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Studienauftrag | 01/2021

Gesamtkonzept Freiräume und Verkehr Ortskern Arlesheim (CH)

Visualisierung des Dorfplatzes mit dem neu eröffneten Dorfbach

Visualisierung des Dorfplatzes mit dem neu eröffneten Dorfbach

Dom – Dorf – Bach

Sieger / zur Weiterbearbeitung empfohlen

bbz landschaftsarchitekten

Landschaftsarchitektur

Raum- und Verkehrsplanung Felix Dudler

Verkehrsplanung

Beurteilung durch das Preisgericht

Freiraum

Aus ortbaulicher Sicht sind in Arlesheim zwei sehr unterschiedliche Typologien zu erkennen: Einerseits das organisch gewachsene Dorf, was sich entlang des Bachs und der Verkehrswege entwickelt hat und andererseits den geplanten, orthogonal organisierten Dombezirk. Darauf aufbauend werden die beiden Bereiche individuell und spezifisch gestaltet, was zu einer klaren Erkennbarkeit und Stärkung der jeweiligen Identität führt.
Im Dorf verbinden die einheitlich gepflasterten Strassen und Gassen den historischen Ortskern mit dem neuen Zentrum. Die Trennung von Geh- und Fahrbereich wird aufgelöst, was dazu führt, dass der Raum durch die Fassaden der Gebäude und nicht durch die Strassen definiert wird. Dies hat nicht nur die positive Nebenwirkung, dass die historischen Gebäude mehr zur Geltung kommen, sondern es führt auch zu einer überraschenden Großzügigkeit, die in erster Linie der Bewegung und der Nutzung im Raum zugutekommt. Der untere Teil der Ermitagestrasse wird unter Berücksichtigung des intensiven Verkehrs konventionell, also mit einer Unterscheidung von Geh- und Fahrbereich, vorgeschlagen. In Anbetracht, dass es sich hierbei nur um einen kurzen Abschnitt handelt und dieser noch in der Begegnungszone ist, stellt sich hier die Frage der Sinnhaftigkeit.
Der unterirdisch gelegene Dorfbach wird in Form eines schmalen Kanals oberirdisch sicht- und erlebbar gemacht. Die Linienführung orientiert sich am ursprünglichen Verlauf, was in sich stringent ist, aber funktional nicht vollends zu überzeugen vermag. Mit entsprechenden Massnahmen, wie einer Überdeckung mit Gitterrosten wird zwar reagiert, was aber zur Folge hat, dass man den Bach viel weniger erlebt. In diesem Zusammenhang ist eine auf die heutigen Verhältnisse angepasste Linienführung zu prüfen.
Aufweitungen, Vorzonen und Plätze entlang der beiden Achsen werden durch einen Kiesbelag, Baumpflanzungen und Sitzbänken zu kleinen atmosphärischen Aufenthaltsorten transformiert. Als wichtiger Begegnungs- und Veranstaltungsort wird der zentrale Dorfplatz mit einem Plattenbelag akzentuiert und hebt sich durch seine hellere Erscheinung klar von seinem Umfeld ab.
Die Hauptstrasse wird durch eine klare Trennung zwischen Fahrbahn und Trottoir als klassischer Strassenraum verstanden. Mit dem Entscheid, die beiden neuen Bewegungsachsen entlang des Dorfbachs zu priorisieren, führen sie, als übergeordnete Struktur, auf selbstverständliche Art und Weise über die Hauptstrasse hinweg.
Der Dombezirk wird einheitlich und vollständig mit den teils schon vorhandenen Wackersteinen gepflastert. Auf dem Domplatz sollen die Asphaltflächen entfernt und durch Chaussierung ersetzt werden, was zu einer stimmigeren Situation führt. Die vorgeschlagen Hochstammbäume auf dem Domplatz werden als kritisch erachtet und überzeugen so noch nicht.
Die Frage der Materialisierung ist gemäss den Verfassern noch zu klären. Sie sind der Meinung, dass die Auswahl in enger Zusammenarbeit mit der Gemeinde zu erfolgen hat, was das Beurteilungsgremium durchaus nachvollziehen kann. Die Länge sowie die Art und Weise der neuen Bachführung hat genügend Kraft, um als spezifisches Thema von Arlesheim verstanden zu werden. Die genaue Linienführung ist allerdings im Kontext der heutigen Situation zu überprüfen. Die konventionelle Gestaltung des unteren Teils der Ermitagestrasse überzeugt aus den bereits erwähnten Gründen nicht. Die Linienführung des Belagswechsels zwischen Dorf und Dombezirk ist teils nicht ganz nachvollziehbar und ist zu überprüfen. Das vorgeschlagene Beleuchtungskonzept, das auf die verschiedenen Situationen reagiert, vermag zu überzeugen. Die Pendelleuchten im Bereich Dorf tragen dazu bei, den Strassenraum als Ganzes von Fassade zu Fassade zu lesen.
Insgesamt überzeugt die Arbeit durch eine klare Herleitung, eine stringente Umsetzung und eine Reihe von zeitlosen, robusten und äusserst stimmungsvollen Freiräumen. Zudem verfügt sie über die Qualitäten, die es bei der prognostizierten Dauer für die Umsetzung benötigt.

Verkehr

Das Projekt setzt auf die Einheitlichkeit im Ortskern und schlägt hierfür die Erweiterung der Begegnungszone auf den gesamten Ortskernperimeter vor (z.B. auf dem Dornachweg bis zum Finkelerweg oder auf der Hauptstrasse bis zum Anschluss Domstrasse). Damit kann einerseits ein einheitliches Tempo- und Vortrittsregime erreicht werden, andererseits trägt das Entfernen von überflüssig werdenden Signalen zur Übersichtlichkeit bei. Zur Reduktion des Durchgangsverkehr Richtung Hollenweg und Schlossgasse soll auf der Ermitagestrasse zwischen der Hauptstrasse und dem Andlauerweg ein Einbahnregime eingeführt werden. Damit kann rund die Hälfte des Verkehrs auf diesem Strassenabschnitt verbannt werden. Zudem kann der Platzbedarf für den motorisierten Verkehr auf der Ermitagestrasse reduziert werden und es bleibt mehr Spielraum für die Gestaltung übrig, z.B. den Bach. Zur Reduktion des Durchgangsverkehrs werden noch weitere Massnahmen genannt (Hollenweg Nord als Fuss- und Veloweg signalisieren oder unterster Teil der Schlossgasse mit Fahrverbot "Zubringerdienst gestattet"), ohne jedoch im Detail auf die Auswirkungen dieser Vorschläge einzugehen wie z.B. Mehrverkehr auf dem Finkelerweg. Für das Gesamtkonzept sind sie aber nicht zwingend und können allenfalls auch zu einem späteren Zeitpunkt realisiert werden. Die Reduktion von öffentlichen Parkplätze entlang der Strassen im Ortskern soll durch Erweiterungen der Parkierungsanlagen oder Öffnung der bestehenden Parkhäuser für die Allgemeinheit kompensiert werden. Für das lokale Gewerbe mag dies kurzfristig einschränkend wirken, längerfristig kann es aber eine Chance sein. Für die Velos sind dispers verteilte Parkplatzstandorte vorgesehen, was sich günstig auf die Erreichbarkeit der einzelnen Ziele im Dorfkern auswirkt. Die Überlegungen zum Thema Verkehr wirken gut abgestimmt auf die freiräumlichen Ansätze und sind geprägt vom Willen genügend Spielräume für eine an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientierte, attraktive Zentrumsentwicklung freizuspielen. Sie stellen eine gute Grundlage dar, auf deren Basis aufgebaut und weiterentwickelt werden kann.

Denkmalverträglichkeit

Das Projekt setzt konsequent auf die Herausarbeitung des gegensätzlichen Charakters zwischen dem herrschaftlich-repräsentativen Dombezirk und dem an den täglichen Bedürfnissen gewachsenen, vom einst rein bäuerlichen alten Ortsteil zum Ortszentrum mit Wohn- und Gewerbenutzung weiterentwickelten Bezirkshauptort. Der dicht bebaute Dorfteil östlich der Hauptstrasse und das lange Zeit lockerer bebaute, heute stark von Neubauten nach 1950 geprägte neue Zentrum werden durch die Offenlegung und die Spürbarmachung der beiden Bachläufe zusammengebunden und die Grundanlage als Bachzeilendorf an zwei Läufen wird wieder erlebbar gemacht. Die erst ab dem 20. Jahrhundert aufgeweitete und begradigte Hauptstrasse wird dabei an den beiden Querungspunkten mit den Bachläufen optisch unterbrochen und in ihrer heutigen Dominanz relativiert. Insgesamt wird so das sukzessive historische Wachstum der Siedlung mit all ihren Beiträgen aus verschiedenen Zeiten bis heute ablesbar. Bei der Wahl der Beläge sind die weitgehende Wackersteinpflästerung des Domplatzes, respektive allenfalls gebundene Chaussierungsteile denkmalpflegerisch möglich, wenn auch nicht zwingend. Abzustellen wäre hier auf historische Quellen. Mit dem Vorschlag der Wildpflästerung in den Strassen und Gassen und der Belegung der Platzräume mit grossflächigen Platten werden jedoch Elemente vorgeschlagen, die in dieser Region untypisch sind. Wildpflästerungen sind hierzulande unbekannt, grossflächige Plattenbeläge säumten ab dem 19. Jh. an Stelle späterer Trottoirs urbane Einkaufsstrassen und wirken in dörflichem Umfeld fremd. Die Durchgrünung mit Grossbäumen muss bezüglich der generellen Gebäudekonservierung und der optischen Erlebbarkeit von hervorgehobenen Baudenkmälern noch einmal überprüft werden. Auf dem Domplatz sind Bäume undenkbar. Insgesamt ist das Projekt entwicklungsfähig und die Etappierbarkeit aufgezeigt.
Situationsplan

Situationsplan

Visualisierung Ermitagestrasse im Historischen Ortskern

Visualisierung Ermitagestrasse im Historischen Ortskern

Ermitagestrasse im neuen Zentrum

Ermitagestrasse im neuen Zentrum

Schnitt Ermitagestrasse West

Schnitt Ermitagestrasse West

Schnitt Ermitagestrasse Ost

Schnitt Ermitagestrasse Ost