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Nichtoffener Wettbewerb | 06/2021

Erweiterung Kreishaus I – Leitstelle und Verwaltung in Coesfeld

ein 2. Preis

Preisgeld: 17.000 EUR

Scholz Partner Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Städtebau, Leitidee
Das markante Bestandsgebäude Kreishaus I von Harald Deilmann ist städtebaulich besonders. Das große Bauvolumen wird durch verschiedene Strategien gegliedert, um es in den heterogenen Kontext einzubinden. Zum einen werden die Gebäudeteile gegeneinander verschoben, um spannende Innen- und Außenräume zu schaffen. Zum anderen findet eine Staffelung in der Höhe statt, was dem Gebäude eine Terrassierung verleiht und dem Bau die Massivität nimmt. Diese Strategien finden bei der Erweiterung des Kreishauses ebenfalls Anwendung. Das Bauvolumen wird in zwei Teile geteilt, die gegeneinander verschoben werden, um mehr Fassadenfläche zu generieren und den Baumbestand bestmöglich zu respektieren. Das Thema der Terrassierung wird ebenfalls aufgenommen. Richtung Fegetasche sind 5 Geschosse ausgebildet, während der Gebäudeteil Richtung Friedrich-Ebert-Straße ein Geschoss niedriger ist und dadurch zum einen mit der Höhe des Bestandes korrespondiert und zum anderen eine benutzbare Dachterrasse für die Leitstellenmitarbeiter ermöglicht.
Das Ensemble rahmt nun den Haupteingang des Kreishauses ein. Von den Bestandsbäumen kann der Südwestliche erhalten werden. Der Neubau erhält gegenüber der Fahrbahn und dem Erschließungsweg auf der Ostseite einen niedrigen steinernen Sockel mit einem festen Pflanzteppich oder einer naturnahen Blühwiese sowie einen neuen Baum.

Organisation
Der Erweiterungsbau wird über einen barrierefreien Zugang an das vorhandene außenräumliche Wegenetz und das Bestandstreppenhaus angebunden. Das vorhandene Fluchttreppenhaus wird als 1. Rettungsweg mitgenutzt und im Neubau erweitert um einen barrierefreien Durchladeaufzug mit entsprechender Größe und Ladekapazität, auch für den Transport technischer Infrastruktur. Die Sicherheit nach DIN 50518 wird jeweils durch Schleusen zur Leitstellenebene gewährleistet. Die 2. Treppe auf der Südseite dient als 2. Fluchtweg aus der Leitstelle aber auch als interne Verbindung, da sie nur von Mitarbeitern der Leistelle genutzt werden kann. Ein Zugang im Erdgeschoss ist hier nicht vorgesehen, kann aber mit einer Schleuse eingerichtet werden.
Die Büroflächen des Kreishauses sind in den beiden ersten Etagen organisiert und mit einer internen Treppe verbunden. Diese Geschosse können durch den Einbau einer Brandmeldeanlage als Kompensation zusammengefasst werden und der 2. Rettungsweg über diese Treppe mit einem Ausgang im EG sichergestellt werden. Die Büros sind entsprechend dem Raumprogramm aufgeteilt und können aufgrund der Tragstruktur flexibel an den Bedarf angepasst werden. Wir haben uns für eine Aufteilung der Besprechungsräume je Etage entschieden, diese könnten aber auch nebeneinander und zusammenschaltbar in einer Ebene eingerichtet werden. An die offenen Bereiche der modernen Bürowelten sind die Begegnungsräume/ Teeküchen angegliedert. Alle Wände können je nach Anforderung an Diskretion auch transparent gestaltet werden. Im Erdgeschoss sind zusätzlich der Hausanschlussraum und der schallentkoppelte Raum für die Netzersatzanlage und das Treibstofflager untergebracht. Durch einen direkten Zugang von außen können die Aggregate hier einfach ausgetauscht werden. Die Abgasführung geht über Dach.
Das Herzstück der Anlage bildet der Leitstellenbetriebsraum. Dieser ist aus Sicherheitsgründen im 2. Obergeschoss untergebracht und wird von den Leitungsbüros sowie den Ausnahmeabfrageplätzen flankiert. Dadurch sind kurze Wege und direkte Blickbeziehungen sowie eine temporäre Erweiterung der Grundfläche durch gläserne Faltwände möglich.
Der Stabsbereich befindet sich auf der gleichen Ebene, ist aber durch die Schleuse vom Sicherheitsbereich der Leitstelle getrennt, so dass dieser auch extern genutzt werden könnte. Er wird durch einen Freibereich mit Loggia ergänzt. Das 3. Obergeschoss umrahmt mit seinen Technikräumen den zweigeschossigen Leitstellenraum und wird ergänzt durch die EDV-Technik auf der Ostseite. Die aufgeständerten Böden sind in der Lage die Lüftung und die umfangreiche Technik der Leitstelle revisionsfähig zu verlegen. Alles ist redundant aufgebaut. Das 4. Obergeschoss dient auf der ruhigen Westseite dem Aufenthalts- und Ruhebereich der Mitarbeiter der Leitstelle mit dem besonderen Bonbon einer begehbaren Dachterrasse.

Materialität und Nachhaltigkeit
Der Erweiterungsbau ist als Stahlbetonskelettbau mit Recyclingbeton geplant. Somit erfüllt er alle Anforderungen an den Feuerwiderstand, die Sicherheit und die Flexibilität in der Grundrissorganisation. Die Aussteifung erfolgt über die Treppenhaus- und Aufzugskerne und die Deckenscheiben. Die große Spannweite der Decke über der Leitstelle wird über ca. 80 cm hohe Unterzüge erreicht, so dass ausreichend Platz für die Lüftungs- und Klimatechnik verbleibt. Der Lastabtrag der Stützen wird hier durch die Wandscheibe im 1. OG aufgenommen. Die Gründung ist gem. Bodengutachten zu planen, auf eine Unterkellerung wurde als Hochwasserschutz verzichtet.
Die Fassade greift die Materialität des Kreishauses auf und entwickelt eine strukturierte Ziegelfassade, deren übergeordnete Rahmen je nach Anforderung mit bodentiefen Fenstern, Brüstungsfenstern oder geschlossenen Ziegelfeldern gefüllt werden. Die Wasserführung der „Fensterbänke“ werden mit passend rot eingefärbtem Beton ausgeführt. Die Fassade und die Außenwand ermöglichen den Einsatz vorgefertigter Elemente. Die Fenster werden entsprechend den geforderten Sicherheitsanforderungen als Aluminiumkonstruktion mit außen liegendem Sonnenschutz und innen liegendem Blendschutz vorgesehen. Die Innenwände werden in Trockenbauweise erstellt, so dass sie leicht an veränderte Strukturen angepasst werden können. Als Bodenbeläge werden Kugelgarn in den Bürobereichen und Fliesen in den Treppenhäusern und Sanitärräumen vorgesehen. Alle Aufenthaltsräume erhalten akustisch wirksame abgehängte Decken, die teilweise auch die Temperierung und Lüftung/ Klimatisierung aufnehmen.

Technik und Umwelt
Die Wärmeversorgung erfolgt über eine unabhängige Heizungsanlage und eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung. Zur Klimatisierung der Leitstelle und zur Unterstützung der Lüftungsanlage sowie der Fußbodenheizung in den Büroebenen werden Rückkühler auf dem Dach neben den PV Modulen notwendig. Die Fußbodenkonstruktion in den Büroflächen ist mit einer Fußbodenheizung/ Kühlung als passives System vorgesehen. Neben der Fensterlüftung kann die Versorgung mit Frischluft auch durch eine Lüftungsanlage mit WRG erreicht werden, die sich auch zur passiven Nachtabkühlung eignet. Die klimatisierten Räume der Leitstelle haben aufgeständerte Böden zur revisionsfähigen Technikversorgung und Zuluftführung und entsprechende Deckeninstallationen zur Abluftführung und Kühlung.
Die PV-Anlage und eine Dachbegrünung runden das Konzept mit durablen Baustoffen, hoher Flächeneffizienz, kompakter Bauweise, und moderner Technik ein nachhaltiges Gebäude auf Dauer wirtschaftlich und nachhaltig zu betreiben, ab.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das baukörperliche Konzept der zwei miteinander verschränkten Kuben, die über ein kleines Bindeglied dem Bestand angefügt werden, erweist sich in seiner städtebaulichen Wirkung als gut gesetzt und führt die Baukörperfigur des sogenannten Deilmannbaus wie selbstverständlich fort. Die Aufnahme der Flurachse des Bestandes in Form der mittig gelegenen Erschließungsachse führt zu einer guten und funktional richtigen Organisation der geforderten Flächen, die so links und rechts dieser Achse angeboten werden können. Die Räume der Verwaltung liegen sinnvoller Weise in dem Erd- und 1. Obergeschoss. Die Grundrisse sind gut organisiert und bieten gut proportioniere Räume. Die Erschließungsflächen sind knapp gehalten und bieten kurze Wege. Die Räume der Kreisleitstelle liegen ebenso sinnvoll in den oberen Geschossen. Stabsraum und Leitstellenbetriebsraum liegen auf einer Ebene und sind zueinander gut erreichbar. Der Ruhebereich mit den zugehörigen Räumen liegt in dem obersten Geschoss, zusammen mit einem Angebot für einen Außenbereich auf dem Dachgeschoss. Ein Raum für die Netzersatzanlage ist nicht nachgewiesen. Die Verfasser schlagen eine stark gegliederte Ziegelfassade vor, die dem Neubau einen kraftvollen Auftritt neben dem Bestandsgebäude ermöglicht, ohne gänzlich auf einen Bezug zu dem Bestand zu verzichten. Bei der Darstellung der Fassaden und der Außenperspektive sei aber der Hinweis erlaubt, dass es durchaus von Vorteil ist, einen Entwurf zum Beispiel durch das Einwirken von Sonnenlicht freundlich, also weniger dunkel, erscheinen zu lassen. Auch die Darstellung von zurückliegenden Bereichen in Schwarztönen ist hierfür wenig hilfreich. Aspekte der Nachhaltigkeit werden zum Beispiel durch die vorgeschlagene Verwendung von Recyclingbeton und Gründächer aufgenommen. Die vorgeschlagene Gestaltung mit einer Lochfassade führt zu einem sinnvollen Glasanteil bei der Befensterung, die einen wirtschaftlichen und energetisch sinnvollen Betrieb erwarten lässt. Die Anforderungen des Brandschutzes sind in den Grundzügen gewährleistet. Allerdings erscheint die Möglichkeit einer inneren Treppenerschließung zwischen den Bürogeschossen in der dargestellten Form fragwürdig. Bei den technischen Daten der Raum- und Flächenwerte liegt die Arbeit im oberen Bereich. Insgesamt ein baukörperlich gut gesetztes und funktional gut entwickeltes Konzept.