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Nichtoffener Wettbewerb | 10/2021

Wohnquartier Damgartener Chaussee in Ribnitz-Damgarten

1. Preis

Preisgeld: 29.000 EUR

KBNK Architekten GmbH

Architektur

Landschafts.Architektur Birgit Hammer

Landschaftsarchitektur

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Visualisierung

Erläuterungstext

Im Rahmen der Entwicklung des Neubauquartiers Damgartener Chaussee wird auf dem ehemaligen Freigelände und dem sogenannten Sportpalast-Grundstück ein neuer Wohnstandort in herausragender, gleichwohl sehr sensibler Lage entstehen. Der vorliegende Entwurf wird im Hinblick auf Identitätspotential, qualitätsvolle Freiräume bei rücksichtvollem Umgang mit der Natur für einen nachhaltigen Wohnungsbau betrachtet:

Der Entwurf gibt in seiner Ausformulierung Antworten auf die Fragen:
- Wie wollen wir gemeinsam wohnen?
- Wieviel Freiflächen dürfen für einen Neubau versiegelt werden.
- Wie können trotz Neubau großzügige Freiräume für die neuen Bewohner und für den Stadtteil entstehen?
- Wie kann sich das neue Quartier mit der Umgebung verknüpfen?
- Wie kann durch Einfachheit und Architekturqualität nachhaltiger Wohnungsbau entstehen?
- Welche Bäume sind den Anforderungen des Klimawandels gewachsen?

Wie wollen wir gemeinsam Wohnen?
Mit der Konzeption des neuen Quartiers besteht die Chance überschaubare Nachbarschaften zu entwickeln, in denen sich die Bewohner wohlfühlen, private Rückzugsräume erhalten, aber auch Gemeinschaft leben können. Der Entwurf setzt sich aus 4 Wohnhöfen einschließlich des Sportpalastgrundstücks zusammen, die sich in einer lockeren städtebaulichen Anordnung gruppieren.
Jeder Wohnhof ist geprägt durch privates- bzw. halböffentliches Grün, das Aneignung durch Gemeinschaftsgärten und lebendige Treffpunkte ermöglicht. Vielfältige Wohnformen, Typologien und flexible Ansprüche können mühelos integriert werden. Die Höfe bieten gut auffindbare Adresslagen und eine leicht überschaubare Orientierung.

Wieviel Freiflächen dürfen für einen Neubau versiegelt werden?
Kernfrage vieler Neubauquartiere ist, wie stark darf Natur versiegelt werden. In dieser Lage, direkt am Bodden, erhält diese Frage eine besondere Bedeutung, auch im Hinblick auf Respekt und Erlebbarkeit des außergewöhnlichen Landschaftsraums. Unsere städtebauliche Antwort an dieser Stelle ist eine Anordnung aller Gebäude entlang der Damgartener Chaussee, als vermeintlich frei angeordnete Volumen, die in ihrer Urform an alte Fischer- oder Bootshäuser erinnern. So frei die Anordnung anmutet, unterliegt sie dem Credo den Baumbestand weitestgehend zu erhalten, Blick- und Wegebeziehungen Richtung Bodden zu ermöglichen, bestehende zu stärken, sowie den Landschaftsraum so frei wie möglich von Bebauung zu halten.
Durch die konsequente, straßenbegleitende Bebauung, entwickelt sich das neue Wohnquartier mit einer Tiefe von ca. 60 Metern parallel zur Damgartener Chaussee, kann nahezu die Hälfe der Grundstücksfläche der Natur „zurückgegeben werden“.
Mit der Renaturalisierung der gewonnenen Flächen wird die Lagegunst des Grundstücks, an der „seichten Lagune“ des Saaler Boddens, weiter gestärkt. Der Bodden wächst scheinbar direkt bis an das neu geplante Wohnquartier heran. Durch eine Vielzahl von „Einschürfungen“ entstehen in einer offenen Wiesenlandschaft temporär unterschiedlich tiefe Flachwasserbereiche in die sich das Regenwasser zurückziehen kann. Die vielfätigen Vernässungsbereiche bieten Lebensraum für eine artenreiche Flora und Fauna.
Aus „Wohnen im Park am Bodden“ wird „Wohnen am Bodden“.


Wie kann sich das neue Quartier mit der Umgebung verknüpfen?
Durch die Setzung der Höfe werden die Anknüpfungspunkte zur Umgebung für alle Bewohner gestärkt. Die sich fingerartig in die Landschaft streckenden Baukörper lassen vielfältige Blickbeziehungen in den Landschaftsraum zu. Der Boddenwanderweg wird über drei, das Grundstück in Nord-Südrichtung querende Wegebeziehungen erschlossen. Die auf einem kleinen Damm, oberhalb des „Hochwassers“ geführten Wege können in nahezu der gleichen Lage beibehalten werden wie in der Bestandssituation. Im Übergang zum Landschaftsraum, am Fußpunkt einer flach geneigten grünen Böschung, entsteht ein neuer in Ost-West verlaufender Parkweg der die einzelnen Wohnhöfe miteinander verbindet und an der östlichen Grundstückgrenze in einem kleinen die Kindertagesstätte erschließenden Vorplatz, mit Verbindung zur gewünschten Stellplatzanlage, mündet.

Wie können großzügige Freiräume für die neuen Bewohner und für den Stadtteil entstehen?
Aus dem städtebaulichen Konzept ergeben sich fast beiläufig großzügige naturnahe Flächen, die allen Bewohnern des näheren Umfelds zugutekommen. Durch die eher kompakten Gartenhöfe werden mehr zusammenhängende Grünflächen angeboten. Öffentlich zugängliche Freiraumfunktionen wie der 250 qm große Bolzplatz, ein Kinderspielplatz mit ähnlicher Größe, diverse Sitzplätze, sowie ein Naturbeobachtungsturm werden an den, dem natürlichem Geländeverlauf folgenden, barrierefreie ausgestalteten, Parkwegen angeordnet.
Im Bereich der Gartenhöfe befinden sich die vorwiegend der gemeinschaftlichen Nutzung zugeordneten Freiräume mit eher kleinteilig gestalteten Spiel- und Sitzangeboten, sowie den Hauseingängen zugeordnete Fahrradstellplätze. Aufgrund der besonderen landschaftsräumlichen Situation wird bewusst auf die Ausbildung von Mietergärten verzichtet. Privater Freiraum wird in Form von Terrassen angeboten.

Wie kann durch Einfachheit und Architekturqualität nachhaltiger Wohnungsbau entstehen?
Alle Gebäude basieren auf einer leicht geknickten, einfachen Grundform eines Satteldachhauses mit einem steilen Dach. So entstehen einfach zu konstruierende Häuser die eine starke eigene Identität entwickeln. Ausnahme in der Anordnung um überschaubare Hofeinheiten ist der Bereich der Kita. Diese wird, im Osten positioniert, ein wenig weiter Richtung Bodden verschoben. Zum einen kann der öffentliche Parkplatz als Kiss & Ride Zone genutzt werden, zum anderen erhält die Kita eigenständige Freiflächen mit hoher Qualität. Oberhalb der zweigeschossigen Kita werden Wohnungen angeordnet. Sollte die Kita entfallen, können auch die beiden unteren Geschosse einfach mit Wohnungen „aufgefüllt“ werden.

Die gewählte Dachform führt zu einer Vielzahl an Wohnungstypen mit unterschiedlichen Wohnungsgrößen auch bei gleicher Personenanzahl, die verschiedenste Nutzergruppen ansprechen werden. Alle Wohnungen erhalten Loggien und Balkone als Freisitze, zum Großteil mit Blick Richtung Bodden.

Für die Gebäude wird eine massive Tragwerkskonstruktion aus Stahlbeton (so wenig wie möglich), sowie Mauerwerk gewählt. Die Dachflächen werden als weitgehend fertig vorfabrizierte Konstruktionen aus Holz mit aufgesetzten Gauben sowie Fenstereinschnitten mit Stahlblecheindeckung montiert. Alle Gebäude sollen eine Holzfassade aus heimischen Hölzern erhalten, die je nach Gebäude in Farbe und Oberfläche variiert. Auf diese Weise wird trotz konventioneller Bauweise ein hoher Grad an Nachhaltigkeit erreicht.

Die Flachdachbereiche werden ausnahmslos mit extensiven Gründächern und PV-Anlagen ausgestattet. Hoher Dämmstandard in Verbindung mit Flächenheizung lassen die Verwendung von Wärmepumpen zu, so dass ein nachhaltiges Vorzeigeprojekt geplant werden kann, dass bis hin zu einem bilanziell in der Nutzung treibhausgasneutralen Quartier entwickelt werden kann.

Welche Bäume sind den Anforderungen des Klimawandels gewachsen?
Entlang der Damgartener Chaussee ist in der „Fuge“ zwischen Straße und Tiefgaragenaußenkante die Pflanzung eines dichten Baumhains aus verschiedenen als besonders klimaresillient identifizierten Baumarten wie der Amberbaum, der südliche Zürgelbaum, die Säulenulme und die Scharlacheiche in Kombination mit heimischen Bäumen wie Buche und Eiche vorgesehen. Gerade der Amberbaum hat sich in der speziellen salzhaltigen „BodenLuft“ bereits besonders bewährt. In Richtung der Wiesenlandschaft löst sich der Baumhain auf. Hier werden dem Standort angepasst Einzelbäume und kleine Baumgruppen aus Eichen, Weiden und Erlen (Alnus cordata) gepflanzt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser schlagen eine konsequente Konzentration der Baumassen an der Damgartener Chaussee vor und erhalten damit eine weiträumige, naturbelassene Parklandschaft zum Bodden. Die in die Tiefe entwickelten Baukörper ermöglichen von der Straße aus vielfältige Blickbeziehungen zu Park und Bodden. Diese ebenso selbstverständlich wie geschickte Abfolge der ortstypischen Raumpotentiale ist außerordentlich überzeugend. Entlang der Damgartener Chaussee entsteht durch die Abfolge der Giebel in versetzter Bauflucht ein guter Maßstab in Korrespondenz mit der gegenüberliegenden Bestandsbebauung. Durch die Zusammenfassung von jeweils zwei Häusern entstehen 4 gemeinschaftliche Eingangshöfe mit leicht auffindbarer Adressierung und funktional gestalteten Eingangsbereichen, die der Größe des Hauses entsprechend durchaus großzügiger und angemessener gestaltet sein könnten.
Zwischen den Baukörperpaaren wird über die Gestaltung der individuellen Freiräume die gewünschte Privatheit hergestellt. In diese Zwischenräume sind auch die wesentlichen, zu erhaltenden Bäume integriert mit Ausnahme des westlichen Abschlusses.
Hier wird zu massiv in die Bestandsbäume, besonders in die geschützte Lindenallee eingegriffen, sodass die Jury eine Überarbeitung des westlichen Bereiches der Bebauung empfiehlt.
Im östlichen Bereich gelingt es den Verfassern geschickt, durch die Varianz des Baukörperpaares angemessen auf den Ortseingang zu reagieren, auch wenn der Baukörper mit der Kita wegen des Waldbestands etwas nach Süden verschoben werden muss.
Die PKW-Erschließung ist folgerichtig mit einer konzentrierten Zufahrt von der Damgartener Chaussee für beide Eigentümergrundstücke vorgeschlagen. Die kompakte Tiefgarage, an die sämtliche Treppenhäuser und Aufzüge angeschlossen sind, ist überzeugend und wirtschaftlich gelöst. Ebenso lassen die Hochbauten hinsichtlich ihrer klaren Kubatur, ihrer Konstruktion und der günstigen Flächenverhältnisse eine wirtschaftliche Errichtung vermuten. Die architektonische Gestalt widerspiegelt sowohl authentisch die Nutzung als Mehrfamilienhäuser nimmt gleichzeitig aber auch regionale Bezüge auf, die glaubhaft zeitgenössisch übersetzt werden. Tiefe Traufe und hohes Dach verankern die Häuser am Ort und bieten erstaunlich leicht gute Belichtung, Ausblicke und Blickbezüge zu Park und Bodden.

Die Jury würdigt hinsichtlich des landschaftarchitektonischen Konzeptes besonders, das durch die konsequente Konzentrierung der Gebäude im Süden des Bearbeitungsbereiches ein Großteil des Grundstücks im Norden für die Freianlagen zur Verfügung steht. Der Freiraum fließt zwischen den leicht von der Straße abgesetzten Gebäudezeilen von Süden bis nach Norden an den Bodden, was einem breiten, übergeordneten Grünbereich entlang der Gewässer zu Gute kommt. Die Flächen werden zurückhaltend und naturnah gestaltet mit Bereichen zur Regenwasserretention bzw. Versickerung. Der PKW-Verkehr wird komplett aus dem Quartier herausgehalten durch die Anordnung einer Tiefgaragenzufahrt direkt an der Damgartener Chaussee.

Der vorliegende Entwurf erfüllt alle vorgesehenen Wohnungsgrößen. Alle Wohnungen sind mit Balkon, Loggia oder Terrasse ausgestattet. Die Wohnungen sind quer zu lüften und verfügen über zeitgemäße und moderne Grundrisse. Die Abbildung von frei finanzierten und öffentlich geförderten Wohnungen lässt sich in den Gebäuden gut darstellen. Sowohl die Wohnung mit Süd-Ausrichtung (Damgartener Chaussee) wie auch die nach Norden, zum Bodden hin ausgerichteten Wohnungen überzeugen durch ihren jeweils eigenen Charme. Die Erschließung der Wohnungen erfolgt barrierefrei über einen sehr kompakten Erschließungskern.
Einfache Konstruktionen und ein schlüssiges und nachhaltiges Materialkonzept lassen die wirtschaftliche Errichtung und Betreibung des Wohnquartiers erwarten.

Insgesamt bietet die Arbeit eine sehr gute Antwort auf die komplexe Aufgabenstellung zu Städtebau, Freiraum und Architektur, in dem sie sich vielfältig mit den spezifischen Gegebenheiten des Ortes verankert. Durch gute Differenzierung von öffentlichen, gemeinschaftlichen und privaten Räumen kann so ein hervorragender neuer Wohnort für unterschiedliche Bewohner gelingen.
Lageplan

Lageplan

Wegeführung

Wegeführung

Freiraumkonzept

Freiraumkonzept

Schnitt 1

Schnitt 1

Schnitt 2

Schnitt 2

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss Erdgeschoss

Grundriss 1. Obergeschoss

Grundriss 1. Obergeschoss

Grundriss 3. Obergeschoss

Grundriss 3. Obergeschoss