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Nichtoffener Wettbewerb | 11/2021

Erweiterung Familienzentrum, Lernwerkstatt und KiTa Campus Waldau in Kassel

3. Preis

pussert kosch architekten

Architektur

Rehwaldt Landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

LINDENKREUZ EGGERT | Bildermacherei & Utopografie

Visualisierung

Erläuterungstext

Entwurfskonzept
Das neue Gebäude auf dem Campus Waldau setzt ein deutliches städtebauliches Zeichen im Stadtteil. Der gestaffelte Baukörper wirkt sympathisch und einladend und ist von allen Seiten wahrnehmbar. Durch sein markantes und selbstbewusstes Auftreten prägt er seine unmittelbare Umgebung. Mit der Entschei-dung, sich nicht allzu sehr an den Bestandsbauten zu orientieren, erreicht der Zentrumsbau die gewünschte Signifikanz und Offenheit.

Der 3-geschossige Gebäudeteil strahlt weit in den Straßenraum hinein und ist gut von der Görlitzer- und der Breslauer Straße aus sichtbar. Durch die Staffelung des Baukörpers nach Süden kann die Dachflä-che als Aufenthaltsfläche für das Familienzentrum genutzt werden. Die prägnante Gebäudefigur generiertsehr gut nutzbare Außenbereiche mit überdachten Zugängen.

Charakteristisch für das Stadtteilzentrum sind die über Eck zurückspringenden Fassaden mit den vorge-lagerten Veranden. Hier tritt der Innenraum nach außen und geht eine kommunikative Verbindung mit seiner Umgebung ein. Das zeigt sich besonders gut zum östlichen Eingangshof in Richtung Schulcampus und zum südlich angrenzenden Freibereich der Kita.

Innere Organisation
Das nicht unterkellerte Zentrum kann sowohl über den Eingang an der Breslauer Straße als auch über den Zugang am östlichen Campusplatz erschlossen werden. Die offenen Funktionsräume der Lernwerk-statt mit den angelagerten Nebenräumen orientieren sich zum öffentlichen Platz und verzahnen die inneren und äußeren Aktivitäten miteinander. Der Kreativhof ist dort unmittelbar angelagert. Im südlichen Bauteil wurden im EG das Kinderrestaurant und die Kinderkrippe mit direktem Anschluss an den Garten angeordnet. Die Küche wird über die Breslauer Straße angeliefert.

Das Familienzentrum, die Lernwerkstatt und die Kita werden über die zentrale Eingangshalle erschlos-sen, erhalten jeweils aber auch direkte Zugänge. Jeder Gebäudeteil verfügt über eine eigene vertikale Erschließung. Im Bedarfsfall können einzelne Bereich abgeteilt oder ganz geschlossen werden. Damit können auch am Wochenende ganz unterschiedliche Veranstaltungen stattfinden, ohne dass das gesamte Gebäude zugänglich ist.

Im 1. Obergeschoss ist die Kindertagesstätte untergebracht. Auch hier lassen sich Teilbereiche abtren-nen, sodass eine multifunktionale Nutzung möglich ist. Den Funktionsräumen ist ein Spielbalkon vorgelagert. Über eine einläufige Treppe gelangt man in den Garten. Im obersten Geschoss ist der große, teilbare Veranstaltungs- und Schulungsbereich des Familienzentrums mit direktem Zugang auf die Dachterrasse angeordnet.

Nachhaltigkeit
Der grundsätzliche Ansatz des Konzeptes ist die Errichtung von einem nachhaltigen und wirtschaftlich effizienten Neubau mit einer energetisch optimierten und CO2-armen Jahresbilanz. Grundlage liegt in der integralen Planung von Architektur und Technik im Zusammenspiel mit einer Brauchwassernutzung. Infolge der Hybridbauweise kommt der nachwachsende Rohstoff Holz maßgeblich zum Einsatz.

Unterstützt wird dies durch die gezielt gestalteten und ausgerichteten Baukörper, die einen sehr guten Wärmeschutz und eine hohe Luftdichtheit aufweisen, sowie der Begrenzung des Einsatzes technischer Anlagen auf das erforderliche Minimum. Bestreben ist zudem der Einsatz technischer Anlagen mit hoher Energieeffizienz und die Nutzung regenerativer Energien nach der EnEV und des EEWärmeG.

Eine raumlufttechnische Anlage ist für alle Aufenthaltsräume vorgesehen. Die Räume werden mit einer kontrollierten Lüftung zur Absicherung des hygienisch und bauphysikalisch erforderlichen Mindestluft-wechsels betrieben. Die Zuluft für die Lüftungsanlagen wird über einen Lufterdkollektor geführt, wodurch eine Vortemperierung der Zuluft durch Erdwärme gegeben ist. Zusätzlich kann bei Bedarf eine natürliche Lüftung über die Fenster erfolgen.

Sämtliche Veranstaltungs- und Gruppenräume erhalten eine CO² Ampel und werden bei Bedarf über die Fenster stoßweise gelüftet. Für den sommerlichen Wärmeschutz ist neben dem außenliegenden Son-nenschutz, der entsprechend dem Solareintrag gesteuert wird, eine natürliche Nachtauskühlung in den Obergeschossen vorgesehen. Die Flachdächer werden als Retentionsdächer ausgelegt und puffern das Niederschlagswasser vor der Einleitung in die Kanalisation. Die Dachflächen werden begrünt und das 3-geschossige Gebäudeteil mit Photovoltaikelementen bestückt.

Als Folge des Klimawandels kommt es in den Frühjahrs- und Sommermonaten immer häufiger zu erhöhten Außentemperaturen, die teilweise die Auslegungsaußentemperaturen für technische Anlagen bereits überschreiten. Daraus ergeben sich erhebliche Nutzungseinschränkungen. Direkte Kühl- und Klimatisierungsmaßnahmen sind aus Gründen der Betriebsfolgekosten wie auch der aus dem zusätzli-chen Stromverbrauch resultierenden zusätzlichen Umweltbelastung nicht geplant.

Freianlagen
Mit dem Bau des Familienzentrums wird ein neuer Eingang an der Breslauer- und Görlitzer Straße für den Bildungscampus geschaffen. Um den Zusammenhang des Campus zu stärken wird auch hier Asphalt als durchgängiges Belagsmaterial gewählt. In Verlängerung der Verbindung zur Grundschule entsteht ein geschützter multifunktionaler Platzraum. Außenbestuhlung und gefasste Bauminseln mit Holzdecks schaffen attraktive Treffpunkte. An der Lernwerkstatt lädt der Kreativhof mit modularen Sitz- und Tischelementen zur Aneignung ein.

Die Freiflächen der Krippe und des Kindergartens werden südlich des Neubaus angeordnet. Sonnense-gel und Bäume sorgen für Beschattung. An der südlichen Grundstücksgrenze wird die bestehende Böschung überhöht und als ansprechender Spielort ausgebildet. Zudem befindet sich hier das Grüne Klassenzimmer. Auf der nutzbaren Dachfläche des Familienzentrums entsteht ein nutzbarer Dachgarten, den die Kinder und Familien zum Anbau von Gemüse und Kräutern nutzen können. Zur Bewässerung wird das anfallende Regenwasser genutzt. Östlich der Spielflächen für die Kleinsten entsteht die neue Soccerbox. Die notwendigen Stellflächen und die Anlieferung erfolgen getrennt von den Fußgängern und Radfahrern an der Breslauer Straße.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die städtebauliche Grundfigur zweier gedrehter und zueinander verschobenen Baukörper erzeugt ein einladendes und signifikantes Ensemble gemeinsam mit der Turnhalle. Unterstützt wird diese Markanz durch den III-geschossigen, vorgelagerten Baukörper, der eine gute Adressierung erwirbt. Durch die Setzung von Gelände und Freiraum wird ein Campuscharakter erzeugt, der durch eine maßstäblich gelungenen Eingangshof und einen großzügigen Freiraum im Süden charakterisiert wird. In der Gestaltung der Freianlagen kann der Entwurf weniger überzeugen. Es gelingt zwar, aufgrund der III-Geschossigkeit, die bebaute Fläche zu minimieren, diese wird jedoch größtenteils mit Asphalt versiegelt und bietet wenig bespielbare Fläche und Naturraum für die Kinder an. Die vorhandene Topografie wird nicht beachtet, das Parken unter den Bestandsbäumen ist bei Erhalt der Bäume und aufgrund straßenbegleitenden Parkens nicht möglich.

Im Erdgeschoss verzahnt sich das Gelände beinahe schwellenlos mit dem Straßenraum und schafft eine hohe Transparenz und Offenheit. Die Eingangshalle überzeugt als Herz des Hauses, die Lage der Lernwerkstatt und des Cafés ist sehr gut gelöst, da die umliegenden Freiflächen selbstverständlich einbezogen werden. Nahezu ohne Flure wird ein Raumangebot differenzierter Spielfläche mit hoher Nutzungsqualität geschaffen.

Die Lage des Familienzentrums im 2. OG wird kontrovers diskutiert. Die gewünschte, einfache Erreichbarkeit ist hier nicht gewährleistet. Gleichzeitig wird die Qualität des halböffentlichen und geschützten Ortes mit eigenem Außenzugang positiv gesehen.

Die Arbeit vermittelt das Bild eines transparenten und offenen Lernortes mit hohen Aneignungspotential. Sie bekennt sich damit eindeutig zum Bild eines modernen und gelebten Campus. Die nahezu konstruktionsarme Gestaltungsabsicht, die auskragenden Geschossplatten und leichten, raumhohen Glasbändern stellen die gewünschte Umsetzung in Holzbauweise in Zweifel.

Trotz III-geschossiger Bauweise liegen die Kenndaten der Arbeit im höheren Bereich. Zudem lassen die gestalterischen Absichten einen hohen konstruktiven Aufwand erwarten. Durch die Einordnung des Gebäudes in eine höhere Gebäudeklasse ergeben sich zudem kostenrelevante und planerische Konsequenzen für die Genehmigungsfähigkeit in Holz.

Insgesamt entspricht die Arbeit in ihrer Grundidee einem offenen und kreativen Lernort, mit guten Nutzungsmöglichkeiten für die offene Arbeit, erzeugt jedoch in ihrer Ausformulierung Widersprüche und Kritik in der Umsetzung.
Familienzentrum mit Kreativhof

Familienzentrum mit Kreativhof

Übersichtsplan

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Lageplan

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