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Offener Wettbewerb (auch für Studenten) | 11/2021

EUROPAN 16 Deutschland - Living Cities

Gmünder Talfinger

Anerkennung / Standort Schäbisch-Gmünd

studio erde_office for anthropocene landscapes

Landschaftsarchitektur

Michael Fay

Student*in

Erläuterungstext

*die talfinger_schwäbisch gmünd und die remstal-metropole
- spekulationen über verwobene architekturen, hybride landschaften & interaktive infrastrukturen

Können wir Schwäbisch Gmünd als Teil einer einzigartigen horizontalen Landschaftsmetropole lesen lernen? Die Autoren entwickeln ein Projekt, welches vom Tal her denkt: wie kann der westliche Stadteingang als ein mit dem Tal, seiner Geschichte, Geologie, Infrastrukturen und Landschaften verwobenes und resilientes Geflecht entwickelt werden? Die vorgeschlagenen Talfinger kommunizieren hierbei aktiv mit der Region und schaffen aufgeladene Architektur-Landschaftshybriden, die von einer ländlichen Urbanität und dem Feiern der metabolischen Verknüpfungen mit der Talmetropole leben. Die Rems-Allmende und die Lorcher Höfe als kreislaufbasierte Raumtypologien beleben den Stadteingang von SG und verknüpfen mit ihren hybriden Infrastrukturen und aufgeladenen Landschaftslinien aktiv zum Remstal. Vom Tal her gedacht
Können wir Schwäbisch Gmünd (SG) als Teil einer einzigartigen horizontalen Landschaftsmetropole lesen und verstehen lernen? Die Autoren entwickeln ein Projekt, welches vom Tal her denkt: wie kann der westliche Stadteingang von SG als ein mit dem Tal, seiner Geschichte, Geologie, Infrastrukturen und Landschaften verwobenes und resilientes Geflecht entwickelt werden?
Aktuell befindet sich der Planungsraum in einer isolierten Situation, geprägt von typologischen Kontrasten, verdeckten Landschafts-Linien, infrastrukturellen Einschneidungen und Fragmentierungen. Das Gebiet spannt sich zwischen der Hangkante der nördlichen Talhänge des Nepperberges und des St. Salvators, den parallel verlaufenden Bahngleisen, der Lorcher Straße und der in 2.Reihe versteckten Rems auf - Hier wird angesetzt und eine Strategie entwickelt, welche mit den vorgefundenen Strukturen und identifizierten (Landschafts-)Linien arbeitet. Den Linien wird nachgespürt und ihren Strukturen und Wirkräumen und -geflechten bis tief in die Remstal-Metropole gefolgt: die Stadt-Dorf-Linie, die Rems-Linie und die Infrastruktur-Linie bilden das räumlich-konzeptionelle Rückgrat des Konzeptes und schaffen die entwurfliche Grundlage für die Qualifizierung des westlichen Stadt-Einganges von SG. An dieser Übergangsituation im Talraum, ehemals außerhalb der Altstadtmauern, wird auf Grundlage der hier vorgefunden Strukturvielfalt ein Konzept entwickelt, welches die identifizierten Linien zu verdickten und verwobene Fingern weiterdenkt, den sogenannten Gmünder Talfingern.

3 Finger & 1 Band – vernetzt und aufgeladen!
Als neue Adresse für die verwobene Talstadt SG entsteht hier eine neue Interpretation von ländlicher Urbanität: Das Garten-Tor als Schnittstelle an der Lorcher Straße grüßt die Talbewohnerinnen und weist auf eine produktive Zukunft von SG hin. Die Straße entwickelt sich hierbei zur Innovations- und Gartenmeile mit den angrenzenden Gmünder Höfen, wo in den Macher-Höfen mit dem Gmünder Wadi urbane Produktion und Forschung betrieben wird sowie im Holz-Hof mit integriertem Baulager innovative Wohn- und Arbeitsformen gelebt und getestet werden.
Entlang der Rems wird eine hybride Farm- Flusslandschaft geschaffen, die Rems-Allmende. Diese kreislaufbasierten Gemeinschafts-Höfe bilden mit Rücksicht auf den Bestand und die Körnigkeiten der Umgebung neue Formen des gemeinschaftlichen Wohnens und Lebens mit metabolischen Stoffströmen aus. Die Rems wird hierbei in ihrer Dynamik und Erlebbarkeit verstärkt und stofflich eingebunden.
Entlang der Bahn werden die Bestandsgebäude in eine Macher-Promenade als Shared Space eingebunden und über eine neue Brücke in den neuen Zeitwerk-Hof hinein verknüpft, welcher sich als Fortführung des Jugend- und Freizeitbandes versteht und am Fuße des Nepperberges vielfältige öffentliche Angebote schafft und in die Hanglandschaft und zum Salvator Observatorium überleitet.
Als verbindendes Element zwischen den Fingern wird eine Abfolge von hybriden Landschaftsräumen von der Hangkant, über die Bahnlinie, hin zur Rems und weiter in die angrenzenden Freizeit- und Bildungslandschaften hinein entwickelt. Zentrales Element sind die Hängenden Wasser-Gärten, welche die aktuell brachliegende Tunneldecke bespielen und eine hybride Platzfigur zwischen Stadteingang und Garten-Tor ausbilden. Als hybride Parklandschaft im Herzen der Rems-Allmende zieht sich der Landwirtschafts-Park zur Rems und der neuen Energie-Brücke hinab.

Hybride Typologien für metabolische Verknüpfungen!
Die vorgeschlagenen Typologien haben das Ziel kreislaufbasierte architektonische und landschaftliche Antworten zu liefern und dabei atmosphärisch aufgeladene Räume zu schaffen, die die vielfältigen metabolischen Verknüpfungen und anthropozänen Ästhetiken feiern.
Im Macher-Hof entwickelt sich um den wiederentdeckten und neu interpretierten Mühlbach als hybrider Retentionsraum das Gmünder Wadi. Hier wird anfallendes Regenwasser von den Dächern und Grauwasser aus den angrenzenden Gebäuden und der neuen Fischfarm in der Bestandshalle gefiltert und lokal versickert/verdunstet. Das integrierte Bifora Gebäude wird zum Macher-Haus weiterentwickelt. Es wird gerahmt von der bahnbegleitenden Macher-Promenade mit Platzflächen und integrierten Gewerbestandorten, welche über einen ökologisch hochwertigen Saum zum zentralen Wasser-Platz hinleiten. Entlang der Lorcher Str. sind innovative Gewerbebetriebe in vielfältigen und nutzungs-offenen Typologien vorgesehen, u.a. mit integrierten Garten-Fassaden, welche das Bild der neuen Lorcher Straße als Garten- und Innovationsmeile prägen werden. Das Profil der Lorcher Straße sieht neben breiten Gehwegen mit blau-grünen Retentionsflächen und Baumpflanzung auch eine Schnellrad-Spur vor, welche direkt zum Bahnhof und dem Fahrradparkhaus führt. Die Hängenden Gärten als Schnittstelle zwischen den verschiedenen Räumen beherbergen zudem die zentrale Mobilitätsgarage für das neue Quartier. Auf dessen Dach wird eine öffentliche Spiellandschaft geschaffen und über eine Freitreppe hinunter zum Platz und der Kreuzungssituation eine Bühnensituation inszeniert, die „Gmünder Bühne“. Im Übergang zum Tunneleingang, und einer weiteren relevanten Übergangs- und Eingangssituation, schlagen die Autoren zudem eine weitere Talreferenz vor: in späteren Phasen könnten hier Verknüpfungen über die Autobahn hinweg gedacht werden, sowie die Transformation der großen Autohaus Flächen, als z.B. Klimamaschine /-wald Observatorien, wie auch angedacht für die Anknüpfungen in den angrenzenden St. Salvator im Nepperberg.

Als hybrider „Garten“-Raum bilden die Wasser-Gärten durch eine Leichtbau-Gerüst-Konstruktion eine flexible Bespielung der bis jetzt ungenutzten Tunneldecke mit vielfältigen Möglichkeiten der Bespielung. Durch das präzise gesetzte Stützenraster und große realisierbar Spannweiten wird die ehemals ungenutzte und singulär belegte Fläche zum einen für neue Funktionen geöffnet jedoch aber nicht in ihrer eigentlichen Bestimmung eingeschränkt. Über Treppen und die Dächer kann man das Gerüst zudem auf der zweiten Ebene begehen. Integrierte Regenfänger sammeln auf dieser Ebene das anfallende Regenwasser und leiten dies über ein leichtes Gefälle in den an die Lorcher Str. angrenzenden Wasserspeicher oder geben es im Sommer als Sprühnebel ab, welches das Gerüst auch klimatisch wirksam macht. Das Gerüst verwebt die angrenzenden Gebäude und findet seinen Abschluss in dem neuen Garten-Tor, die inszenierte Übergangssituation auf der Lorcher Str.
Das Garten-Tor ist als Schwester-Gebäude ausgebildet, welches direkt mit seiner Umgebung kommuniziert. Auf der Platzseite entwickelt sich das Bürgerhaus mit einem öffentlichen Sockel. Platzseitig entwickelt sich das Bürgerhaus durch einen transparenten., öffentlichen Sockel welcher ab Höhe des Gerüst an Wertigkeit und Massivität gewinnt. Den Gebäudeabschluss findet das Bürgerhaus in einer doppelgiebligen Schauseite als Anlehnung an die Gmünder Altstadt. Auf Ebene des hängenden Wasser Gartens greift das Garten Tor über die Straße als grüne Passage hinweg und schafft die Verknüpfung zur Allmende indem es im vertikalen Garten Turm endet. Als Teil der Allmende transformiert sich das Garten-Tor hier in einen vertikalen Garten-Turm mit integrierter Kita und Bio-Café und den dazugehörigen Außenflächen. Hier wird der Großteil der Nahrungsprodukte für die Rems-Farmen vertikal produziert und direkt vermarktet.

FÜR EINE KREISLAUFBASIERTE PROGRAMATIK
Für die Teilräume wurden schematische Überlegungen für kreislaufbasierte Systeme entwickelt. Metabolische Schnittstellen sind u.a. Teil der Rems-Allmende, wie das Biohaus, das zentrale Kompostier- und Energiedepot (Biomasse) oder der Nahrungs-Platz am Garten-Tor, wo Nahrungsmittel direkt vermarktet werden.
Im Holz-Hof, der produktiven Holzbau-Genossenschaft mit Werkstätten und vielfältigen Wohnformen im Übergang zur Vogelhofstr., befindet sich das Baulager des Quartiers. Hier werden alle anfallenden Abbruch und -Baumaterialien recycelt und aufgearbeitet. Ziel ist ein Zero.Waste Quartier, welches als Modellprojekt für die Remstalmetropole dienen kann.
In der Rems-Allmende prägen kollektive Hofgemeinschaften die neuen Nachbarschaften. Mehrstöckige Reihenhäuser an der Lorcher Straße gehen über in kleinteilige Hofhäuser und produktive Scheunen/Hofgebäude im Übergang zur Rems und ihrem aufgewerteten Uferbereich mit einer Promenade. Die Höfe sind integriert in die landwirtschaftlichen Anbauflächen und zeugen von einem Leben mit und durch die Integration von Stoffkreisläufen. Die neue Fußgängerbrücke über die Rems erzeugt über ein Wasserrad neben dem Bio-Haus sowie PV-Anlagen auf den Flachdächern den notwendigen Strom für die Farmen mit dem Ziel ein autarkes System für die Rems-Allmende zu erzielen.

AUF DEM WEG ZUR TALSTADT ---- eine Umsetzungsstrategie
Die Autoren schlagen eine phasenweise Entwicklung des Gebietes vor: Es wird mit Schlüssel-Projekten begonnen, welche erste räumliche Setzungen vornehmen und Modellcharakter entwickeln sollen. Ziel ist ein flexibles Gerüst zu entwickeln, in welchen schrittweise die weiteren Setzungen addiert und erweitert werden können. Landscape & Infrastructure first: Die wichtigen infrastrukturellen und landschaftlichen Setzungen werden zunächst angegangen, wie die Rems-Allmende mit der ersten Rems.Farm (Gründung der Coop Rems), dem Garten-Tor und den Hängen Energiegärten, dem Baulager im zukünftigen Holz.Hof, wo bereits von Anfang an anfallende Abruchmaterialien aufgearbeitet und weiter verarbeitet werden und ersten Setzungen im Macher.Hof, wie das Gmünd Wadi mit Fischfarm und der Macher.Promenade mit dem Macher-Haus im Bifora-Werk.
In den weiteren Schritten intensivieren sich die Tal-Kooperationen und die angestoßenen Prozesse werden verstärkt. Die Allmende wird sich etablieren und vergrößern, ein beidseitiger Uferpark/-steg wird entlang der Rems in Richtung Tal zur Kultur-Fabrik Zapp mit einem Ufer-Balkon von der Stadt ausgehend entwickelt. Die Holz-Genossenschaft formiert sich mit Werkstätten und hybriden Wohnformen um das Baulager im Westen des Gebietes und die Macher-Höfe wachsen mit Laborräumen im Wadi. Mit der neuen Brücke über die Gleise wird die Macher-Promenade und das Landschaftsband in Richtung Nepperberg und in das neue Zeitwerk weitergeführt, wo der direkte Anschluss an das Jugendband gesucht wird und mit Schlüssel-Projekten, wie der Zeit.Fabrik, erste Setzungen vorgenommen werden.

Als Talstadt wird sich SG mit weiteren Setzungen tief mit dem Tal verweben und in einen konstanten Austauschprozess treten. Die Talfinger werden dabei stetig anwachsen und produktiv aufgeladen, um in eine resiliente und dynamische Zukunft für ein Leben in der Talmetropole aufzubrechen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Drei unterschiedliche Linien (Infrastruktur/ Bahn, Fluss/Rems, Straße/Stadt) werden zu den sprichwörtlichen Tal- Fingern, die das Entwurfsgebiet klar zonieren. Typologisch arbeitet der Entwurf in unterschiedlicher Körnung offene, perforierte Hof- bzw. Blockstrukturen heraus, die gemäß ihrer Dimension unterschiedliche Nutzungsmischungen ermöglichen. Darüber hinaus ermöglicht die Zonierung und Perforation die Einbindung vieler Bestandsbauten. In diesem Sinn stellt die Arbeit gmünder talfinger ein starkes Bekenntnis zum Bestand her und formuliert in Kombination mit neuen Bausteinen für Wohnen und Arbeiten einen eigenständigen Charakter des Ortes . Mit den hängenden Gärten entsteht ein Freiraum auf dem Tunnel, der ökologische Komponenten, wie Regenwassermanagement und Mikroklima genauso berücksichtigt, wie die Öffnung des verdohlten Mühlbachs. Eine neue Brücke über der Bahntrasse, das Torhausensemble an der Lorcher Straße und das hybride Bauwerk einer Wassermühle über der Rems, die gleichzeitig als Brücke mit Aufenthaltsqualitäten dient, markieren die Trittsteine zwischen Nepperberg und dem Fluss. Die Arbeit besticht durch ein Potpourri programmatischer Ideen für den westlichen Stadteingang. Neben der Nutzung des Torhauses als Bürgerhaus schlägt die Arbeit u.a. eine große Freifläche als Allmende vor. Offene und kleinteilige Wohnhöfe organisieren sich zusammen mit Flächen, die einer agri-urbanen Lebensmittelproduktion dienen können. Ein Macher-Hof entsteht für neue kreative Wirtschaftszweige, die den ökologischen Stoffkreisläufen verbunden sind. Insgesamt bietet die Arbeit gmünder talfinger nicht nur einen diskussionswürdigen Beitrag für eine Liveable City und das E16 Verfahren, sondern schafft eine attraktive und flexible städtebauliche Lösung für den Stadteingang von Schwäbisch Gmünd.