modgnikehtotsyek
ALLE WETTBEWERBSERGEBNISSE, AUSSCHREIBUNGEN UND JOBS Jetzt Newsletter abonnieren

Kooperativer anonymer hochbaulicher Realisierungswettbewerb | 10/2021

Neubebauung Paul-Nevermann-Platz in Hamburg-Altona

1. Preis

Preisgeld: 25.000 EUR

Winking · Froh Architekten

Architektur

arbos landscape GmbH

Landschaftsarchitektur

GT Consult Beratende Ingenieure für Gebäudetechnik

Energieplanung, TGA-Fachplanung

Erläuterungstext

Städtebaulicher Entwurf
Der Entwurf für die Erweiterung des Kaiserhofs schließt an dessen Brandwände an, nimmt die historischen Raumkanten des ehem. Kaiserhofs wieder auf und entwickelt im Zusammenspiel mit dem Bestandshochhaus einen eigenständigen Baukörper. Das Bestandshochhaus wird freigestellt, so dass eine winkelförmige Passage entsteht, welche sich nach Westen zum neuen Grünzug platzartig aufweitet. Die beiden Hauptflügel des Neubaus nehmen die Breite des Innenhofs des ehem. Kaiserhofs auf und sind durch zwei Querspangen miteinander verbunden. So entsteht zusätzlich zur Passage ein ruhiges nach innen gekehrtes Atrium. Zum Paul-Nevermann-Platz endet der Neubau neben der Giebelfassade des Hochhauses mit einem markanten Kopf und bildet so den Eingang in die neue Passage. Um die Freistellung des Hochhauses zu stärken endet der Kopfbau mit der eingerückten Erdgeschossfassade des Hochhauses. Die Gliederung des neuen Baukörpers reagiert auf den Bestandsbau des ehem. Kaiserhofs, in dem er dessen klassische Dreiteilung aus Sockel, Mittelteil und Dach aufnimmt.

Äußere Erschließung
Die Haupterschließungen folgen den unterschiedlichen Nutzungen und deren Anordnung im Neubau. Sie verteilen sich auf alle Fassadenseiten, so dass das neue Haus nach Außen offen und einladend wirkt. Das Haupttreppenhaus für die Büroflächen/ Arztpraxen liegt im Osten an der Max Brauer Allee, während die Haupterschließung der Sonderwohnformen/ Hospiz sich nach Westen zur neuen Grünverbindung orientiert. Die beiden Bankfilialen erhalten jeweils einen eigenen Eingang von der Max-Brauer-Allee. Die öffentlichen Nutzungen, wie Restaurant, Cafe, Läden etc. werden hauptsächlich von der neuen Passage aus erschlossen. Diese soll, vom Verkehr abgewandt, mit Außensitzplätzen und Angeboten zum Verweilen auch in den Abendstunden belebt sein. Die TG erhält ihre Zu- und Abfahrt von der Max Brauer Allee, im Übergang zwischen Alt- und Neubau. Zur zusätzlichen Belebung des neuen Quartiers wird vorgeschlagen, den zweigeschossigen gläsernen Sockel des Hochhauses für eine öffentliche Nutzung umzubauen.

Innere Organisation
Der östliche Gebäudeflügel an der Max Brauer Allee beherbergt im EG und 1. OG die beiden Bankenfilialen und in den Obergeschossen die Büro- und Arztpraxen. Der westliche Flügel, welcher sich zum neuen Grünzug orientiert ist den Sonderwohnformen (altengerechtes Wohnen und Hospiz) vorbehalten. Das Erdgeschoss erhält zur Passage und nach Westen öffentliche Nutzungen, wie Café, Restaurant, Bar, Läden und einen Pflegedienst.

Konstruktion und Materialität – Fassade
Der Neubau ist als Stahlbetonskelettbau mit Flachdecken und einem Hauptraster von 2,70 m konzipiert. Die Außenwände sind als zweischalige Ziegel-Lochfassaden geplant. Die Geschosshöhe beträgt 3,30 m in den Regelgeschossen und 5,20 m im Erdgeschoss. Im Erdgeschoss können je nach Nutzungsanforderungen zusätzlich in Teilen Galerien eingezogen werden. Die Aussteifung erfolgt über die durchgängigen Kerne. Alle weiteren Trennwände zwischen den Büros/ Praxisräumen und den optionalen Fluren sind nicht tragend und ermöglichen damit eine maximale Flexibilität für spätere Veränderungen. Vom Einzelbüro über Großbüro bis zum Großraumbüro sind alle Organisationsformen möglich. Dieses gilt auch für den Gebäudeflügel mit den Sonderwohnformen. Die Fassaden erhalten in Anlehnung an den ehem. Kaiserhof eine dreigeteilte Gliederung, sowie, bezugnehmend auf die dänische Geschichte Altonas, einen weiß geschlämmten Ziegel. Die Fassaden haben massive Brüstungen und bieten damit Schutz gegen Schall und thermische Aufheizungen. Mit dem hohen Erdgeschoss wird der Rustika-Sockel des ehem. Kaiserhofs aufgenommen. In den Obergeschossen erhält die Fassade zusätzlich ein geschossübergreifendes filigranes Ziegelraster, inform von Lisenen und Gesimsen. Die Staffel (4.OG) setzt sich deutlich vom Hauptbaukörper ab und bildet mit Ihrer gefalteten und begrünten Fassade einen markanten Abschluss des Gebäudes. Die Dachflächen erhalten eine extensive Begrünung mit Retention und PV - Modulen. Hiermit wird das Raumklima positiv beeinflusst und der Regenwasserabfluss bei Starkregen deutlich verzögert und eine natürliche Verdunstung gefördert. Die Fenster sind als Schallschutz-Holzfenster mit Aludeckschalen geplant. Sie erhalten zur Reduzierung des sommerlichen Wärmeeintrags einen außenliegenden Sonnenschutz als Raffstore mit Lichtlenkungslamellen. Zu den verkehrsbelasteten Seiten (Busbahnhof und Max-Brauer-Allee) können die Öffnungsflügel auch als Kastenfenster ausgebildet werden. Die Sonderfenster im Erdgeschoss zu den verkehrsbelasteten Seiten erhalten eine äußere Prallscheibe, so dass eine Fensteröffnung auch außerhalb der Bürozeiten für die Nachtauskühlung möglich ist. Die Prallscheibe im Erdgeschoss bietet eine besondere Sicherung dieser Bereiche und lässt sich einfach von außen ebenerdig reinigen.

Technische Gebäudeausstattung und Energetisches Konzept
Die massive Baukonstruktion mit einer Lochfassade bietet durch ihre Speicherfähigkeit die Möglichkeit für eine Abpufferung kurzzeitig auftretender Wärme- und Kältelasten. Die hoch stehenden Fenster erlauben im weiteren bis in die Raumtiefe eindringenden Tageslicht. Dieser Effekt wird durch eine Jalousieanlage mit Lichtlenklamellen weiter verstärkt. Die Stahlbetondecken der Büro und Praxen sind nur in Teilen abgehängt, so dass auch diese als Speichermasse wirksam sind. Bei der Auswahl und Festlegung aller im Gebäude installierten Systeme wird größter Wert auf die Nachhaltigkeit der zu installierenden Materialien gelegt. Im Gebäude werden ausschließlich schadstoffarme Materialien eingebaut. Das gilt sowohl für die Herstellung der Baustoffe, wie auch für das Recycling nach Ablauf der technischen Standzeit der Materialien und Systeme. Bei den technischen Systemen wird für den späteren Betrieb beachtet, dass die Kosten für Betrieb, Wartung und Instandhaltung möglichst gering anfallen. Insofern soll bei der Auswahl der zentralen Anlagen darauf geachtet werden, dass hier wartungsarme Systeme eingesetzt werden. Um für den Betrieb des Gebäudes zu erreichen, dass die Betriebskosten gering anfallen, werden insgesamt alle elektrischen Bauteile energieeffizient ausgewählt. Bei der Auswahl der Systeme zum Heizen und Kühlen wird größter Wert darauf gelegt, dass bei den Erzeugungsanlagen keine fossilen Brennstoffe als Primärenergieträger eingesetzt werden. Aus diesem Grund soll soweit möglich der Einsatz von Photovoltaikanlagen zur Eigenstromerzeugung, bevorzugt untersucht werden. Für die Wärme- bzw. Kälteversorgung wird der Fernwärmeanschluss an das Fernwärmenetz genutzt.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf ist städtebaulich prägnant und gleichzeitig stadtraumberuhigend. Der neue Baukörper führt den südlich anschließenden ehemaligen Kaiserhof fort und bildet mit diesem eine überzeugende Gesamtfigur. Die Proportionen des Sockelgeschosses zu den weiteren Geschossen sind stimmig. Der Entwurf stellt das Hochhaus frei. Der in der Fuge entstehende begrünte, mit Bäumen bepflanzte und um eine Wasserfläche ergänzte Freiraum bietet tagsüber große Aufenthaltsqualität und kann in den Abendstunden geschlossen werden. Dies erhöht auch die qualitativ hochwertige Nutzung der angrenzenden Flächen im Erdgeschoss. Das Konzept lässt Alternativen zur dargestellten Ladennutzung zu, damit auch die MaxBrauer-Allee stärker mit öffentlichen Nutzungen belebt wird.

Die Jury sieht Verbesserungsbedarf bei der Nutzbarkeit der Dachflächen für die Sonderwohnformen. Der Entwurf bedarf einer vertiefenden Ausarbeitung im Hinblick auf die Nachhaltigkeitsziele des Altonaer StadtKlima-Standards. Die Abgrenzung des Staffelgeschosses in seiner besonderen Formensprache wird von der Jury positiv bewertet, wobei die Giebelseiten gestalterisch darin zu wenig integriert sind. Die Ausrichtung der Sonderwohnformen nach Westen ist überzeugend. Die Qualität des kleinen Wohnhofes würde sich deutlich verbessern, wenn auf ein Geschoss im Südriegel verzichtet würde. Durch die Anordnung der Treppenhauskerne wird in allen Geschossen eine flexible Nutzung ermöglicht. Die Fassade sollte in einer Überarbeitung eine feinere, zeitgemäßere Differenzierung erfahren.
Lageplan

Lageplan