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Offener Wettbewerb | 07/2021

Neubau Polizeipräsidium und Polizeirevier in Ravensburg

Campus und interner Haupteingang

Campus und interner Haupteingang

Anerkennung

Preisgeld: 10.000 EUR

Kim Nalleweg Architekten

Architektur

TRAGRAUM Ingenieure PartmbB

Tragwerksplanung

Erläuterungstext

Städtebaulichem und architektonisches Gesamtkonzept

Transparent, nachhaltig, korrekt...und einfach: Diese Themen waren zu Beginn des Entwurfs wesentliche Leitmotive für unsere Konzeption.
Was kann ein modernes Polizeigebäude sein? Eine für alle Bürger verständliche, ökologische Maschine, die sich keinem institutionellen Repräsentationswillen oder historisierenden, architektonischen Motiven hingibt. Ein Ort an dem sich Menschen im Polizeidienst unter besten Voraussetzungen ihrer Arbeit widmen können.
Ein Polizeicampus der Zukunft.

Der Campus mit seinem zentralen Hof wird durch drei unabhängig nutzbare Elemente gebildet: Der Neubau, die Überdachung der Dienst-Kfz und das Bestandsgebäude.
Durch diese Entzerrung von Bestand und Neubau wird ein weitestgehend ungestörter Betrieb während des gesamten Bauablaufs ermöglicht. Die Verlegung der Interimsnutzungen in den Neubau wird ohne Unterbrechung des Dienstbetriebes erfolgen. Eine Errichtung des Neubaus in Bauabschnitten ist nicht notwendig. Ein weiterer städtebaulicher Akzent an der Ecke Gartenstraße / O.E.W. Straße kann auch zu einem späteren Zeitpunkt noch als Erweiterung des Polizei-Campus geplant werden.

Die Photovoltaik-Fassade gleicht einem Bekenntnis zu Klimaschutz, Technik und Fortschritt. Ein transparentes Gebäude, um die Polizeiarbeit in die Gesellschaft wirken zu lassen und auch im Inneren transparent arbeiten zu können. Die kompakte Form mit hohen Aufenthaltsqualitäten, fördert durch räumliche Querverbindungen und Offenheit die Kommunikation zwischen den Mitarbeitenden der Polizei. Das Thema Nachhaltigkeit manifestiert sich auf vielen Ebenen in der Architektur des Projekts.

Die Entscheidung, das bestehenden Kasernengebäude mittelfristig zu erhalten ist ebenfalls ein deutliches Signal, dass man das Thema Nachhaltigkeit ernst nimmt. Das Gebäude ist voll funktionsfähig, vor nicht allzu langer Zeit instandgesetzt und lässt sich mit geringem Aufwand für zukünftige Schulungszwecke (ETZ) umgestalten.

Funktion und Raumprogramm

Der Neubau verfügt über einen Zugang für Besucher über die Pforte am Haupteingang in der Gartenstraße (1. Obergeschoss) und einen internen Diensteingang für die Bediensteten über den Hof (Erdgeschoss). Die vorhandene Topographie wird geschickt genutzt für räumliche Trennung von öffentlichen und internen Bereichen. Von beiden Eingängen ist das Polizeirevier im Erdgeschoss und ersten Obergeschoss zu erreichen. So wird ein schnelles und kollisionsfreies Ausrücken auf der Erdgeschossebene im Einsatzfall gewährleistet. Auch die Zellen sind dort angeordnet.
In den darüber liegenden Geschossen befinden sich die verschiedenen Abteilungen des Polizeipräsidiums. Das Führungs- und Lagezentrum (FLZ) ist funktional autark im obersten Geschoss des Neubaus angeordnet.
Auf allen Geschossen sind Besprechungs-, Lagerräume und Flächen für technische Nutzungen im Kernbereich vorgesehen. Im Zentrum des Neubaus entsteht durch das Atrium ein verbindender, lichter Raum für Kommunikation und Austausch unter den Bediensteten. Die Arbeit findet nicht isoliert auf separaten Etagen statt.
Ein bepflanzter Aufenthaltsbereich für die Bediensteten und die geschützt situierten Hundezwinger liegen im Außenraum. Unter dem Dach der Dienst-Kfz sind die Flächen für Werkstatt und Lager angeordnet. Die Technikzentralen sowie weitere Aufstellflächen für Haustechnische Anlagen befinden sich im Untergeschoss und auf den Dachflächen.

Fließender und ruhender Verkehr

Die Haupt Zu- und Ausfahrt auf das Gelände erfolgt von der O.E.W. Straße. Als Notausfahrt dient eine Durchfahrt zur Gartenstraße zwischen dem Neubau und dem ehemaligen Kasernengebäude. Im Einsatzfall kann so ohne Beeinträchtigung des Verkehrs ausgerückt werden. Fußläufig wird das Gebäude für Bedienstete über ein kontrolliertes Tor in der O.E.W. Straße betreten. Besucher:innen können sich an der Pforte beim Haupteingang zur Gartenstraße anmelden.
Die Stellplätze für Dienst-Kfz sind überdacht und wie die PKW- und Fahrradstellplätze für Bedienstete innerhalb der Einfriedung des Polizeiareals ausgewiesen. Die Besucherparkplätze befinden sich frei zugänglich vor dem Haupteingang und der Pforte zur Gartenstraße orientiert.

Wirtschaftlichkeit

Die Verlegung der Interimsnutzungen in den Neubau wird ohne Unterbrechung des Dienstbetriebes erfolgen. Eine Errichtung des Neubaus in Bauabschnitten ist nicht notwendig.
Die kompakte, klare Struktur bietet ein gutes A/V-Verhältnis. Durch sich wiederholende Elemente in Fassade und Tragwerk wird eine wirtschaftliche Errichtung, Wartung und ein sparsamer Betrieb erzielt. Die grundlegende Entscheidung, nur ein Untergeschoss zu bauen, sowie gerade unter den Anforderungen der Hochhausrichtlinie zu bleiben, sind ein entscheidender Beitrag zur Kostenoptimierung.
Die Lastabtragung erfolgt direkt und ohne aufwändige Abfangungen. Das Tragsystem bietet eine hohe Flexibilität hinsichtlich variabler Raumzuschnitte und künftiger baulicher Anpassungen und Umnutzungen. Ein flexibles Fassadenraster erlaubt eine zukünftige Anpassung der inneren Aufteilung mit geringem konstruktiven Aufwand. Versorgungsschächte in ausreichender Anzahl und Größe können auch zukünftige Medien aufnehmen und tragen zur Nachhaltigkeit und Flexibilität bei.


Energieeffizienz und Nachhaltigkeit

Der Erhalt des ehemaligen Kasernengebäudes ist ein wesentliches Element unser nachhaltigen Strategie. Der Einsatz erneuerbarer Energien trägt ebenfalls wesentlich zur Deckung des Energiebedarfs unter Beachtung wirtschaftlicher Kriterien bei.
Ein gutes passives Gebäudekonzept mit guten wärmetechnischen Eigenschaften der Fassade sowie einem umlaufenden konstruktiven Sonnenschutz und der Implementierung von Speichermassen in die Innenausstattung minimieren Heiz- und Kühllasten im Gebäude und ermöglichen einen einfachen und robusten betrieb.
 
Die verbleibenden Lasten werden mittels Lehmbauelementen als Kühl-/ Heizsegel an der Decke ausgebildet. Damit erfährt die Holzkonstruktion als leichte Bauweise eine Optimierung in den Speichermassen, ebenso wirken die Segel akustisch im Raum. Alle Räume mit individueller Nutzung sind an den Fassaden angeordnet und werden natürlich be- und entlüftet. Die Räume mit hohen Belegungsdichten sind in der Mittelzone angeordnet und über eine mechanische Be- und Entlüftung als Mischluft in der Mittelzone versorgt. Damit erfolgt eine Anbindung an die Zentralen auf kurzem Weg ohne Abhangdecken und Doppelbodenkonstruktion. Neben den passiven und aktiven Komponenten zur Konditionierung bildet die Energieversorgung den dritten Punkt des ganzheitlichen Konzeptes. Im Brüstungsbereich der Fassade sind leicht geneigt PV-Elemente integriert. Die Elemente dienen gleichzeitig als effektiver außenliegender Sonnenschutz. Die in die Fassaden und Dach integrierte PV ermöglicht in der Jahresbilanz einen klimaneutralen Betrieb des Gebäudes. Zur Temperierung über die Segel wird Erdwärme eingesetzt, die im Winter über eine Wärmpumpe im Sommer über einen Wärmtauscher an das Gebäude übergeben wird.
Der Verglasungsanteil der Fassaden beträgt ca. 50 Prozent. Eine hohe, blendfreie Tageslichtnutzung spielt sowohl hinsichtlich Energieeinsparung als auch hinsichtlich Behaglichkeit eine bedeutende Rolle. Ein innenliegender Blendschutz ist vorgesehen.
Öffenbare Fensterflügel erlauben über das innenliegende Atrium eine ideale Durchströmung für Nachtauskühlung.

Konstruktion des Polizeigebäudes

Das Tragwerk des Verwaltungsgebäudes ist als Hybridkonstruktion bestehend aus einem Holzskelettbau in den oberirdischen Geschossen mit aussteifenden Erschließungskernen in Stahlbetonmassivbauweise konzipiert. Die Materialien werden dabei entsprechend ihrer technisch-konstruktiven Stärken unter Berücksichtigung ästhetischer und wirtschaftlicher Gesichtspunkte und der gewünschten Nachhaltigkeit eingesetzt.
Die Geschossdecken des Skelettbaus sind als Brettsperrholzdecken (CLT-Decken) in Massivholzbauweise geplant. Entsprechend der unterschiedlichen Spannweiten von 5,9m in den Randfeldern und 7,0m im Innenbereich ergeben sich gestaffelt Deckenstärken von 22cm bzw. 26cm. Die Deckenelemente lagern in den längs verlaufenden Gebäudehauptachsen auf. Im Gebäudeinneren sind hier zweiachsig Hauptunterzüge aus Brettschichtholz zwischen den Stützen angeordnet. Der Lastabtrag in den Fassadenebenen erfolgt durch Ausbildung der Brüstung als Überzug aus Brettschichtholz. Hier werden die Brettsperrholzelemente unterseitig an die Brüstung angehängt, so dass ohne Sturzausbildung eine bestmögliche Belichtung der Räume gegeben ist. Der Vertikallastabtrag der Holzkonstruktion erfolgt über Massivholzstützen aus Baubuche mit Stützenquerschnitten von 40x40cm im Innenbereich und 35x35cm in der Fassadenebene. Die Verbindungen der Holzbauteile untereinander werden durch innenliegende, nicht sichtbare Verbindungsmittel ausgeführt, die den gestalterischen Aspekten des Entwurfs gerecht werden. Die wesentlichen Holzkonstruktionen erfüllen aufgrund der Massivholz-Ausbildung ohne zusätzliche Maßnahmen die Anforderungen aus dem Brandschutz.
Die Aussteifung des Gebäudes wird durch die beiden Erschließungskerne aus Ortbeton in Verbindung mit den als Scheiben wirkenden Massivholzdecken sichergestellt. Durch eine vorgezogene Herstellung der Stahlbetonkernwände ergibt sich eine optimierte Bauablauffolge, die durch zeitliche Gewerketrennung und klar definierte Schnittstellen überzeugt. Die Holzkonstruktionen sind im Wesentlichen werkseitig vorgefertigt, werden elementiert zur Baustelle gebracht und mit Nachlauf zu den Erschließungskernen montiert. Durch den hohen Vorfertigungsgrad wird die Montage- und Bauzeit reduziert, infolge der werkseitigen Herstellung erhöht sich die Ausführungsqualität in den sichtbaren Holzflächen der Deckenuntersichten, Unterzügen und Stützen.
Das Untergeschoss wird als monolithischer Stahlbetonkellerkasten in WU-Bauweise erstellt. Die Decke ist hierbei als punktgestützte, unterzugsfreie Stahlbetondecke mit glatter Deckenuntersicht vorgesehen, so dass eine hohe Flexibilität für den haustechnischen Leitungsverzug gegeben ist. Gleichzeitig dient der Kellerkasten aufgrund seiner hohen Steifigkeit als lastverteilende Konstruktion, die zusätzlich mögliche Steifigkeitsunterschiede des inhomogenen Baugrundes ausgleichen kann. Die Fundamentierung erfolgt auf einer elastisch gebetteten Bodenplatte, die im verbesserten Baugrund gründet. Als Baugrundverbesserungen werden entsprechend der Empfehlungen des Bodengutachtens Rüttelstopfsäulen oder CSV/STS-Säulen vorgesehen.
Das klar strukturierte Tragwerk ohne kostenintensive Versätze und Abfangungen der Haupttragachsen ermöglicht einen hohen Vorfertigungsgrad und den Einsatz typisierter Bauelemente, so dass eine wirtschaftliche Konstruktion und ein terminlich optimierter Bauablauf realisiert werden kann.

Beurteilung durch das Preisgericht

Städtebau, Architektur
Bei dieser Arbeit wird ein Polizeicampus der Zukunft vorgestellt, der durch drei
unabhängig nutzbare Elemente gebildet wird. Neubau, Überdachung der Dienst-Kfz
und der Bestandsbau bilden ein Ensemble. Die Verfasser treffen die Entscheidung,
den Bestandsbau zu erhalten, und den Neubau an der südlichen Grundstücksgrenze
zu positionieren. Im Zentrum des Campus liegen die Stellplätze für Bedienstete. In der
Visualisierung ist die Mitte des Campus als weite, asphaltierte Fläche dargestellt.
Dieser Vorschlag steht allerdings in Widerspruch zu dem Anspruch, ein nachhaltiges
und ökologisches Konzept vorschlagen zu wollen.
Die städtebauliche Gesamtwirkung entfaltet eine eigenständige räumliche Wirkung,
sowohl vom Campus innen als auch von der Gartenstraße ausgesehen, an der der
Neubau südlich des Altbaus städtebaulich in Erscheinung tritt. Allerdings kann die
Position des Neubaus zugunsten des Erhalts des Altbaus, für den kein
Nutzungsszenario besteht, nicht überzeugen.
Die Position des solitären Neubaus mit seiner extremen Verdichtung, der Anspruch
der ökologischen Maschine und die versiegelte Mitte des Campus erzeugen nicht
aufgelöste Widersprüchlichkeiten.

Funktion und Raumprogramm
Das gesamte Raumprogramm wird im Neubau untergebracht. Eine Realisierung in
Bauabschnitten ist nicht notwendig. Das ist ein überraschender Vorschlag.
Die Erschließung des Neubaus erfolgt an der östlichen Schmalseite zur Gartenstraße
orientiert. Das zieht Konsequenzen nach sich, da das gesamte Gebäude in
Längsrichtung erschlossen wird. Lange Flure, die allerdings durch Aufweitung
aufgelockert werden, vermitteln den Eindruck eines eher konventionellen
Gebäudetypus, was in Widerspruch zum Anspruch der „ökologischen Maschine“ steht.

Bauplanung, Bauordnung
Widersprüche oder Konflikte im Bereich des Bauplanungs- und Bauordnungsrechtes
sind nicht zu erkennen.

Wirtschaftlichkeit
Der Entwurf ist wirtschaftlich gedacht, da eine Untergliederung in Bauabschnitte
entfällt, das gesamte Gebäude modular und wirtschaftlich konstruiert ist. Das A/VVerhältnis ist sehr gut, die Flächenbilanz kompakt.

Baukonstruktion
Der Neubau ist in einer Holzhybridbauweise mit Massivholzstützen, -decken und
aussteifenden Stahlbetonkernen konstruiert. Das Tragwerk ist schlüssig durchdacht.

Bauphysik und Gebäudetechnik
Die Verfasser sprechen von einer ökologischen Maschine. Das Klimakonzept
entspricht diesem Narrativ. Lehmbaudecken werden thermisch aktiviert für Heizung
und Kühlung. Natürliche Lüftung und eine mechanische Grundlüftung im Atrium,
Stromerzeugung durch Photovoltaikelemente und geothermische Wärme- und
Kälteerzeugung mit dem Einsatz moderner Haustechnik ergeben ein überzeugendes
Gesamtkonzept. Die großflächigen Verglasungen ergeben allerdings das Risiko des
Wärmeintrags im Sommer trotz des außenliegenden Sonnenschutzes.

Nachhaltigkeit und Effizienz
Als wesentlicher Baustein der Nachhaltigkeit wird der Erhalt des Bestandsgebäudes
betrachtet. Da allerdings für die Nachnutzung keine überzeugende Perspektive
besteht, steht diese Option in Frage. Auch wird kritisch gesehene, dass der Neubau
als ökologische Maschine vor einer großen versiegelten Fläche steht. Insofern kann
der Nachhaltigkeitsansatz, so vehement er vorgetragen wird, nicht zur Gänze
überzeugen.
Die Arbeit liefert einen eigenständigen und wertvollen konzeptioneller Beitrag zum
Wettbewerb. Die Fragestellungen und der Lösungsvorschlag sind unkonventionell.
Die Integration des ökologisch gedachten Gebäudes in den umgebenden
städtebaulichen Kontext überzeugt nicht.
Atrium

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