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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2021

Schul- und Internatsneubau am Standort Johannes-Vatter-Schule in Friedberg (Hessen)

Perspektive Schule

Perspektive Schule

3. Preis

Preisgeld: 9.200 EUR

Lehmann Architekten GmbH

Architektur

Erläuterungstext

Schüler, so hoffen wir alle, können nach Corona einen Großteil des Tages wieder
an ihrer Schule verbringen. Schule ist daher nicht nur ein rein funktionaler Lernort
sondern ein zentraler Lebensort, der Aufenthaltsqualität und räumliche Vielfalt
besitzen sollte. Mit den vom Landeswohlfahrtsverband Hessen geplanten
Maßnahmen, dem Neubau einer Grundschule mit Internat und einer Sporthalle,
mit der Ausweitung der Ganztagesbetreuung sowie der Neustrukturierung der
Gesamtliegenschaft, besteht nun die Möglichkeit, diesem Ziel näherzukommen.

Hier eröffnet der vorgeschlagene Rückbau der Bestandsgebäude, in Verbindung mit der städtebaulichen Setzung der Neubaumaßnahmen die Chance, einen neuen auf Aufenthaltsqualität ausgerichteten Schul- und Bildungscampus zu entwickeln, der darüber hinaus in dem sehr heterogenen Umfeld die städtebauliche Weiterentwicklung fördert. Deshalb waren folgende Aspekte bei der Konzeptfindung wichtig:

• Schulcampus mit hoher Aufenthaltsqualität, offen für eine Freiraumgestaltung für Maßnahmen zur Klimaverbesserung.

• Leistungsfähiges Schul- und Internatsgebäude mit hoher Nutzungsqualität und angemessener städtebaulicher Dominanz.

• Kompaktes Gebäudeensemble als Grundlage für ein energieeffizientes,
klimastabiles Gebäude mit geringen Betriebskosten.


Komposition, städtebauliche Setzung und Funktionalität
Die Erhaltung der vorhandenen Infrastruktur, die funktionale Vernetzung von Bestand und Neubaumaßnahmen sowie dem Schulcampus im Norden einen baulichen
Abschluss zu geben, der gleichzeitig den Zugang zur Gesamtanlage definiert, waren Ausgangspunkte für die städtebauliche Setzung der Neubaumaßnahmen. Die dadurch entstandene räumliche Fassung - Sporthalle im Norden, Bestandsgebäude (Schule und Mensa) im Westen und Neubau Grundschule mit Internat im Süden – eröffnen Spielräume für eine qualitätsvolle Gestaltung des Freiraumes im Innern, ohne eine künftige bauliche Entwicklung im Osten zu beeinträchtigen.

Um in der sehr heterogenen bebauten Nachbarschaft die notwendige und
angemessene städtebauliche Wirkung zu erreichen, wurde die Grundschule und das Internat in einer Gebäudekonzeption mit getrennten Zugangsbereichen vereinigt.

Die vorgeschlagene, in zwei Baukörper gegliederte zweigeschossige Lösung
berücksichtigt die Trennung in die gewünschten Funktionsbereiche Schule mit
Verwaltung, Internat mit Ganztagesbetreuung und Verwaltung der Förderschulen in Hessen ebenso wie die Verbindung und den Austausch auf kurzen Wegen.

Die Lage des Musikraumes in der Grundschule im Erdgeschoss im Eingangsbereich erfüllt neben der gewünschten Mehrfachnutzung auch die bauliche Voraussetzung für die notwendig vibrationsfreie Ausführung.


Architektur, Materialität und Nachhaltigkeit
Die Gestalt der Gebäudeform resultiert aus den funktionalen Vorgaben des
Raumprogrammes, aus den Bedingungen vor Ort und dem Wunsch durch eine
nachhaltige Architektur Räume innen wie außen zu schaffen, in denen Unterricht, Spiel, Sport und Freizeit sowie das Wohnen in landschaftlich reizvoller Situation
stattfinden kann.

Die Berücksichtigung der vorhandenen Infrastruktur, Wege, Pausenhofflächen,
Bestandsgebäude etc. sowie eine wirtschaftliche Bauweise waren die wesentlichen Parameter für die Entscheidung den Entwurf auf einem orthogonalen Raster zu
entwickeln. Das kompakte, klar strukturierte Gebäude eignet sich deshalb für eine in Vorfertigung ausgerichtete elementierte Bauweise, sowohl in Beton als auch in einer Holzhybridbauweise.

Zur Verbesserung der Energiebilanz wurde darauf geachtet, dass die Fassaden
ein ausgewogenes Verhältnis zwischen transparenter und geschlossener Wandteile aufweisen, ohne die Qualität der ausreichenden natürlichen Belichtung und Belüftung zu beeinträchtigen. Die geschlossenen Wandteile der Außenfassaden werden in einer hochgedämmten Vormauerziegelfassade, die transparenten Öffnungen als Holz-Alu-Konzeption in 3-fach Verglasung und außenliegendem, textilen Sonnen-schutz
vorgeschlagen.

Die Innenräume sind geprägt von hochwertigen Holzfensterrahmen mit großflächigen Verkleidungselementen in heller Tanne. Holzakustikdecken in sämtlichen Auf-enthaltsbereichen ermöglichen eine optimierte Raumakustik und somit eine flexible Nutzung der Unterrichtsräume in unterschiedlichen Gruppengrößen.

Die insgesamt kompakte, hochgedämmte und wärmebrückenfreie Gebäudekonzeption bietet die Grundlage für den Erfolg der von den TGA-Planern noch zu erarbeitenden Gebäudetechnik. So kann das vorgeschlagene intensiv begrünte Flachdach, z. B.
eine Photovoltaikanlage aufnehmen, die als regenerative Stromproduktion die
Energiebilanz verbessert.

Neben diesen energetischen Aspekten sorgt ein begrüntes Flachdach für einen öko-logischen Ausgleich für das in Anspruch genommene Gelände und entlastet darüber hinaus durch die Rückhaltung von Regenwasser die örtliche Infrastruktur.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser entwickeln einen Ort, der die zu erhaltenden Gebäude der Schulanlage sowie die geplanten Neubauten auf dem Gelände sinnhaft in Beziehung setzt. Durch die Konzeption des Außenraumes, welche die bestehende Parkplatz und Zugangssituation sowie das Rondell (Brunnen Platz) vor der ‚Neuen Schule‘ im Gesamtkonzept berücksichtigt, als Schulhof erweitert und durch eine orthogonal gegliederte Neugestaltung die bestehenden Freiflächen ergänzt, wird eine attraktive Campusanlage geschaffen. Die Gliederung der Freiflächen der neuen Schulanlage wirkt vor dem Hintergrund eines flexiblen pädagogischen Ansatzes trotz der Einbindung von Sport und Spielflächen durch eine rasterartige Struktur etwas rigide.
Für den Schul- und Internatsbau schlagen die Verfasser einen zweigeschossigen Baukörper, bestehend aus zwei versetzt nebeneinander angeordneten Kuben im Süden des Geländes vor. Parallel zum Bestandsgebäude der ‚Neuen Schule‘ liegend, werden im Neubau die beiden Verwaltungseinheiten, die Schulräume und das Internat untergebracht. Durch das Zusammenbringen der Nutzungen entsteht ein kompakter Baukörper, der im Gesamtkontext eher großmaßstäblich anmutet. Die Nähe des Baukörpers zum Grünen Weg ist für die Internatsnutzung wegen der dort auftretenden Schallemissionen etwas ungünstig.
Die Verortung der Sporthalle mit den angrenzenden Spiel- und Freiflächen im Norden des Gebiets ist hingegen vorteilhaft, da der zu erwartende Schallpegel in diesem Bereich hoch ist. Die Lage angrenzend an Zufahrt und nahe der Homburger Straße ist daher schlüssig. Es wurden ausreichend Fahrrad-Stellplätze nachgewiesen, jedoch sind die PKW-Stellplätze nicht vollständig dargestellt.

Die vorgeschlagene Gebäudetypologie des neuen Baukörpers erscheint für die geplante Nutzung nicht durchgängig geeignet. Durch zwei versetzt zueinander angeordnete Gebäudeteile kann eine räumliche Trennung des Schul- und Internatsbetriebs nicht hergestellt werden. Eine Separierung der Nutzungen durch zwei getrennte Baukörper, die zwar in räumlichem Bezug jedoch mit ausreichend baulichem Abstand zueinanderstehen wäre wünschenswert gewesen, um eine funktionale Durchmischung zu vermeiden.

Die Geste der Gebäudefigur lässt auf eine andere Lage des Eingangs schließen, als sie vom Verfasser vorgeschlagen ist. Die Erschließung für die Verwaltung und das Internat ist einerseits zusammengeführt und im Inneren räumlich ungeschickt getrennt. Eine barrierefreie und behindertengerechte Erschließung ist gegeben.

Die Verfasser sehen den östlichen Teil des Hauses für die Schulräumlichkeiten vor und ordnen den Musikraum gut zugänglich gleich neben dem Eingangsbereich auf der Gebäudenordseite an. Im Obergeschoss, das durch eine einläufige Treppe in Gebäudemitte erschlossen wird, reihen sich die unterschiedlich großen Klassenzimmer linear aneinander. Der Baukörper weist eine vergleichsweise tiefe Mittelzone auf, die neben der Treppenanlage dazu genutzt wird, die ein läufige Treppe und die Sanitärräume unterzubringen. Für die anvisierte Flexibilität pädagogischer Konzepte bietet die innere Zonierung in dargestellter Form einen geringen Spielraum und wenig Möglichkeiten für Anpassungen bei eventuellen Nutzungsänderungen.
Die Verteilung in das Obergeschoss des westlichen Gebäudeteils erfolgt über einen Treppenaufgang direkt neben dem Haupteingangsbereich auf der Nordseite, von dem man die Internatsräumlichkeiten erreicht. Auch hier entsteht eine etwas zu tief dimensionierte Mittelzone. Die Ausrichtung der Schlafzimmer gen Westen ist positiv und ermöglicht eine gute Belichtung am Nachmittag und Abend.

Die Kompaktheit des Gebäudes, die vorgeschlagene Holz-Hybridkonstruktion und die Gestaltung der Fassaden entsprechen einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Entwicklungsidee. Die großen Fensterflächen, die für ausreichend Belichtung und möglicherweise auch natürliche Belüftungsmöglichkeiten sorgen, werden von opaken Fassadenteilen aus vorgehängten Mauerwerkselementen abgelöst. Ein textiler Sonnenschutz reduziert den solaren Ertrag durch die geschosshohen Fensterelemente. Ein ergänzendes TGA-Konzept, Dachbegrünung und die Integration von PV-Flächen auf den Dächern tragen zu einer optimierten Energiebilanz bei.
Eine Gliederung des Entwurfs in Bauabschnitte ist im Konzept nicht erkennbar, jedoch eignet sich die klare Struktur der Baukörper und die geplanten baukonstruktiven Maßnahmen für eine Vorfertigung des Projekts, wodurch ein effizienter Planungs- und Bauprozess auch während des Schulbetriebs gewährleistet wäre.

Das Preisgericht würdigt den Gesamtansatz der Arbeit, dessen Grundidee eines integrierten Schulcampus der Idee einer zeitgemäßen Bildungslandschaft im sonderpädagogischen Bereich entspricht. Die gewählte Gebäudetypologie und die Qualität der Erschließung samt Innenraum werden an manchen Stellen kritisch bewertet.
Perspektive Luft

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Ansicht

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Lageplan

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