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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2021

Erweiterung Familienzentrum, Lernwerkstatt und KiTa Campus Waldau in Kassel

ein 1. Preis

Preisgeld: 16.250 EUR

foundation 5+ architekten landschaftsarchitekten

Architektur, Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Städtebauliche und soziale Einbindung

Die Lage und Geometrie des Neubaus mit Familienzentrum, Lernwerkstatt und Kita vermittelt zwischen der rechtwinkligen Geometrie der angrenzenden Grundschule Waldau und der im schrägen Winkel dazu verlaufenden Breslauer Straße sowie der Kreisverkehr-ähnlichen Platzsituation an der Kreuzung der Görlitzer Straße.
Etwas abgerückt von der Kreuzung schafft das Gebäude einen Vorplatz, der einen Aufenthaltsbereich für Eltern und Kinder bietet. Die Eingangsfassade schafft mit großen Öffnungen und einem überdachten Vorbereich ein einladendes Gesicht zum öffentlichen Raum. Die Heterogenität der Materialität drückt die Vielfalt der Nutzungen und der Nutzer*Innen aus. Der Baukörper schließt das Grundstück zur Breslauer Straße hin ab und bildet mit der gegenüberliegenden Sporthalle einen Freiraum aus, der sich nach Süden öffnet.
Die Grundstücksfläche wird durch die Nutzung der Dachflächen als Freiraum für die Kinder der Kita vergrößert, so dass zusätzliche öffentliche Spielflächen für Grundschule und Quartier angeboten werden können, die zusammen mit den entstehenden Wegeverbindungen eine soziale Vernetzung und Einbindung in das Quartier über den Nutzerkreis des Gebäudes hinaus fördern.

Gebäudekonzept

Die Lage der Funktionsbereiche berücksichtigt die unterschiedlichen Anforderungen von Familienzentrum, Lernwerkstatt und Kita an die Anbindung des öffentlichen Raums, des Quartiers und der Grundschule. Um dem kooperativen Grundgedanken und der Vernetzung der verschiedenen Nutzungsbereiche Rechnung zu tragen, sind neben Familienzentrum und Lernwerkstatt auch alle gemeinsam genutzten Bereiche der Kita im EG angeordnet.
Alle Bereiche sind von außen ablesbar und über den Haupteingang barrierefrei erreichbar.
Küche, Restaurant und U3-Bereich der Kita liegen ebenfalls leicht erreichbar im EG. Das OG ist den Funktionsräumen der Kita mit den entsprechenden Nebenräumen und Dachterrassen vorbehalten.
Das Familienzentrum liegt mit Angebots- und Beratungsräumen direkt an Haupteingang und zentralem Eingangs- und Informationsbereich. An diesen sind auch die diversen Sanitärräume und Nebenfunktionen sowie der Eingewöhnungsbereich mit einer für alle Besucher des Hauses offenstehenden Teeküche angeschlossen. Auf den im Raumprogramm geforderten Nebeneingang für das Familienzentrum wurde bewusst verzichtet, da das Ziel der Wahrung von Anonymität bei Nutzung eines allgemeinen Hauptzuganges leichter erreichbar erscheint als bei der Nutzung eines „Hintereingangs“, der nur von Nutzern der Angebote mit Diskretionsanspruch aufgesucht wird.
Die Lernwerkstatt ist ebenfalls vom zentralen Eingangsbereich erschlossen und somit leicht für die Kinder der Kita und aus dem Quartier erreich- und auffindbar. Der östliche Nebeneingang ermöglicht eine Nutzung durch die Grundschule Waldau auf kürzest möglichem Wege.
Die drei abtrennbaren Raumteile besitzen jeweils eigene Zugänge, so dass die Lernwerkstatt auch von unterschiedlichen Zielgruppen gleichzeitig genutzt werden kann. Ein verglaster Flur mit Garderobe und Ranzenlager dient auch als Anbindung an die vorgelagerte Werk-Terrasse.
Die Kita nutzt den zentralen Eingangs- und Informationsbereich ebenfalls als Hauptzugang. Auf dem Weg zur Kita werden so die Angebote von Familienzentrum und Lernwerkstatt sichtbar. Um weitere Synergieeffekte zu nutzen, sind der Multifunktions- und Ruheraum und der Mehrzweck- und Bewegungsraum über jeweils zwei getrennte Zugänge sowohl direkt aus dem zentralen Bereich als auch direkt intern aus der Kita erreichbar. Im Zentrum der Kita liegt die Erschließungshalle mit Treppe und Aufzug ins Obergeschoss. Im rückwärtigen Bereich des Erdgeschosses schließt das Kinderrestaurant mit Küche an. Die Küche hat einen separaten Zugang von außen mit kurzem Weg zu dem Wertstoffbereich im Nebengebäude. Der U3-Bereich liegt ebenfalls mit direkter Zugangsmöglichkeit im ruhigen hinteren Bereich der Kita, jedoch auf der Gartenseite, so dass hier die direkte Anbindung an den U3-Außenbereich gegeben ist. Das Nebengebäude bietet hier Platz für Kinderwagen sowie Fahrräder.
Räumlich wird das EG durch einen Wechsel von offenen und geschlossenen Räumen gegliedert. Dieses Spiel, das eine monotone Mittelflur-Erschließung verhindert, wird im OG der Kita fortgesetzt: Hier bildet eine Folge von Garderoben, teilbaren Sanitär- und weiteren Nebenräumen auf der Straßenseite ein kleinteilig-funktionales Rückgrat, dem ein Wechsel von kleinen Differenzierungs- und größeren Funktionsräumen, jeweils mit Zugängen zur Dachterrasse, auf der Gartenseite gegenübersteht.
Die vier Funktionsräume erhalten so jeweils einen direkt zugänglichen Freiraum mit eigener Größe und Charakteristik, der den Innenraum ergänzt. Die „Forscherterrasse“ als größter Freiraum auf dem Dach ist mit Hochbeeten und Podesten für das Gärtnern und Werken unter freiem Himmel bestimmt. Ein überdachter Bereich auf der Terrasse unterstützt dieses Angebot mit wettergeschützter Werkbank, Geräteraum und Regenwasser-Zisterne. Zwei als Spielobjekte gestaltete Treppen ermöglichen einen schnellen Zugang aus dem Obergeschoss zum ebenerdigen Freiraum.

Brandschutzkonzept

Das Gebäude wird entsprechend seiner Funktionsbereiche mit Brandschutztüren in Nutzungseinheiten von max. 400qm unterteilt. Die Halle der Kita besitzt einen eigenen direkten Ausgang ins Freie und unterteilt die Kita ebenfalls in Brandabschnitte. Alle Aufenthaltsräume für Kinder besitzen einen eigenen Ausgang ins Freie: im EG in den Garten und im OG auf die Dachterrasse. Diese dient als Fluchtbalkon mit Rettungsweg über die Außentreppen. Diese Maßnahmen kompensieren in Verbindung mit der Brandmeldetechnik den Verzicht auf notwendige Flure. Das Gebäude ist in Gebäudeklasse 3 einzustufen. Eine Konstruktion ist daher auch mit holzsichtigen Oberflächen möglich (Feuerwiderstand F30 über Abbrand).

Konstruktion / Materialien / Nachhaltigkeit / Wirtschaftlichkeit

Das Gebäude ist in Holzbauweise mit massiven Brettstapeldecken (Decke und Dach mit Speichermasse) sowie mit tragenden Holzrahmenbauwänden konzipiert. Die Spannweiten sind auf einen in weiten Teilen vorgefertigten Holzbau abgestimmt. Die Außenwände sind hochgedämmt mit vorgehängter hinterlüfteter Fassade. Zur Gliederung des großen Baukörpers besteht die Fassadenbekleidung aus unterschiedlichen Materialien: Holzprofile in unterschiedlichen Abständen, geschützt durch Vergrauungs-Lasur sowie farbige Faserzementplatten gliedern die Fassade in Abschnitte, die durch umlaufende horizontale Blechprofile aus Corten-Stahl verbunden werden.
Die Dachflächen werden mit Aufdachdämmung und extensiver Dachbegrünung ausgeführt. Im Innenausbau kommen vorzugsweise natürliche Materialien zum Einsatz, die auf den Einsatzort abgestimmt in der Benutzung langlebig sind und eine warme Atmosphäre erzeugen, wie z.B. Dreischicht- und Lehmbauplatten oder Linoleum. Die verwendeten Materialien im Roh- wie auch im Ausbau sind konsequent hinsichtlich baubiologischer Aspekte und größtmöglicer Recyclierbarkeit ausgewählt und werden entsprechend reversibel eingebaut.
Das Erdgeschoss wird bei größtmöglicher Kompaktheit des Grundrisses durch große offene Bereiche in die Tiefe natürlich belichtet. Im OG erhalten die Funktionsräume eine besondere Raumhöhe zur Vergrößerung des Raumvolumens (Luftqualität, Verbesserung sommerlicher Wärmeschutz). Ein wirtschaftlicher Ausgleich wird durch die Reduzierung der Geschosshöhe in dem Bereich der Nebenräume geschaffen. Durch die Dachterrassen erhalten die Funktionsräume außerdem die Möglichkeit zur Südorientierung. Sonnensegel über den Terrassen und Raffstoreanlagen vor den Fenstern gewährleisten dabei einen gut regulierbaren Sonnenschutz.

Gebäudetechnik / Energie

Ziel ist die Reduzierung von technischen Einbauten auf das erforderliche Minimum (low-tec). Eine mechanische Lüftung ist nur in innenliegenden Räumen und Sanitärräumen vorgesehen. Dazu sind dezentral mehrere Standorte für Lüftungsgeräte vorhanden. Die Küchentechnik liegt als eigener Brandabschnitt oberhalb der Küche im OG mit Anbindung an die Dachfläche. Durch Dachbegrünung und umgebende Freiflächen abgekühlte Nachtluft kann über mechanische Öffnungsvorrichtungen in den Fenstern mit Einbruchsschutz effizient und kostengünstig zur Nachtauskühlung genutzt werden. Das Flachdach kann für eine PV-Anlage genutzt werden.

Freiraumkonzept

Das Freiraumkonzept nimmt den Campus- Gedanken auf und formuliert ein neues Stadtteilzentrum, das neben dem Neubau zugeordneten Angeboten wichtige übergeordnete Quartiersangebote, Aufenthaltsmöglichkeiten und Anbindungen bereitstellt.
So bildet der Eingangsplatz an der Görlitzer Straße einen Treffpunkt für Schule, Werkstatt und Familienzentrum ebenso wie für die Bewohner des Stadteils.
Von dem Platz ausgehend gliedert eine Wegespange in Nord- Süd Richtung den Freiraum zwischen Neubau und Sporthalle in kitaeigene, öffentliche und gemischt nutzbare Bereiche. Geleitet wird der Weg durch eine prägnante Heckenfigur aus Blütensträuchern, die zwischen Kita- Spielräumen und öffentlichen Bereichen vermittelt.
Neben Angeboten wie Boulderwand an der Sporthalle, kleinem Kletter- und Balancierparcour sind dem Weg wie Kieselsteine kleine Sitzinseln zum chillen oder zuschauen angelagert.
Im Kita- Spielbereich wird beiläufig ein kleiner Bereich für die U- 3 Gruppe separiert.
Der südliche Spielbereich der Kita mit Spielturm für die „Großen“ kann bei Bedarf in den Nachmittagsstunden von der Kita getrennt und dem öffentlichen Programm zugeschaltet werden. An der Südseite der Sporthalle, direkt an der wichtigen Rad- und fussläufigen Stadtteilverbindung „Am Kreutzhof“ wird das Sockerfeld angeboten. Auf das Niveau des Weges abgesenkt, erhält das Feld zum nördlich verlaufenden Anschlussweg aus dem Schulgelände eine kleine Stützmauer und bietet an den Stirnseiten die Möglichkeit, auf Sitzstufen in der Böschung dem Spiel zu folgen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Der Entwurf stellt eine qualitätsvolle Verwebung der öffentlichen Wegebeziehungen in Kombination mit neuen Platzsituationen dar und ergänzt so den Schulcampus auf sehr selbstverständliche und überzeugende Weise. An der Kreuzung im Norden entsteht ein kleiner Quartiersplatz, der neben dem Haupteingang in das Gebäudes auch den Übergang zu einem etwas geschützteren Quartiersplatz ausbildet, dieser ist wiederum über einen Fußweg mit der Grundschule verbunden. Gleichzeitig wird eine Durchwegung nach Süden angeboten, die eine Vernetzung zusätzlich unterstützt. Der Freiraum profitiert von der Orientierung des Gebäudes entlang der Breslauer Straße. Es entsteht ein ausreichender Abstand zur Turnhalle, der die Entwicklung eines attraktiven, nach Süden offenen Freiraums zulässt, der über Treppen auch vom Obergeschoß erreichbar ist. Durch die Positionierung des Gebäudes am nördlichen Rand des Planungsgebietes wird eine Abfolge von kleinen, platzartigen Bereichen formuliert, die die Anbindung an das Schulgelände sicherstellt und eine öffentliche Spielfläche sowie das Soccerfeld zweckmäßig erschließt. Die Gestaltung der Freiräume überzeugt, großformatige Sitzpodeste fungieren als wiederkehrendes Erkennungsmerkmal und laden in den öffentlichen Bereichen zum Verweilen ein. Die befestigten Erschließungs- und Funktionsflächen im Osten und in Anbindung an die Grundschule sind trotz der Kleinteiligkeit gut nutzbar. Der überdachte Werkhof könnte allerdings besser an die Lernwerkstatträume angebunden werden. Insbesondere ist die schlüssige Erweiterung der Freiflächen auf dem OG für die Kita überzeugend da sie zusätzliche Qualitäten bietet und damit auch den Übergang zu den erdgeschossigen Außenflächen in unterschiedlichen Nutzungsqualitäten inszeniert. Der Forscherhof, der der Lernwerkstatt zugeordnet ist, wird auf der Lernwerkstatt wird als besonderes Angebot gelobt. Der zuschaltbare öffentliche Spielbereich eröffnet flexible Nutzungsoptionen. Insgesamt entsteht ein gut gegliederter, funktionaler und durchgrünter Freiraum mit ausgewogenem Verhältnis von befestigten Bereichen und Grünflächen. Die Anordnung aller öffentlichen Nutzungen im Erdgeschoss wird vom Preisgericht gewürdigt. Sie stärken den gewünschten niederschwelligen Zugang zu den Angeboten des Familienzentrums- und ermöglichen die vernetzte Nutzung von Lernwerkstatt, Familienzentrum und Kita. Die unterschiedlichen Erschließungsmöglichkeiten sind in der Grundstruktur gut angeordnet, allerdings überzeugen sie in der Grundrissanordnung von Nebenräumen und Erschließungsflächen nicht. Die Eingangsbereiche, insbesondere der Haupteingang, sind in seinen Dimensionen zu eng ausgestaltet, die eine gewünschte Durchlässigkeit und Übersichtlichkeit vermissen lassen. Die Innenstruktur der Kita ist dagegen überzeugend und großzügig in ihren räumlichen Angeboten. Diese Struktur stützt das angestrebte offene pädagogische Konzept der Einrichtung. Im Obergeschoss sind die vier Funktionsräume deutlich ablesbar und verfügen über eigene Terrassenspielbereiche, welche auch den Übergang zum Freispielbereich darstellen und als 2. Fluchtweg dienen. Der II-geschossige Baukörper zeigt im Kontext mit dem Vorplatz eine deutliche Position zum Stadtteil und bildet gleichzeitig in Gestalt und Ausprägung einen typologischen Anschluss zum bestehenden Schulgelände. Die Materialvielfalt der Fassade erscheint der Jury jedoch unbegründet und überfrachtet. Hier wäre eine Beruhigung auch im Hinblick auf die Dauerhaftigkeit und Wartungsfreundlichkeit der Fassade wünschenswert. Die Wirtschaftlichkeit wird als gut beurteilt, der Entwurf zeigt deutliches Engagement in der Realisierbarkeit als Holzbau. Die geordnete Grundstruktur beider Geschosse trägt zu dieser Einschätzung bei. Auch das angedeutete Brandschutzkonzept zeigt eine unkomplizierte Umsetzbarkeit. Der kompakte Baukörper mit einem guten AV Verhältnis, lässt überschaubare Betriebskosten erwarten. Die Materialwahl sowie der Einsatz von regenerativen Energien ermöglicht eine Erstellung sowie Inbetriebnahme im Sinne der Nachhaltigkeit. Das Obergeschoss ist mit Treppe und Aufzug barrierefrei erschlossen. Der Beitrag überzeugt im Besonderen in seiner städtebaulichen Setzung und der Ausformulierung der Freiraumbezüge und Wegebeziehungen, sowie seinen Angeboten im Kitabereich trotz Schwächen in der Grundrissorganisation des Eingangs wird der Arbeit ein hohes bauliches Entwicklungspotential attestiert.