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Einladungswettbewerb | 02/2021

Gemeinschaftliches Wohnprojekt im Neubaugebiet „Zum Feldlager“ in Kassel

1. Preis

Preisgeld: 7.000 EUR

foundation 5+ architekten landschaftsarchitekten

Architektur, Landschaftsarchitektur

Sprengwerk

Architektur

Erläuterungstext

„Sobald ein Bau für alle entworfen wird, – das heißt ein kollektiver Ansatz – müssen alle erdenklichen individuellen Interpretationen in Betracht gezogen werden, und zwar nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern im Wandel der Zeit.“ (Hermann Herzberger)

Städtebau
Der Bebauungsplan hat für das Wettbewerbsgebiet vier Einzelgrundstücke vorgesehen, die mittig durch Stichstraße und PKW-Stellplätze in zwei Hälften geteilt werden. Unser Ansatz ist es, unter Beachtung aller planungsrechtlichen Vorgaben diese Trennung funktional und gestalterisch aufzuheben, um der Bedeutung des Gemeinschaftsgedanken für das Gesamtprojekt Rechnung zu tragen. Die übergeordneten Gemeinschaftsräume sind daher links und rechts der „Einfahrt“ konzentriert, so dass hier ein „offener Raum“ entsteht, der von allen Bewohner*innen des Wohnprojektes genutzt werden kann und den Kontakt zum öffentlichen Straßenraum herstellt. Die PKWs überqueren diesen Raum beiläufig, um zu den rückwärtig liegenden Stellplätzen zu gelangen. Die Erschließung der Gebäude erfolgt über vorgestellte Treppenhäuser jeweils an der Nordseite der Gebäude. Zur Niederfeldstraße entstehen so eindeutige Adressen. Durchgänge in den nördlichen Gebäuden verbinden die Eingangsbereiche aller Gebäude mit dem gemeinschaftlichen Innenhof.

Effizienz
Die Effizienzstrategie macht sich an dem Verhältnis von Ertrag zu Aufwand fest und setzt damit an der Technologie an. Nicht die absolute Menge der Güter- oder Nutzengenerierung ist hier entscheidend, sondern wie viel Aufwand an Rohstoffen oder Umwelt dafür – relativ betrachtet – benötigt wurde.*

Bauweise
Die Gebäude sind in Holzbauweise konzipiert – Decken- und Dachkonstruktion als Massivholzdecken, hochgedämmte Holzständerwände mit vorgehängter Holzfassade. Auch im Innenausbau soll weitestgehend auf Kunststoffe und zementhaltige Baustoffe verzichtet werden, um eine nachhaltige Bauweise mit möglichst niedrigem CO2-Verbrauch zu realisieren. Bauteile, wie z. B. Fenster, werden seriell für alle Gebäude eingesetzt, um aufwendige Sonderlösungen zu vermeiden und durch den Wiederholungsgrad Kosten in der Herstellung zu reduzieren. Das Treppenhaus (terrasse commune) ist von der thermischen Hülle getrennt als „kalte Konstruktion“ vor die Gebäude gestellt (Vermeidung von Wärmebrücken, einfache und robuste Oberflächen). Private Balkone können durch auskragende Brettstapeldecken ebenfalls einfach und wärmebrückenfrei realisiert werden.
Durch die Typisierung der vier Gebäude ist ein hoher Grad an Vorfertigung (Konstruktion, Fassaden, Installationsschächte) möglich, so dass die Bauzeit erheblich verkürzt werden kann. Die Gebäude sind nicht unterkellert – alle erforderlichen Nebenräume sind im EG untergebracht und dienen auch als soziale Begegnungsorte. Durch die geringe Geschossigkeit sind die Gebäude der Gebäudeklasse 3 zuzuordnen, was aufwendige Maßnahmen für Brandschutz und Fluchtwege reduziert, Holzbauteile können unverkleidet bleiben. Die Gebäude werden ohne großen technischen Aufwand (Lüftungsanlage) als Effizienzhaus 40 konzipiert.

Konsistenz
Bei der Konsistenz geht es nicht primär darum, pro produzierter Ware den Energieverbrauch und die Materialflüsse zu verringern, sondern die eingesetzten Ressourcen immer wieder neu zu nutzen.*

Architektur
Die Struktur der Gebäude wird bestimmt durch ihre konstruktiven Elemente, die vertikale Erschließung und die Hauptstränge der technischen Installationen. Diese strukturellen Elemente sollten dauerhaft bestehen, da sie nur mit großem Aufwand verändert und angepasst werden können. Innerhalb dieses Rahmens gibt es dagegen eine große Freiheit an Interpretation und langfristiger Veränderung.
Der Gebäudeentwurf basiert auf einem Grundraster, das ohne bauliche Sonderlösungen eine große Vielfalt unterschiedlicher Grundrisse ermöglicht. Die Lage der Installationsschächte ist bei allen Varianten unverändert – sie orientiert sich an der kleinstmöglichen Aufteilung der Nutzungseinheiten. Die Fenster sind für alle Wohnräume gleich: bodentiefe Verglasung und französischer Balkon mit Pflanzkasten – ein Minigarten für jedes Zimmer. Das außen liegende Treppenhaus erlaubt eine variable und barrierefreie Erschließung von bis zu vier Wohneinheiten pro Etage und ist als Gemeinschaftsterrasse „terrasse commune“ von allen nutzbar. Die Dachgeschosse sind seitlich eingerückt und verleihen den einzelnen Gebäuden eine individuelle Kubatur und Orientierung.


Suffizienz
Eine Zielsetzung des Suffizienzansatzes ist die Veränderung der Konsummuster. Anstatt des vorherrschenden Überkonsums soll nur "die wirklich benötigte Menge von etwas" konsumiert werden. *

Bildung von Gemeinschaften
Neben klassischen 2- und 3-Zimmer-Wohnungen gibt es ein vielfältiges Angebot an Gemeinschaftswohnungen: neben herkömmlichen Wohngemeinschaften auch verschiedene „Clusterwohnungen“ – also mehrere Miniapartments in einer Wohnung mit Gemeinschaftsräumen. Hier können insbesondere Einzelpersonen trotz geringer individueller Mietfläche (30-40 qm) an großflächigen Wohnungen partizipieren – ohne auf privaten Wohnraum zu verzichten. Externe Abstellräume und die Nutzung von Gemeinschaftseinrichtungen (Werkstatt, Gästezimmer, Gemeinschaftsküche) ergänzen das individuelle Wohnprogramm. Der Nachbarschaftsgedanke ist eine wesentliche Grundlage, um im Sinne von Suffizienz Räume, Güter oder Dienstleistungen zu teilen. Dieses Teilen ist nicht als individueller Verzicht, sondern als ein Gewinn an Gemeinschaft und Lebensqualität zu betrachten. Eine Abstufung von gemeinschaftlichen Räumen - angefangen bei der Küche in der Clusterwohnung, über die Gemeinschaftsterrasse der Etage, der gebäudebezogenen Waschküche bis zu den projektbezogenen Gemeinschaftsräumen – erleichtert allen die Teilhabe an dieser Nachbarschaft. Im Planungsprozess ist selbstverständlich eine andere Aufteilung der Wohnungstypen möglich, spätere bauliche Veränderungen sind möglich.

Resilienz
Der Begriff Resilienz beschreibt die Leistungsfähigkeit eines Systems Störungen zu absorbieren, und sich in Phasen der Veränderung so neu zu organisieren, dass wesentliche Strukturen und Funktionen erhalten bleiben.*

Wie das Leben spielt... entstehen geplant oder ungeplant besondere Lebenssituationen, die unterschiedliche Ansprüche an das Wohnen stellen. Das vielfältige Wohnungsangebot sowie die Option baulich-räumlicher Veränderungen bietet Wohnraum für sehr unterschiedliche Nutzer*innen und gleichzeitig allen Bewohner*innen langfristig auch bei sich ändernden Ansprüchen und Lebenssituationen den passenden Wohnraum. Die genossenschaftliche Eigentumsstruktur ist für diese Art von Wohnraumversorgung die optimale Grundlage.

Freiraum
Im Freiraum wird die Leitidee des gemeinschaftlichen Wohnens aufgegriffen, fortgeführt und gestärkt.
So gibt es den Wohnungen zugeordnete private Terrassen, die als individuelle Rückzugsräume über Heckenbänder gefasst werden. Jede Hausgemeinschaft bekommt als Fußabdruck um die Gebäudeerschließung eine großzügige Terrasse mit Gartenanschluss für gemeinsame Feste und Grillabende. In Ost-West-Richtung wird zwischen den vier Gebäuden wie ein Teppich, der zentrale Platz ausgerollt. Er ist Bindeglied und Verteiler zwischen den Häusern, Spielplatz für die Kleinen mit Sandkasten und Schaukel und Aufenthaltsort mit Sitzbänken, Grillplatz und schattenspendenden Bäumen. Gemeinschaftsküche und Werkstatt liegen direkt am Platz und können den Außenbereich mit Ihren Angeboten mitbespielen. In den nach Osten und Westen anschließenden Wiesen bieten Garten- und Hochbeete sowie ein kleines Gewächshaus die Möglichkeit, selbst zu gärtnern und Gemüse anzubauen.

Die Zufahrt von der Niederfeldstraße aus wird von einem kleinen Baumhain begleitet. Auf der wassergebundenen Decke unter den Bäumen lässt sich gut Boule spielen, ein Angebot, dass auch den Anschluss zum Quartier herstellen kann. Die privaten PKW- Stellplätze befinden sich mittig im südlichen, hinteren Teil des Grundstücks. Um die erforderliche befestigte Fläche harmonisch in das Gartenbild einzubinden, aber auch um Versiegelungsgrad und kleinklimatische Wirkung durch Hitzeabstrahlung der Flächen zu optimieren, werden diese mit einem Rasenfugenpflaster ausgestattet. Die grünen Fugen verzahnen sich mit den anschließenden Rasenflächen. Neben dem Parken kann die Fläche auch dem Platz für Spiel und Veranstaltungen zugeschaltet werden. Direkt an der Niederfeldstraße werden sechs Stellplätze vorgehalten – zwei davon als Carsharing, die auch der Nachbarschaft zu Gute kommen. Gesamtsumme 21 Stellplätze, davon 2 Carsharing.
Fahrradstellplätze werden zentral in Gebäude B vorgehalten (in Verbindung mit einer Werkstatt), hinzu kommt ein überdachter Standort auf dem zentralen Platz. Auch dieser überdachte Pavillion bleibt nutzungsoffen und bietet im Alltag und bei Festen vielfältige Nutzungsmöglichkeiten.

* aus: Lexikon der Nachhaltigkeit (IHK Mittelfranken)

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit überzeugt durch die Anordnung von vier klaren Baukörpern in den durch den B-Plan vorgegebenen Baufeldern. Die zur Niederfeldstraße orientieren Baukörper schaffen durch die auf der Straßenseite angeordnete Gebäudeerschließung eine Adressbildung. Die Anordnung des Gemeinschaftsraums vom nordöstlichen Baukörper muss hinsichtlich der Baugrenzen überprüft werden. Der Baukörper lässt sich jedoch zu Lasten der Gebäudegasse in diesem Baukörper oder zu Lasten des Volumens dieses Gebäudeteils zurückschieben. Die Gebäudedurchgänge der straßenseitigen Baukörper bieten eine zusätzliche Erschließung der gemeinschaftlichen Innenbereiche. Hier muss geprüft werden, ob diese Einladung an die Öffentlichkeit nicht zum Konflikt mit dem Wunsch der Anwohner nach Privatheit führt. Ggf. müssen hier Türen oder andere bauliche Maßnahmen für eine Klarheit sorgen.

Die Gebäudeerschließung und die Gebäudestruktur sind auf allen 4 Baufeldern gleich. Bei den straßenseitigen Baukörpern werden die Gemeinschaftsräume für Werkstatt und Gemeinschaftsraumnutzung sowie eine zentrale geschützte Fahrradabstellanlage eingeschoben. Durch die gläserne Fassadengestaltung heben sich die besonderen Nutzungsbereiche von den Baukörpern ab und schaffen damit eine Eingangssituation zu dem Quartier.
Die Gebäudeerschließung mit breiten und zugleich kurzen Laubengängen ermöglicht eine vielfältig gestaltbare Gebäudestruktur und schafft darüber hinaus wertvollen Begegnungsraum für die Laubenganganrainer.

Die Gebäudestruktur bietet einerseits gute 2- und 3-Zimmer-Geschosswohnungen. Im Rahmen der Möglichkeiten werden Bäder mit Fenstern ausgestattet. In der gleichen Struktur lassen sich auch mittelgroße bis große Clusterwohnungen übereinanderschichten. Diese Struktur ermöglicht es der Ausloberin zu einem späteren Projektzeitpunkt, über den Wohnungsmix zu entscheiden. Langfristig bietet diese Struktur die Möglichkeit, weitere Clusterwohnungen zu schaffen oder Clusterwohnungen in Geschosswohnungen umzuwandeln.
Besser wäre, die im EG angeordneten Abstellräume in einen teilunterkellerten Bereich zu verlagern; an dieser Stelle wäre zusätzlicher Wohnraum zu bevorzugen. Ebenfalls ist die Einhaltung der zulässigen GFZ zwingend zu beachten.

Die Mitte wird von einem Platz besetzt, der alle vier Gebäude miteinander verbindet und als Festplatz und Multifunktionsplatz für die Gemeinschaft dienen kann.

Die Parkplätze liegen im hinteren Bereich des Grundstücks und werden über die Zufahrt und den Platz erschlossen. Ein Teil der Parkplätze wird an der Niederfeldstraße angeboten. Der B- Plan lässt dies zu und tut dem Innenhof und seiner Freiraumstruktur gut.

Die Freiflächen bieten genug Privatheit in den Terrassenbereichen. Heckenstrukturen schirmen die Einsicht ab.
Der Baumplatz zwischen Niederfeldstraße und Platz bildet einen guten Puffer. Die wassergebundene Decke sollte in Teilen zu Gunsten einer Rasenfläche verändert werden, um den Anteil der befestigten Flächen an der Niederfeldstraße zu minimieren.

Insgesamt bietet der Freiraum eine hohe Flexibilität und spiegelt die Intension der Ausloberin - eine Ausgewogenheit von Privatheit und Gemeinschaft - wider.