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Offener Wettbewerb | 06/2021

Neubau KindertagesstÀtte im Ortlerweg in Berlin

1. Preis

KONTEXT ARCHITEKTEN

Architektur

hammerich landschaftsarchitektur

Landschaftsarchitektur

ErlÀuterungstext

'Zwischen den BĂ€umen'

Die Leitidee besteht darin, das GrundstĂŒck mit seiner intensiven Bepflanzung durch BestandsbĂ€ume anzunehmen und die Architektur in die Lichtung einzufĂŒgen. Das GebĂ€ude nimmt sich gegenĂŒber den BĂ€umen zurĂŒck und wir betreiben gewissermaßen architektonische Aufforstung auf der Lichtung. Einzig an der sĂŒd-westlichen GrundstĂŒcksgrenze werden zwei BĂ€ume entfernt, so dass die KindertagesstĂ€tte zum Straßenraum sichtbar wird. Hier öffnet sich die KindertagesstĂ€tte mit einer einladenden Geste zum öffentlichen Raum. Dem Entfernen der insgesamt drei BĂ€ume steht die Neupflanzung mit 44 BĂ€umen entgegen, die insbesondere im Eingangsbereich zur Geltung kommt. Beim Betreten des GebĂ€udes wird der Blick bereits in den Garten gelenkt, sodass auch fĂŒr Eltern der naturverbundene Charakter des Ortes erfahrbar wird.
Durch die Verdichtung der vorhandenen BĂ€ume wird eine waldĂ€hnliche AtmosphĂ€re geschaffen werden, die durch die unversiegelten FlĂ€chen im Gartenbereich unterstrichen wird. Bedeckt mit Rindenmulch sowie Sand wird in Kombination mit einer Unterpflanzung der BĂ€ume mit Farnen und HeidelbeerstrĂ€uchern ein Waldboden geschaffen. Die Entscheidung die BĂ€ume zu erhalten und zusĂ€tzlich neue anzupflanzen trĂ€gt Symbolwirkung fĂŒr eine grĂŒne Stadt trotz angestrebter Verdichtung!
Dicht gepflanzte BĂ€ume schaffen ein Mikroklima, spenden Schatten, geben große Mengen Sauerstoff ab und verdunsten viel Wasser, wodurch die Temperatur gesenkt wird. Im stĂ€dtischen Kontext wirkt sich diese QualitĂ€t hinsichtlich gesunder Lebensumgebung positiv aus.
Das GebÀude gliedert sich in drei klar ablesbare Teile, denen die Funktionen konkret zugeordnet sind.
Im sĂŒd-westlichen Teil des GebĂ€udes befinden sich die Personal- und ServicerĂ€ume, die anderen beiden GebĂ€udeteile beherbergen die GruppenrĂ€ume.
Die KindertagesstĂ€tte baut sich in drei Schichten auf, in der Analogie eines Waldes. Unten im Stammbereich befinden sich die Ankunft, die RĂ€ume zur Interaktion zwischen Erziehern und Eltern sowie die Krippengruppen mit den 0-3-jĂ€hrigen Krippenkindern. Der Ausgang zum Außenbereich der Krippe, der sich im Nord-West-Teil des Gartens befindet ist ebenerdig und somit selbst im Krabbelalter eigenstĂ€ndig zu erreichen.
FĂŒr die Kindergartenkinder ist das Treppenlaufen mit der gestiegenen MobilitĂ€t ein Kinderspiel. Ihre GruppenrĂ€ume befinden sich im Obergeschoss, in Anlehnung an die Baumkronen. Die Kinder sind heutzutage von langen Betreuungszeiten betroffen und benötigen daher RĂŒckzugsrĂ€ume um sich den vielen Reizen zu entziehen und 'die Seele baumeln zu lassen'. So befinden sich in den freien Bereichen des Obergeschosses 'breakout spaces' mit unterschiedlichen AtmosphĂ€ren, eine Bilderbuchecke, eine Ruhe-, eine Bau- und eine Malecke. Aus diesen Bereichen schauen die Kinder direkt in die Kronen der umliegenden BĂ€ume und können ihre Blicke schweifen lassen und entspannen. Laut der japanischen Wissenschaft des Waldbadens beruhigt die Farbe GrĂŒn die Nerven und stimuliert das Immunsystem.
Die großzĂŒgig angelegte Treppe stellt durch ihre Formgebung und ihre WegefĂŒhrung eine Verbindung zwischen den Baumkronen- und dem Gartenbereich dar. Die Außenbereiche von Krippe und Kindergarten sind nicht hermetisch voneinander getrennt, sondern erlauben den grĂ¶ĂŸeren Krippenkindern mit dem Wachsen ihrer SelbstĂ€ndigkeit, nach und nach aus ihrem geschĂŒtzten Raum heraus die Bereiche der 'Großen' zu erobern. Der Entwurf sieht vor, ein weiteres Geschoss auf den Kindergarten aufzusetzen, was laut B-Plan zulĂ€ssig ist. So wird die GrundflĂ€che der KindertagesstĂ€tte minimiert, sodass der Außenbereich sehr großzĂŒgig ausfĂ€llt. Der unversiegelte Boden bietet den Kindern Inspiration zum Bauen und Gestalten. Über das Dachgeschoss werden die Dachterrassen erschlossen, die den jeweiligen Nutzungen direkt zugeordnet sind.
Der große Bewegungsraum lĂ€sst sich durch seine Faltschiebefensteranlage vollstĂ€ndig mit dem Terrassenbereich verbinden. Hier können Bobbycars und LaufrĂ€der zum Einsatz kommen, die einer befestigten FlĂ€che bedĂŒrfen. Weitere Funktionen in diesem Geschoss sind die besonderen RĂ€ume wie das Atelier, das Musikzimmer, der Bauraum und der Werkraum. Diese Nutzungen sind offen fĂŒr die Krippe und den Kindergarten, sprechen aber insbesondere die Ă€lteren Kinder in Vorbereitung auf die Grundschule an.
Als Anlehnung an Baumkronen, wo sich die BĂ€ume bereits lichten, nimmt sich das Dachgeschoss gegenĂŒber dem darunterliegenden Geschoss in seinen Ausmaßen zurĂŒck. Formal erinnern die drei Volumen an Baumformationen, die besonders im Erd- und Obergeschoss klar abzulesen sind und zwischen denen die Bewegungsströme hindurchfließen. Im Erdgeschoss können in den offenen VerkehrsflĂ€chen dank eines robusten Fußbodens die TĂŒren bei warmen Temperaturen offen gehalten werden. Dies hat zur Folge, dass der Innen- und Außenraum ineinander fließt. Im Obergeschoss löst sich die Holz-Fassade von den Kronen und umschließt auch die ZwischenrĂ€ume organisch und spielerisch. Hierdurch wird das rĂ€umliche Wechselspiel zwischen den BĂ€umen und dem GebĂ€ude verdeutlicht.

Bauweise und GebÀudetechnik
Im Konzept fließt der Anspruch ein mit ganzheitlichem Ansatz nachhaltig zu agieren, nicht nur in der Errichtung und dem Betrieb des GebĂ€udes, sondern auch in der frĂŒhkindlichen Sensibilisierung fĂŒr die Natur. Als Bauweise ist vorgesehen den Keller und die aussteifenden Kerne der drei Module in Stahlbeton auszufĂŒhren. In den Modulen der Kindergarten- und KrippenrĂ€ume umschließen die Gruppen- und GruppennebenrĂ€ume zusammen mit der gemeinsamen Garderobe die Kerne in Holzbauweise. Die WĂ€nde sind in Holzrahmenbauweise und die Decken als Brettstapeldecke geplant. Die AußenwĂ€nde in allen drei Geschossen erhalten Holzfassaden. Als Energieversorger werden geothermische Tiefenbohrungen und Solarmodule genutzt werden. Das Regenwasser kann dank Zisternen zur WC-SpĂŒlung und BewĂ€sserung des Gartens genutzt werden. Die ExperimentierflĂ€che mit den Wasserspielelementen bietet die Möglichkeit dieser Weiterverwendung auch fĂŒr die Kinder erfahrbar zu machen. Der Nutzgarten mit Kompost dient ebenfalls dazu, den Kindern den Kreislauf der Natur nahezubringen. Die durch unser GebĂ€ude nachhaltig geprĂ€gte Sichtweise der Kinder wird auf dem weiteren Lebensweg weitergetragen und legt einen Baustein fĂŒr eine Gesellschaft, die verantwortungsbewusst mit natĂŒrlichen Ressourcen umgeht.

Brandschutz
Obwohl die ZwischenrĂ€ume zwischen den Nutzungseinheiten fließend und offen gehalten sind, ist die maximale FluchtweglĂ€nge von 35 Metern gesichert. Das offene Treppenhaus wird von einem weiteren brandsicheren Treppenhaus als 2. baulichen Fluchtweg im Personal- und Servicebereich ergĂ€nzt. Die Aufenthaltsbereiche fĂŒr die 0-3-jĂ€hrigen liegen im Erdgeschoss, da so eine Evakuierung einfacher möglich ist.

Beurteilung durch das Preisgericht

„Die Leitidee des Entwurfs besteht darin, das GrundstĂŒck mit seiner vorhandenen Bepflanzung durch BestandsbĂ€ume anzunehmen und die Architektur in die Lichtung einzufĂŒgen.“
Das GebĂ€ude ist als freie Form in die Lichtung zwischen den vorhandenen BĂ€umen auf dem GrundstĂŒck gesetzt. Der organische Baukörper in Holzbauweise unterstreicht mit seiner Positionierung, selbstbewusst seine Zweckbestimmung als KindertagesstĂ€tte zwischen WohngebĂ€uden und Gartenkolonie und ermöglicht eine optimale Ausnutzung des GelĂ€ndes unter Einbeziehung der BestandsbĂ€ume. Die biomorphe Form des Neubaus bewirkt auf dem GrundstĂŒck einen fließenden Übergang zwischen Außen- und InnenrĂ€umen. Durch die Neupflanzung von BĂ€umen wird der Waldcharakter des GrundstĂŒcks verstĂ€rkt und das GebĂ€ude intensiv mit der Pflanzenwelt verwoben.
Der Neubau in Holzbauweise setzt sich aus vier polygonalen Baukörpern mit geschwungenen Konturen zusammen. Drei fĂŒnfeckige Baukörper mit gerundeten Ecken sind durch Foyer- und Flurzonen miteinander verbunden und werden von einer umlaufenden Fassade zusammengefasst. Das Treppenhaus mit Aufzug ist mit dem vierten Baukörper in das Ensemble eingegliedert.
Vor dem Haupteingang am Ortlerweg wird ein einladender Eingangsbereich geschaffen. Bis auf die schmale Anlieferungszone am Ortlerweg werden die weiteren GrundstĂŒcksflĂ€chen als unversiegelter Waldgarten fĂŒr die Kinder genutzt.
Die funktionale Verteilung und Ausbildung der RĂ€ume und VerkehrsflĂ€chen im GebĂ€ude ist sehr ĂŒberzeugend und klar gelöst. Es entstehen abwechslungsreiche und anregende rĂ€umliche Situationen, die erlebnisreiche, altersgerechte Bewegung der Kinder im GebĂ€ude ermöglichen und eine identitĂ€tsstiftende Gestaltung aufweisen.
In Erdgeschoss und erstem Obergeschoss sind Gruppen- und PersonalrĂ€ume funktional zusammenhĂ€ngend in den einzelnen Baukörpern angeordnet. Die Verbindung erfolgt ĂŒber das Foyer im Erdgeschoss bzw. den Spielflur im ersten Obergeschoss.
Im Untergeschoss befinden sich der Abstellraum fĂŒr Kinderwagen, Lager-, Technik- und KĂŒchenrĂ€ume, die ĂŒber das Haupttreppenhaus und den Aufzug erschlossen sind. Die AnlieferungskĂŒche sollte in AbhĂ€ngigkeit der weiteren Abstimmungen natĂŒrlich belichtet sein.
Im zweiten Obergeschoss sind die SonderrĂ€ume mit vorgelagerten Dachterrassen untergebracht. Durch die zurĂŒckweichenden Fassaden entsteht der Eindruck eines Staffelgeschosses

Landschaftsarchitektur
Mit der Idee der VerschrĂ€nkung von Innen und Außen sowie der Entwicklung des Baumbestandes zu einem waldartigen Garten sensibilisiert das Landschaftskonzept die Kinder fĂŒr die spielerische Entdeckung der vielfĂ€ltigen NaturrĂ€ume in den FreiflĂ€chen rund um das GebĂ€ude.
Es entstehen RĂ€ume verschiedener Exponiertheit, Nutzbarkeit - und Aneignungsmöglichkeiten. Der Baumbestand kann durch die freie Grundform des GebĂ€udes voraussichtlich in weiten Teilen erhalten werden. Die ErgĂ€nzung von bis zu vierzig BĂ€umen scheint ein gutes, wenn auch nicht vollumfĂ€nglich realistisches Ziel der VerfasserInnen. Der Entwurf lĂ€sst qualitĂ€tsvolle Wechselbeziehungen zwischen Erdgeschoss und FreiflĂ€che erwarten. Bei einer WeiterfĂŒhrung der Arbeit ist eine Konkretisierung der Planung fĂŒr die Freianlagen unter BerĂŒcksichtigung der Schattensituation und der BestandsbĂ€ume notwendig.

Nachhaltigkeit
Das GebĂ€ude bietet gute Voraussetzungen die Nachhaltigkeitsanforderungen nach BNB im Silberstandard zu erfĂŒllen. Die AnsĂ€tze zur MaterialitĂ€t mit ökologischen Baustoffen und Baukonstruktionen, zur Grauwassernutzung und zum GebĂ€udeklimakonzept sind vielversprechend. Die DachflĂ€che wurde teilweise als GrĂŒndach geplant. Die Nutzung regenerativer Energien sowie eine Regenwassernutzung wurde in der Planung berĂŒcksichtigt.

Kosten
Die Gesamtbaukosten liegen voraussichtlich ĂŒber der genehmigten Kostenobergrenze. Die Herstellung des HolzbaugebĂ€udes als freie Form - insbesondere bezogen auf die Baugrube, GrĂŒndung, Decken und DĂ€cher - wird als kostenintensiver eingeschĂ€tzt. Allerdings bietet der Entwurf auch Einsparpotential in der konstruktiven Ausbildung, das im weiteren Entwurfsprozess untersucht werden muss.