dort einsetzen zu müssen, wo sie zwingend notwendig ist. Die Räume, die eine hohe Belegungsdichte aufweisen, werden mechanisch be- und entlüftet. Die Zuluft wird über zentrale Lüftungsanlagen in die Räume eingebracht und kann über ein Nachheizregister weiter erwärmt werden. Die Wärme aus der Abluft wird zurückgewonnen.

Die Gemeinschaftsbereiche sind hingegen über Öffnungsflügel und die Dachfenster natürlich belüftet, um den Installationsaufwand des Gebäudes zu minimieren. Im Sommer wird das gesamte Gebäude durch Nachtauskühlung über die mehrgeschossigen Atrien und Lufträume der Gemeinschaftsbereiche gekühlt.

Somit entsteht nicht nur strukturell, sondern auch konstruktiv ein „grünes“ und nachhaltiges Gebäude.


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Beurteilung durch das Preisgericht

Durch eine 1-geschossige Gebäudestruktur auf Straßenniveau, einem Gartengeschoss in Ebene 99 für die Kindertumorklinik und einem 5-geschossigen Gebäudehochpunkt auf der Nordostecke des Baufeldes ergibt sich eine klare Trennung zwischen Klinik, öffentlichen Bereichen und Forschung. Der Forschungsbereich verfügt durch die beiden lichtdurchfluteten, zweigeschossigen Lufträume über eine hohe Aufenthaltsqualität. Für die jungen Patienten wird eine Wohnlandschaft mit begrünten Innenhöfen geschaffen.

Der Wettbewerbsentwurf stellt eine eigene Identität mit einem hohen städtebaulichen Aspekt und dem Ziel eines möglichst zurückhaltenden Baukörpers dar. Der Entwurf zeigt einen eingeschossigen fast umlaufenden Baukörper und einen zentralen Forschungsturm im Nordosten. Das Elternwohnen ist in einem separaten Baukörper westlich des Kubus der Kinderklinik vor dem Eingangsbereich der Kinderklinik untergebracht.

Der geplante Zugang erfolgt über den Übergang im Norden des Kubus der Kinderklinik zum Neubau. Der Weg für Patienten, Angehörige und Besucher von dem Kubus der Kinderklinik bis in die Patientenbereiche der Kindertumorklinik führt über lange Wege, insbesondere zur Ambulanz und zur Tagesklinik.

Positiv ist die Anordnung der Patientenzimmer inkl. Rooming-In in kleine Funktionseinheiten (je 4 Patientenzimmer) an begrünten Höfen auf der Klinikstation sowie die Ausstattung der Zimmer mit Schiebeelementen. Die betrieblichen Abläufe sind sowohl aus medizinischer Sicht als auch der Sicht von Angehörigen problematisch. Die Arbeitsbereiche Patientenzimmer sowie die Behandlungsräume der Ärzte auf der Ebene 00 sind getrennt und nur über lange Wege erreichbar. Demnach hat das Pflegepersonal sehr lange Wege im täglichen Ablauf zurückzulegen, zumal Funktionsräume die beiden Klinikbereichen bzw. beiden Stützpunkten der Pflege zugeordnet sind, nicht zentral angeordnet wurden. Die Anordnung der Mausklinik in Verbindung mit den Diensträumen in der Ebene 99 ist funktional nicht akzeptabel. Durch die Aufteilung des Gebäudes in den eingeschossigen Baukörper (über Straßenniveau) und den zentralen Forschungsturm ist die Interaktion zwischen Forschung und Klinik eingeschränkt.

Die nicht erfüllten Funktionen lassen eine optimale Nutzung des Gebäudes nicht zu.