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Nicht offenes, einphasiges, städtebauliches, kooperatives Workshopverfahren | 06/2021

Urbane Produktion am Billebecken in Hamburg

Überflug

Überflug

Teilnahme

ASTOC ARCHITECTS AND PLANNERS GmbH

Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

Die Bille Werk/Stadt

Die Bille Werk/Stadt fußt auf dem Denken aus zwei Maßstabsebenen: Einer einfachen städtebaulichen Leitidee und der Anwendung eines typologischen Baukastens. Sie erinnert sich an eine heute geschätzte Historie architektonischer und stadträumlicher Qualitäten produzierender Standorte und entwickelt gleichzeitig ein hohes Maß an Funktionalität und Effizienz für heutige betriebliche Abläufe und Prozesse. Sie ist modular und nutzungsneutral aufgebaut und somit flexibel programmierbar. Mit ihrer strukturell sehr klaren Haltung in Verbindung mit den öffentlichen Ufern und Räumen setzt sie gleichermaßen ein Zeichen und bietet öffentliche Orte an.

Diese klar definierten öffentlichen Räume verknüpfen Wegerouten aus der Umgebung wie die Billhuder Insel mit der Innenstadt, den S-Bahnanschluss Rothenburgsort mit der Gedenkstätte am Bullenhuser Damm sowie den neu entstehenden Uferstreifen mit Freizeitangeboten am Billebecken. Diese neuen, spürbar grünen Routen nehmen die bestehenden Grünstrukturen auf und verknüpfen die umliegenden Wohnstandorte Hamm, Rothenburgsort, Hammerbrook und den Gewerbestandort Billbrook miteinander. Mit dem öffentlichen Raumgerüst sind die grundlegende Erschließung und Verortung der freiräumlichen Qualitäten sowie die Einbettung des Identifikationsortes der Gedenkstätte Bullenhuser Damm als Determinanten gesetzt, gleichzeitig verbleibt ein hoher Anteil an Entwicklungsflächen. Auch kleinere Einheiten wie beispielsweise die „Rudervereinigung Bille von 1896 e. V.“ behalten in diesem Freiraumgerüst ihren Platz auf dem Areal, der Großmannplatz wird neu gefasst.

Durch diese Grundstrukturierung entstehen insgesamt sechs große Entwicklungscluster, die Rücksicht auf die unterschiedlichen Flächenverfügbarkeiten nehmen und damit eine schrittweise Entwicklung sicherstellen. „Leichtere“ Nutzungen mit höherem Büro und Dienstleistungsanteil orientieren sich dabei in Richtung Westen / Innenstadt, „schwerere“ Nutzungen mit größerem Produktionsanteil und höheren logistischen Anforderungen in Richtung Osten / Billbrook. Dies drückt sich am Ende auch in der Körnigkeit und der Höhenentwicklung der Gebäude aus. Die Insel erfährt von Norden, Süden und Westen einen neuen Auftritt im Stadtgefüge und bindet im Osten selbstverständlich an den Billbrook an.

Innerhalb der großen Entwicklungscluster in der Nordhälfte des Quartiers entwickelt sich eine stringente und funktionale interne Erschließung über Werkhöfe und Werkgassen in Ost-West-Richtung, die jeweils an die öffentlichen Bereiche andocken. Durch die Ausbildung von maximal drei Schichten ist eine Durchfahrbarkeit und damit hohe Flexibilität gewährleistet. Shortcuts und Höfe halten die Wege kurz. Diese räumliche Organisation und die Logik der Erschließungssysteme charakterisieren das Quartier und erzeugen den Flair eines zeitgemäßen und urbanen Produktionsortes. Im zentralen Bereich wird die Gedenkstätte Bullenhuser Damm von dem geplanten Hygieneinstitut und einem zweiten Neubau im Osten flankiert und in Szene gesetzt. Gegenüber des Bullenhuser Damms entsteht vor dem historischen Schulgebäude ein Platz. Südlich der Großmannstraße ermöglicht die geringere Grundstückstiefe eine einschichtige Baufeldtiefe.

Dem System liegt ein Grundraster von 12,50 Metern zugrunde. Innerhalb dieses Rasters werden, neben den Gassen und Höfen, auch die unterschiedlichen Nutzungsbausteine abgebildet. Die Bauvolumen generieren sich aus einem hybriden Typologiebaukasten mit definierten Gebäudetiefen und Geschosshöhen. Über diesen Baukasten werden die unterschiedlichen Nutzungstypologien konfiguriert, angeordnet und geschichtet. Unterschiedliche Gebäudetiefen ermöglichen vielfältige Nutzungskonfigurationen und sorgen bei der Stapelung für die notwendige Belichtung, das Raster für eine unproblematische Schichtung und gesetzte Erschließungskerne. Neben den Standardbausteinen Produktion & Logistik und Labor & Büro, integrieren die Grundrisstypologien flexibel beispielweise Seminarflächen, Open Spaces, Kommunikationszonen und Mensen oder Cafeterien. Die Trauflinie der Schule bildet in ihrer Umgebung die Grenzlinie der Höhenentwicklung. Einzig nördlich des Großmannplatzes und nach Süden zur Bille entstehen, analog zum höheren Nutzungsanteil Büro, höhere Gebäude. Der Durchschnitt bewegt sich zwischen III und IV Geschossen.

Überhohe Erdgeschosse (bis zu 9 Meter Geschosshöhe) ermöglichen eine Be- und Durchfahrbarkeit für LKWs und auch die Installation von Kranbahnen, gleichzeitig können sie in Teilbereichen in zwei Ebenen geteilt werden. Einheitliche Regelgeschosse (4,50 Meter Geschosshöhe für Produktion und Labore, Büros in den obersten Geschossen optional bei 3,50 Meter) sind nutzungsneutral aufgesetzt und damit hybrid. Die einzelnen Gebäudemodule können über die Gassen hinweg zusammengeschlossen werden, mittels Brücken oder einer Überbauung, und so systematisch erweitert werden.

Die funktionale Orientierung und Organisation findet im Inneren der Module statt, dies betrifft Anlieferung, Abholung und „dunkle“ Laborzonen ebenso wie innere Fahrwege und die Werkhöfe. Die Werkhöfe definieren gemeinsame Erschließungsbereiche für mehrere Nutzer – oder einen zentralen Hof für einen großen Nutzer. Die Gassen sorgen für die Feinverteilung und den Anschluss an die Cluster.

Nach außen, zum öffentlichen Raumgerüst hin, orientieren sich die „Schauseiten“, also die Eingangsbereiche der Unternehmen und punktuell auch gastronomischen Angebote mit Freisitzen in den Erdgeschossen, die Büros und Open Spaces in den Obergeschossen.

Der Bullenhuser Damm ermöglicht mehrere Zufahrten nach Norden in das Quartier und ist durch die Setzung kleiner Platzbereiche die Adresse des Quartiers. Gegenüber der¬ Schule sitzt das BilleWerkStadt Info- und Verwaltungscenter an zentraler Stelle auf einem Platz. Jeweils ein gut sicht- und erreichbarer Mobilitätshub liegt im Westen und Osten an den Bushaltestellen und fördert gemeinsam mit den neu geschaffenen Fuß- und Radwegeverbindungen entlang des Ufers und zum S-Bahn Halt Rothenburgsort das nachhaltige Mobilitätsverhalten. Geparkt wird durchgängig in Tiefgaragen, Besucherstellplätze sind in den Erschließungshöfen verortet. Fahrradabstellanlagen werden einerseits in den Mobilitätshubs in Kombination mit Service-Angeboten wie Laden und Reparieren vorgesehen, und andererseits dezentral und einrichtungsnah untergebracht.

Gewerbliche Standorte sind in der Regel Hitzeinseln in den Städten. Dies erfordert hohe Anforderungen an ein passives Design für Durchlüftung und an die Begrünung – nicht nur der Dachflächen. Durch die konsequente Ausrichtung mit den durchgängigen Gassen kann ein guter Luftaustausch– gerade im Tag-Nacht-Wechselspiel zwischen Landmasse und Wasserflächen stattfinden. Intensive Dachbegrünung und wo möglich an den Fassaden unterstützen das Regenwassermanagement und reduzieren die notwendige Kühlleistung. Teile des Energiebedarfs können dezentral über solare Gewinne erzielt werden und verantwortungsvolles und ressourcenschonendes Bauen sollte heute der Maßstab sein. Dazu gehört auch die Schaffung eines attraktiven Arbeitsumfeldes.

Der nördlichen Uferzone kommt hierbei als Bewegungs- und Aufenthaltsort eine hohe Bedeutung zu. Sport- und Freizeitangebote machen das Ufer zu einem besonderen Ort, dessen Relevanz über den reinen Standort hinausgehen wird – Angebote von lokal verankerten Akteuren wie dem RV Bille bis hin zu schwimmenden Pools und Sportfeldern sind denkbar – und ein wichtiger Baustein in der BilleWerkStadt, die durch ihren robusten aber atmosphärisch-innovativen Charakter besticht.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Entwurfsverfasser referenzieren historische Produktionsstätten des 20. Jahrhunderts und entwickeln über platzartige Zusammenschlüsse verschiedene „Entwicklungscluster“. Diese Cluster können aus unterschiedlichen Modulen dem Bedarf entsprechend zusammengesetzt werden, wobei je nach Funktion bereits eine Platzierung im Gesamtareal vorschlagen und bestimmten Nutzungen sowie einem Standort zuordnet wurde. Insbesondere die Gewährleistung der Ordnung von verschiedensten Verkehren über einen Vorplatz scheint dem Gremium nicht vollumfänglich funktionsfähig. Der Entwurf weist im Gegensatz zu den anderen beiden Entwürfen eine weniger stringente und klare Struktur auf und scheint insbesondere in der Entwicklung von städtebaulichen Parametern kein ausreichendes Gerüst für einen Bebauungsplan auszubilden.
Lageplan

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