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Mehrfachbeauftragung | 10/2021

Neues Czerny Quartier in Heidelberg

Vogelperspektive

Vogelperspektive

2. Rang

holger meyer architektur

Architektur, Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

LEITIDEE | Mit unserem Entwurfskonzept für das Czerny Quartier wird die qualitätvolle Stadtentwicklung der Bahnstadt Heidelberg fortgeführt und ein modernes und hochwertiges Gebäudeensemble als Auftakt der Bahnstadt geschaffen, das hochwertige grüne Freiräume und die gewünschte Durchlässigkeit für Fußgänger enthält.

STÄDTEBAULICHES KONZEPT | Der Entwurf gliedert sich in mehrere versetzt zueinander platzierte U-förmige Baukörper. Die paarweise zu einem Block angeordneten Gebäude sind zueinander geöffnet, formulieren in ihrem Inneren geschützte begrünte Innenhöfe und halten das Areal vor Lärmimmissionen der Bahngleise im Norden und Czernyring im Süden frei. Durch den Versatz der Baukörper werden attraktive und zum Czernyring gut sichtbare Büroadressen ausgebildet. Die Besucher werden so zu den Stirnseiten der gegenüberliegenden U-förmigen Bürogebäude und von dort zu den Zugängen in den Innenhöfen geleitet. Einen signifikanten städtebaulichen Auftakt bildet das 10-geschossige Bürohochhaus mit vorgelagertem Quartiersplatz an der Montpellierbrücke. Hier mündet auch die stark durchgrünte urbane Ost-West-Achse, die sowohl die Innenhöfe, als auch die benachbarten Quartiere im Osten und Westen miteinander verbindet und seitlich durch Laden- und Gastronomieflächen flankiert wird. Die Wohnnutzungen befinden sich in den Obergeschossen der beiden im Südwesten angeordneten Baukörper, die im Erdgeschoss Einzelhandelsnutzungen beinhalten. Durch die Verortung der Wohnnutzungen am Czernyring sind sie bestmöglich vor den Lärmimmissionen der Bahngleise geschützt.
Insgesamt werden mit den Neubauten die Geschossigkeit und Höhen der Nachbarbebauung im Westen berücksichtigt. Sie nehmen sowohl deren Gebäudefluchten als auch die Ansichtsbreite im Norden auf und bilden eine klare, aber gegliederte städtebauliche Kante zu den Bahngleisen aus. Die westlichen Gebäudeansichten entsprechen in ihrer Ansichtsbreite ebenfalls den gegenüberliegenden Fassaden der Nachbarbauten.

REALTEILUNG | Die Ausbildung der blockweise angeordneten U-förmigen Baukörper, ermöglicht eine einfache Realteilbarkeit der Gebäude in drei Abschnitte, die sich auch in den zwei Untergeschossen darstellen lässt.

NUTZUNGSKONZEPT | Das Gebäudeensemble ermöglicht die Abbildung des gewünschten flexiblen Nutzungsmix. Vier der Neubauten beherbergen Büroflächen, welche je nach Nutzungskonzept als Einzel-, Kombi oder Großraumbüros gestaltet werden können. Der östliche Flügel des mittig im Quartier liegenden Wohngebäudes beherbergt ebenfalls Büroflächen. Alle Büroflächen sind in 400 m² große Nutzungseinheiten teilbar, wobei auch eine großflächige Vermietung ist möglich ist. Über Brücken auf Höhe der Obergeschosse lassen sich die Baukörper der nördlichen Bauteile miteinander verbinden. In den Erdgeschossen befinden sich Mitarbeiterrestaurants und -cafés, Konferenz- und Schulungsbereiche, Co-Working-Lounges, Showrooms, sowie die repräsentativen Lobbys zur gemeinsamen Nutzung durch alle Mieter. Die Erdgeschosse haben eine Geschosshöhe von 4,00 m, die Büroregelgeschosse haben eine Höhe von 3,60 m.
In den Erdgeschossen der beiden Wohngebäude sind Einzelhandels- und Gastronomienutzungen vorgesehen, die eine Versorgung und Belebung des Quartiers gewährleisten. Der vielfältige Wohnungsmix von 1- bis 5-Zimmerwohnungen ermöglicht durch eine heterogene Bewohnerschaft, von Singles über Familien bis hin zu Senioren und Studenten eine lebendige Mischung. Ein Großteil der Wohnungen verfügt über einen lärmgeschützten Freibereich in Form von Loggien. Alle Wohnungen sind über Aufzüge barrierefrei erreichbar. Die Regelgeschosse der Wohngebäude haben eine Geschosshöhe von 3,10 m.

STRUKTUR UND FASSADE | Die Struktur der Bürogebäude mit einer Regeltiefe von 13,75m bzw. 17,80m baut auf einem Konstruktionsraster von 4,05 m und einem Ausbauraster von 1,35 m auf, welches in einer klaren Fassadengestaltung ablesbar ist. Aufgelockert werden die Ansichten der Bürofassaden entlang der Kleinen Bahnradstraße durch ein 1,35 m breites geschlossenes Metallpaneel je Konstruktionsachse, wobei jede 2. Achse ein Öffnungsflügel eine natürliche Belüftung gewährleistet. Die scheinbar zufällige Verteilung auf der Gesamtfassade nimmt der langen Gebäudeansicht die Monotonie sowie die Anmutung einer Rückseite. Die Fassaden der Wohngebäude setzen sich aus vier Variationen zusammen: Neben flächenbündig zur Außenfassade liegenden Fensterflächen, springen diese an manchen Stellen klassisch leicht zurück. In manchen Leibungen dieser klassischen Fenster liegt eine Absturzsicherung, an anderen Stellen werden Loggien ausgebildet. Hierdurch entstehen abwechslungsreiche Ansichten, welche zusätzlich durch verschiebbare Holzpaneele vor je einem der drei Glasfelder pro Konstruktionsachse bespielt werden. Ihre Vertikallamellen sind zur Belüftung auch drehbar. Für alle Gebäude sind raumhohe Verglasungen geplant. Als Hauptmaterialität für die Bürogebäude ist ein Naturstein oder gefärbter Beton vorgesehen. Die Optik der Wohngebäude ist durch den Einsatz von Holz geprägt. Auch auf den Dachterrassen der Bürogebäude sind Holzrahmenmodule vorgesehen, die das Grundgerüst für eine Fassadenbegrünung darstellen können. Der südöstliche Schenkel des mittig im Quartier liegenden Wohngebäudes wird als Büro genutzt. Eine zwischen den gleichhohen Gebäudeteilen liegende Fuge mit Treppenhaus vermittelt zwischen den unterschiedlichen Geschosshöhen und den zwei Nutzungen.

ERSCHLIESSUNG | Die Erschließung des Areals für den motorisierten Verkehr erfolgt von Norden über die Kleine Bahnrandstraße, wo auch die Tiefgaragenzufahrten der drei Bauabschnitte liegen. Die Adressbildung und die Zugänge sind Richtung Czernyring ausgerichtet, wobei die Zugänge der drei südlichen Bauten direkt an den Straßenfassaden liegen. Zu den Bürogebäuden gelangen die Besucher über offene begrünte Höfe, die über die zentrale Ost-West-Wegeverbindung bzw. den Quartiersplatz erschlossen werden. Die Stirnseiten der U-förmigen Baukörper sind durch das zusätzliche Staffelgeschoss in diesem Bereich als Hochpunkte – baurechtlich keine Hochhäuser – ausgebildet und signalisieren den Besuchern den Weg in die Erschließungshöfe. Auch der Zugang zum Hochhaus erfolgt über den Innenhof.
Fußgänger mit Ziel bzw. vom Hauptbahnhof kommend können das Quartier problemlos auf der von Nordwesten nach Südosten verlaufenden grünen Achse zwischen den Gebäuden queren. Auch die Durchlässigkeit zwischen der Kleinen Bahnstraße und dem Czernyring ist gewährleistet.
Die Andienbarkeit durch die Feuerwehr kann um das Grundstück herum problemlos erfolgen. Alle Treppenhäuser sind als Sicherheitstreppenhäuser ausgebildet, so dass keine Feuerwehraufstellflächen in den begrünten und terrassierten Innenhofbereichen notwendig sind. Zusätzlich zu den Erschließungskernen der einzelnen Gebäude gibt es weitere Aufzüge und Treppen, welche die öffentliche Durchwegung und die Einzelhandelsflächen mit den Tiefgaragen verbinden.

FREIFLÄCHEN | Während sich die neuen Wohn- und Bürokomplexe des Czerny Quartiers nach außen hin in einer städtischen und von Geschwindigkeit geprägten Situation befinden, überrascht der öffentliche Durchgang zwischen den Bauten mit einer weitgehend begrünten und ruhigen Innenwelt: Eine polygonale Struktur der Grünflächen begleitet den Fußgänger durch die Höfe. Je ein verkürzter Schenkel pro u-förmiges Wohngebäude weitet die Grünachse wohltuend und abwechslungsreich auf.
In den großzügig begrünten und geschützten Wohnhöfen des 1. Obergeschosses über den Gastronomie- und Einzelhandelsflächen im EG befinden sich die privaten Gärten und Terrassen der Wohnungen, sowie die halb-öffentlichen Spielbereiche für Kinder. Große Dachterrassen auf den Wohngebäuden laden zur gemeinschaftlichen Nutzung ein und bieten einen einzigartigen Blick auf die Stadt Heidelberg samt Schloss.
Im Zusammenspiel mit dem im Nordosten gelegenen, intensiv begrünten Bürodachgarten ergibt sich ein Rhythmus aus eingeschlossener grüner Oase und weitgehend bepflanzten Verbindungen.
Eine Absenkung der Tiefgaragendächer ermöglicht größere Baum- und Grünpflanzungen, die zum komfortablen Mikroklima und einer qualitativen Aufwertung des Quartiers beitragen.
Durch das Planungsgebiet verläuft die Achse der historischen Römerstraße, die das mittlere Gebäudepaar quert und durch einen Wechsel im Bodenbelag optisch erlebbar wird.

TOPOGRAFIE | Die Höhenstaffelung des Quartiers folgt dem Höhenverlauf des Czernyrings entlang des Grundstücks in drei Geländestufen (analog den drei Bauabschnitten). Deutlich ausformulierte Terrassierungen mit 1,50 m Höhenunterschied nehmen das Geländegefälle auf und bieten Außenflächen für Gastronomie-Terrassen und die Erweiterungen des Einzelhandels der jeweiligen Gebäude. An der Montpellierbrücke mündet die steigende Terrassierung in den urbanen öffentlichen Quartiersplatz, der sowohl den Eingang zum neuen Entwicklungsareal darstellt, als auch die Verbindung zum gegenüberliegenden südöstlichen neuen Komplex ermöglicht. Das Planungsareal ist auch durch ein deutliches Geländegefälle vom Czernyring in Richtung Nordosten zur Bahntrasse gekennzeichnet. Von der „Kleine Bahnrandstraße“ erfolgt zwischen allen Baukörpern eine öffentliche Erschließung des Quartiers über großzügig angelegte Freitreppen und begrünte Außenanlagen auch zum Quartiersplatz an der Montpellierbrücke.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Konzept konnte insbesondere durch seine klare, drei teilige Struktur und die Ordnung der einzelnen Baukörper und Räume überzeugen. Auch die ruhige Höherentwicklung mit einem schmalen Hochpunkt an der Montpellier brücke, welcher im Bezug zu einem einladenden Platz als Quartiersauftakt steht, wurde von der Jury positiv bewertet.

Zudem wurde der Schallschutz innerhalb des Quartiers berücksichtigt und es spannen sich abwechslungsreiche, gut geschnittene Innenbereiche mit einer hohen Aufenthaltsqualität und differenziert bespielten Erdgeschosszonen auf. Kritisch wurde jedoch insbesondere der nach innen orientierte, großflächige Einzelhandel betrachtet, dessen Andienung unklar ist. Durch die Großflächigkeit ergeben sich zudem Defizite in der Qualität der darüber angeordneten Wohnungen. Es entstehen teilweise über lange Gänge erschlossene 6-Spänner mit einseitig zum Czernyring ausgerichtete Wohnungen.

Bei der Ausarbeitung der Freiräume wurde zudem die Barrierefreiheit und Durchwegbarkeit des Quartiers für Radfahrer sowie die sehr ähnlichen Zugänge der Baukörper von der Quartiersachse hinterfragt.

Der Quartiersplatz bietet ein schönes Entrée in das Quartier, gleichzeitig ist dessen Aufenthaltsqualität mit seiner Lage direkt an der Kreuzung und dem daraus resultierendem Verkehrslärm und Schallimmissionen jedoch begrenzt.

Insgesamt ist zu sagen, dass der Entwurf viele Kernaspekte gut ausgearbeitet hat. Die entscheidenden Schwächen liegen jedoch in der von außen nicht einsehbaren und langen Fußgängerachse, deren viele Einzelhandels-, Gewerbe- und Büroflächen im EG nur schwer zu bespielen sind. Auch die Aufenthaltsqualität in der Achse wird in Frage gestellt.
Perspektive Czernyring

Perspektive Czernyring

Perspektive Grüne Innenwelt

Perspektive Grüne Innenwelt

Längsschnitt

Längsschnitt

Schwarzplan

Schwarzplan

Lageplan

Lageplan