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Nichtoffener Wettbewerb | 05/2021

Entwicklung CISPA Helmholtz Campus in SaarbrĂŒcken

Anerkennung

Preisgeld: 6.000 EUR

SEETAL Susan Eipper et al. Architektur und Stadtplanung

Stadtplanung / StÀdtebau

Michael Palm

Landschaftsarchitektur

ErlÀuterungstext

NatĂŒrlich Digital

Der Vorliegende Entwurf erweitert die bestehenden Strukturen des international renommierten CISPA Helmholtz-Zentrums fĂŒr Informationssicherheit zu einem grösseren Forschungscampus. Unter Einbezug vielfĂ€ltiger ErwĂ€gungen hinsichtlich ZukunftsfĂ€higkeit und Nachhaltigkeit, FlĂ€cheneffizienz in bewegter Topografie, Klimaanpassung, wird als ĂŒbergeordnetes Ziel gesetzt, diesen Campus basierend auf den Faktoren Flexibilisierung, Digitalisierung und Globalisierung von Arbeit so zu gestalten, dass die architektonische und stĂ€dtebauliche „Hardware“ kompatibel zur „Software“ einer „kontemporĂ€ren Arbeitskultur“ gehalten wird. Der Entwurf betrachtet die Implementierung dieses Leitgedankens als zentrales architektonisches und stadtplanerisches Mittel zur StĂ€rkung der internationalen Strahlkraft des neuen CISPA Helmholtz Campus. Der neue Campus wird als Lichtung im stark bewaldeten Areal angelegt und erhĂ€lt vielfĂ€ltige FreirĂ€ume in WaldatmosphĂ€re, die sich als regenerative und kreativitĂ€tsfördernde Aufenthaltsorte prĂ€sentieren.

StÀdtebauliche Leitidee

Ziel der Entwicklungsstrategie ist, den CISPA-Campus als neuen Orientierungspunkt im UniversitÀtsstandort mit einem Schwerpunkt im östlichen Teil des Areals zu etablieren. Die grossflÀchigen Grundrisse der drei HauptgebÀude erlauben flexible interne Nutzungen.

1. Adressbildung + Integration Bestand
Das neue HauptgebĂ€ude schafft eine klare Adresse fĂŒr den Campus und integriert die bestehenden CISPA GebĂ€ude durch entsprechende Platzierung und Dimensionierung. Die Erdgeschossnutzungen des HauptgebĂ€udes spielen hier ebenfalls eine Rolle.

2. Anspruchsvolle Topografie
Zwei weitere wichtige Bausteine dienen als HöhenbrĂŒcke zwischen den drei Hauptebenen des Campus.

3. Natur und Landschaft
Wassermanagement muss aufgrund der lokalen Bedingungen eine Leitidee fĂŒr die Konfiguration des Gebietes sein. Unter entsprechender BerĂŒcksichtigung werden durch die GebĂ€udesetzungen diverse, vielfĂ€ltige und qualitativ hochwertige FreiflĂ€chen etabliert.

GrĂŒn- und Freiraumkonzept

SchwerpunktmĂ€ĂŸige Erhaltung der WaldatmosphĂ€re. Die in den Wald gesetzten GebĂ€ude lassen in dem zwischen ihnen entstehenden Raum die „Campus Lichtung“ entstehen. Sie besteht aus drei Höhenebenen und mĂŒndet am „Unteren Platz“ in die „CISPA-Terrassen“ am HauptgebĂ€ude. VielfĂ€ltige divers nutzbare FreirĂ€ume in der bewegten Topografie um die „Campus Lichtung“ herum, sowie nutzbare FreiflĂ€chen auf einigen DĂ€chern der GebĂ€ude, fördern eine kontemporĂ€re Arbeitskultur. Die Akteure verfĂŒgen ĂŒber ein heterogenes Angebot unterschiedlich skalierter Szenarien fĂŒr das Campusleben.

- Die „CISPA Terrassen“ erweitern die GrĂŒnflĂ€chenplanung zwischen CISPA 0 und 1 zu einer FreiflĂ€che mit parkĂ€hnlicher AtmosphĂ€re. Diese wird von der öffentlichen „Galerie“ (Coworking und Showroom) des HauptgebĂ€udes bespielt. Es bildet zusammen mit dem „Vorplatz“ an der Dudweilerstraße und den „CISPA-Terrassen“ die Adresse des CISPA-Campus.
- Der „Untere Platz“ ist ein lebendiger urbaner Platz mit gemischten Erdgeschossnutzungen.
- Das „Waldforum“ ist ein anhand der Topographie gut umsetzbares Amphitheater mit atmosphĂ€rischem Baumbewuchs.
- Der „Obere Platz“: ist ein kleines Zentrum im östlichen Bereich des Campus.
- Die „Waldterrassen“: schaffen eine Verbindung zum Unicampus ĂŒber einen barrierefreien Waldweg und bieten kleine Aufenthaltsbereiche im Wald.
- Die „SportflĂ€chen“: befinden sich auf der DachflĂ€che des Parkhauses. Es bietet als grĂ¶ĂŸte zusammenhĂ€ngende ebene FreiflĂ€che des Campus das Potential zur Unterbringung von Sportnutzungen. Ebenfalls im Sinne einer „kontemporĂ€ren Arbeitskultur“ wĂ€re eine Kletterwand an der Fassade des Parkhauses denkbar.
- Der „Rooftop“: ist ein Coworking-Space mit WintergĂ€rten und Sommerterrassen.
- Die „RetentionsgĂ€rten“: befinden sich entlang des gesamten sĂŒdlichen Randes des Wettbewerbsgebietes und sind SchlĂŒsselbereiche fĂŒr das Wassermanagement. Diese FlĂ€chen werden von den GebĂ€udenutzungen bespielt und verfĂŒgen ĂŒber AufenthaltsqualitĂ€t.

Erschließungs-, Park-, MobilitĂ€tskonzept

Der CISPA Campus ist ein autofreier Campus mit einer kompakten Erschließungsstruktur. Trotz der bewegten Topographie können die drei Erschließungsebenen der „Campus Lichtung“ mit nur wenigen AufzĂŒgen/Rolltreppen barrierefrei verbunden werden.
Ein barrierefreier Zugang zur geplanten Straßenbahn an der Landstraße im Norden wĂ€re auf Höhe des unteren Platzes gegeben. Am Haupteingang an der Dudweilerstraße befinden sich eine Bushaltestelle und das Parkhaus. Das E-Mobility-Hub im Parkhaus stellt verschiedene elektrische Fortbewegungsmittel zur Nutzung auf dem Campus bereit (E-Bikes, E-Tretroller, ECampus- Karts).
Ladestationen und Abstellmöglichkeiten fĂŒr FahrrĂ€der und E-MobilitĂ€t sind ĂŒber den Campus verteilt platziert.
Die Campus Lichtung ist durch ein Netz mittel- und kleindimensionierter Wege an umliegende bestehende Einrichtungen und Wege angeschlossen.
Anlieferung, MĂŒllabfuhr sowie Feuerwehrzufahrt erfolgen ĂŒber den sĂŒdlichen Anschluss an die Straße Stuhlsatzenhaus. Eine Wendemöglichkeit findet sich im „Oberen Platz“. Alle Innenhöfe dienen als FeuerwehraufstellflĂ€chen. Ein Kiss-and-Ride Bereich fĂŒr Nutzer der Kita ist ebenfalls ĂŒber den sĂŒdlichen Anschluss zu erreichen.

EntwÀsserungskonzept

Die Problematik der Überflutungen nach Starkregen im sĂŒdlichen Bereich des Wettbewerbsgebiets wird durch ein mehrstufiges System des Regenwassermanagements angegangen. Nach der Idee der Schwammstadt wird blau-grĂŒne Infrastruktur anhand folgender Prinzipien eingesetzt:
‱ Versickern: RetentionsgĂ€rten, -plĂ€tze, -beete und -dĂ€cher dienen als Retentions- und VerdunstungsflĂ€chen.
‱ Speichern: Regenwasserzisternen in den Innenhöfen speichern ĂŒber ein EntwĂ€sserungssystem gesammeltes Regenwasser, das so vorgehalten zur GebĂ€udekĂŒhlung genutzt werden kann.
‱ Leiten und SchĂŒtzen: Im Falle von besonders starken NiederschlĂ€gen kann das Wasser ĂŒber den Notwasserweg in Richtung RĂŒckhaltebecken abfliessen.
‱ RĂŒckhalten: RĂŒckhaltebecken auf der östlichen Seite der Dudweilerstraße.

Energiekonzept

Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung wird die Anlegung eines NahwĂ€rmenetzes empfohlen. Da die ErdwĂ€rmenutzung in diesem Gebiet laut SaarlĂ€ndischem Ministerium fĂŒr Umwelt ungĂŒnstig ist, wird die Nutzung eines Block- bzw. Holzhackschnitzel-Heizkraftwerks in Kombination mit solaraktiven Systemen wie Photovoltaik oder Solarthermie empfohlen. Es bietet sich an, die Heizzentrale als Teil des neuen Umspannwerks einzuplanen, das im nordöstlichen Bereich angelegt wird. Es wird ĂŒber den Waldweg vom Campus sowie ĂŒber die Dudweilerstrasse angebunden. Die GebĂ€ude werden konsequent energiesparend und ressourcenschonend ausgefĂŒhrt und mit technischen Systemen ausgestattet um weitere CO2-Einsparungen vorzunehmen. Der Entwurf sieht beispielsweise vor, das in unterirdischen Zisternen in den GebĂ€udeinnenhöfen gesammelte Regenwasser fĂŒr die adiabatische GebĂ€udekĂŒhlung zu nutzen.

Bauabschnitte

Der Entwurf lĂ€sst sich in vier Bauabschnitte aufteilen. Diese können sukzessive umgesetzt werden und erweitern die „Campus Lichtung“ jeweils um eine weitere Höhenebene in östlicher Richtung. Mit jedem fertiggestellten Bauabschnitt entsteht ein in sich geschlossenes Campusbild. Der erste Bauabschnitt schafft die Adressbildung des Campus, fasst den Freiraum zwischen CISPA 0 und 1 ein und bringt einen Großteil des angesetzten Raumprogramms unter. Der zweite Bauabschnitt komplettiert das Raumprogramm von CISPA inklusive Kita und GĂ€stehaus. Der „Untere Platz“ formt sich. Dieser Bauabschnitt enthĂ€lt bereits zu ca. 5-10% FlĂ€chen fĂŒr die Unterbringung von externen Forschungseinrichtungen. Der dritte Bauabschnitt enthĂ€lt ErweiterungsflĂ€chen. Hier entsteht auch das „Waldforum“. Falls bei der Realisierung des ersten Bauabschnittes entschieden wurde das Parkhaus nicht sieben- sondern nur fĂŒnfstöckig zu errichten, mĂŒsste es jetzt bei unverĂ€ndertem StellplatzschlĂŒssel um zwei Stockwerke aufgestockt werden um die notwendigen StellplĂ€tze fĂŒr die Bauabschnitte drei und vier bereitstellen zu können. Der vierte Bauabschnitt enthĂ€lt ErweiterungsflĂ€chen. Der „Obere Platz“ entsteht. Über die „Waldterrassen“ wird eine Verbindung zum Unicampus geschaffen.


Nutzungsverteilung

NĂ€he Unterer Platz (Ebene +247m)
Ein lebendiger Platz, belebt durch gemeinschaftliche Nutzungen wie Veranstaltungssaal, Multifunktionshalle, „Galerie“ ein öffentlicher Coworkingbereich und Showroom, sowie durch ergĂ€nzende Erdgeschossnutzungen wie Gastronomie, Copyshop und Tante-Emma-Laden. Hier befinden sich ebenfalls die Sportanlagen. Das GĂ€stehaus, die Kita sowie die „Tree Houses“, eine Art „Micro-Enklaven“ fĂŒr Besprechungen, Workshops oder solitĂ€res Arbeiten mit besonders naturnaher AtmosphĂ€re, befinden sich ebenfalls um diesen Bereich.

NĂ€he Waldforum (Ebene +254m)
CISPA und weitere Forschungseinrichtungen; „Mezzanin“ mit modularen Arbeits- und BesprechungsrĂ€umen sowie der „Rooftop“, ein Coworkingbereich auf der DachflĂ€che.

NĂ€he „Oberer Platz“ (Ebene +262m)
CISPA und weitere Forschungseinrichtungen, Campus-CafĂ© mit „BegegnungskĂŒche“, weitere „Tree Houses“.
Im Sinne einer vor einem globalisierten Hintergrund gedachten „kontemporĂ€ren Arbeitskultur“, die den CISPA Campus auch fĂŒr internationale Talente attraktiv macht, ist die Wichtigkeit von Orten wie der „BegegnungskĂŒche“, den Sportanlagen und „Tree Houses“ zu betonen. Letztere können beispielsweise auch als „Prayer Rooms“ genutzt werden. Lebenswelt und Arbeitswelt möchten als Einheit betrachtet werden um die komplexe LebensfĂŒhrung der Individuen im Einklang mit ihrer Erwerbsarbeit zu ermöglichen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Wettbewerbsbeitrag zeichnet sich durch klare Baukörperdispositionen aus, die zur Adressbildung auf dem Campus beitragen. Im Zentrum des Entwurfs stehen drei große GebĂ€udevolumen, auf die sich die neuen wissenschaftlichen FlĂ€chen des Instituts verteilen sollen. Flankiert wird diese Struktur von kleineren GebĂ€uden, in denen sich Serviceangebote wie z.B. eine KindertagesstĂ€tte, ein CafĂ© oder ein GĂ€stehaus gut unterbringen lassen.

Daraus ergibt sich auf den ersten Blick ein stimmiges Bild von GebĂ€ude- und Raumfolgen. Die Wegebeziehungen zwischen den GebĂ€uden im Westen und im Osten finden ihren klar erkennbaren Anfangs- bzw. Endpunkt an den beiden HauptplĂ€tzen. Auch die rĂ€umliche Anbindung nach SĂŒden zu den CISPA-BestandsflĂ€chen ĂŒber die CISPA-Terrassen wirkt schlĂŒssig und unternimmt den Versuch, den CISPA Campus zu einem großen Ganzen zusammenzufassen. Ob sich die WegefĂŒhrung trotz der vorgegebenen Topografie tatsĂ€chlich in der dargestellten Form realisieren lĂ€sst, ist kritisch zu hinterfragen.

Bei nĂ€herer Betrachtung ergeben sich allerdings durch die hybride Nutzung des grĂ¶ĂŸten Baukörpers Probleme. In dem siebengeschossigen Volumen, in denen InstitutsflĂ€chen und ParkierungsflĂ€chen versammelt sind, sind die gewĂŒnschte wissenschaftliche Kommunikation und ein inspirierender Gedankenaustausch schwer vorstellbar. Zudem fallen die Innenhöfe in den drei HauptgebĂ€uden zu groß aus. Angesichts der reizvollen Umgebung sind Innenhöfe in dieser Dimension nicht erforderlich und hĂ€tten eher in einem urbanen Umfeld ihre Berechtigung. Problematisch einzustufen sind auch die sehr großen Eingriffe in den Hang, die aus den großen GebĂ€udetiefen resultieren. Nachteilig zu bewerten ist zudem, dass bereits zu Beginn der baulichen Umsetzung das große Parkhaus in GĂ€nze errichtet werden muss, auch wenn der Stellplatzbedarf erst ĂŒber die Jahre wachsen wird.

Sehr zu begrĂŒĂŸen ist, dass die vorgeschlagene Bebauungsstruktur von einem grĂŒnen Wegeband nahezu vollstĂ€ndig eingerahmt wird. Dennoch ist die erforderliche Regenwasserretention aufgrund der geringen FlĂ€chenvorhaltung hierfĂŒr nur als schwer realisierbar einzustufen.

Die Kennzahlen hinsichtlich GRZ bzw. GFZ liegen im durchschnittlichen Bereich. Die infrastrukturelle Ver- und Entsorgung ist gewÀhrleistet.

Insgesamt wird ein starkes und voluminöses Konstrukt fĂŒr die Campus-Entwicklung vorgeschlagen, das aber weder hinsichtlich der NutzerwĂŒnsche als hinsichtlich der landschaftlichen Integration nicht ganz den richtigen Ton trifft.