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Einladungswettbewerb | 01/2022

Medical School - Quartier Strandkai HafenCity Baufeld 63 in Hamburg

Blick auf den Kai

Blick auf den Kai

3. Preis

gernot schulz : architektur GmbH

Architektur

SEHW Architekten

Architektur

Erläuterungstext

Five Sides – Im Dialog mit dem Ort, der Nutzung und der Nachhaltigkeitsprogrammatik

So wie es die Auslobung vorgibt, der programmatischen und aktiven Auseinandersetzung mit den gesellschaftlichen Zukunftsfragen aber auch der spezifischen Nutzung durch die MSH durch den Neubau auf dem Baufeld 63 in der Hamburger HafenCity ein Gesicht und eine Form von besonderer Strahlkraft zu geben, zielt der Entwurf mit seinem architektonischen Bild darauf ab, sich von einem standardisierten Bürobau zu unterscheiden und die „Multitenant“-Nutzung mit ihrer „Öffentlichkeitsstaffelung“ von unten nach oben lesbar zu machen. Eine dem öffentlichen Raum zugewandte innovative und inspirierende Lern- und Arbeitswelt entsteht.
Die Nachhaltigkeitsaspekte des Gebäudeentwurfs sind „lesbar“, drängen sich aber nicht in den Vordergrund.
Der gewählte Projekttitel Five Sides hat mehrere Bedeutungsebenen:
Der Standort, der sich durch fünf unterschiedliche Seiten im städtischen Kontext zeigt: Wasserseite, Platzseite, Straßen- und Gassenseite sowie Dachaufsicht, die vom benachbarten Hochhaus einsehbar ist. Die unterschiedlichen Prägungen der Seiten werden herausgearbeitet.

Die fünf „R“ der Nachhaltigkeit (Quelle: EcoYou)
Re-use Wiederverwenden, zur Wiederverwendung vorbereiten Re-fuse Ablehnen, Vermeiden
Re-duce Reduzieren
Re-think Umdenken, Neu Denken
Re-cycle Zirkularität

Fünf Orte
Orte des öffentlichen Miteinanders
Orte des Wissensaustauschs
Orte der Wissensaneignung
Orte des privaten, zurückgezogenen Arbeitens Orte des Wohlbefindens

Neuübersetzung der Fünf Punkte der Architektur (Le Corbusier):
Pilotis: Ein gleichmäßiges Raster von Betonstützen ermöglicht höchste Flexibilität und Anpassungsfähigkeit der Grundrisse.
Dachgarten: Dem Ort wird die Fläche als Dachgarten zurückgegeben, die ihm durch die Bebauung genommen wird. Regionale Flora und Fauna bleibt dem Standort somit erhalten.
Freier Grundriss: Ein Minimum an tragenden Elemente des Rohbaus ermöglicht sowohl großräumige als auch kleinteilige Nutzungsstrukturen.
Langfenster: Ununterbrochene Fensterlinien ermöglichen gleichmäßige und gleichberechtige Belichtung aller Nutzungsbereiche.
Vorhangfassade: Die vom Roh- und Ausbau unabhängige Fassade ermöglicht sowohl punktuelle Anpassungen als auch unterschiedliche Zirkulationszeiten von Rohbau, Fassadeund Ausbau.

Der vitruvianische Mensch nach Leonardo da Vinci:
Die in ein Fünfeck eingeschriebene Darstellung des Menschen steht seit dem Altertum für die Verbindung des menschlichen Geistes und dessen Wohlbefinden mit den Elementen der Erde: Feuer, Wasser, Luft und Erde. In dieses bekannte Symbol für eine dem Menschen zugewandte ganzheitliche Medizin sind die Ideen für ein unabhängiges und selbstbestimmtes Lernen und Forschen an der MSH eingeschrieben.

Entwurfsaspekte:
Die Kubatur des Entwurfs ist weitestgehend vorgegeben. Zusätzlich zur Vorgabe der wasserseitigen Arkade wird zum westlichen Vorplatz mittels einer hier ebenfalls zurückgesetzten Erdgeschoss- Fassadenebene der Haupteingang des Gebäudes betont und ein „Ort des Ankommens“ definiert, der – da nur zur Wasserseite durchlaufend – die Besonderheit des Platzes mit Ausblick auf die Elbe zelebriert. Zum Platz und zur Arkade sind im Erdgeschoss die Café- und Restaurantfunktionen ausgerichtet – jeweils mit der Möglichkeit der Außenraumbespielung. Der Shop ist aufmerksamkeitswirksam an der nordwestlichen Gebäudeecke positioniert, der Ausstellungs- und Kulturbereich wertet die nördliche Fassadenseite auf. Die notwendige Überdeckelung der Tiefgaragenabfahrt wird im Foyer/Forum als Treppenauditorium genutzt und ermöglicht vielfältige Nutzungsoptionen.
Das Foyer wird zum Forum: einladende Treppenaufgänge, kommunikative Sitz- und Aufenthaltsbereiche, übersichtliche Zugänglichkeit aller Bereiche, Ausblick auf die Elbe, inszenierte Lichteinfälle beidseits des eingestellte Audimax-Baukörpers, der ganz im Sinne der angestrebten Durabilität frei in den Innenhof als rückbaubare und wiederverwertbare Holzkonstruktion eingestellt ist. Die Küche kannsowohl das Restaurant als auch das Foyer andienen. Das Café bildet mit dem Foyer ein Raumkontinuum und bindet somit auch das Foyer an die Wasserseite an.
In den Geschossen der MSH wird dem „Wir“-Gefühl der Lehrenden und Lernenden durch eine offene Lern- und Arbeitswelt Ausdruck gegeben. Dabei wechseln sich Orte der Konzentration (z.B. Audimax und Bibliothek mit großartigem Ausblick auf die Elbe) mit Orten des Austauschs (Seminarräume und Selbstlernflächen, Lounge- und Teeküchenbereichen) und der Verwaltungs- und Leitungsbüros in immer wieder wechselnden und zur Kommunikation einladenden Raumsituationen ab.
Eine Besonderheit stellen die Studierflächen auf der Galerieebene dar, die nach Norden und Osten jeweils in breiten Sitzstufen zur Fassade geführt werden und somit sowohl Tageslichtbezug dieser Bereiche als auch die ununterbrochene städtebauliche Wirkung des erhöhten Erdgeschosses sicher stellen. Zum Vorplatz und zur Elbe wird auf das Galeriegeschoss verzichtet, um großzügige Aus- und Einblicke zu ermöglichen. Die schrägen Treppenebenen werden wie das Hörsaalvolumen als rückbaubare Holzkonstruktion erstellt, sodass bei Auszug MSH hier andere Raumkonfigurationen ermöglicht werden.

Materialien und Bauweisen:
Der eigentliche Rohbau – ohne den Hofeinbau – ist als simple Stützen/Kern/Platten Stapelung aus Stahlbeton mit wirtschaftlichen Spannweiten konzipiert. In nur 5 km Entfernung zum Baugrundstück liegt ein Betonrecyclingwerk (FBH Frischbeton Hamburg GmbH), so dass mit einem Maximum an Recyclingbetonen in Kombination mit der Gradientenbeton-Technik gearbeitet werden kann. Die Betonoberflächen bleiben mit Ausnahme einer staubbindenden Lasur unbehandelt.
Die Außenmaterialien des Gebäude sind Glas und weisse Profile aus recycltem Alt-„end of life“- Aluminium sowie PEFC-zertifiziertem Holz für die „Auskleidung“ der Außen-Seminarräume und für die inneren Teile der Fassadenkonstruktion Die Materialisierung entspricht somit der einer eleganten weissen Yacht mit Holzdeck. Die Fassade baut auf dem Prinzip der Holz-Alu-Pfosten-Riegelfassade auf, bei der alle Teile vor Ort miteinander verschraubt werden. Somit ist die Fassade einzeln (z.B. Austausch von Ausfachungen) als auch im Ganzen am Ende des Lebenszyklus oder bei Funktionswechseln sortenrein zurückbaubar. Das Zerlegen der Fassade in kleinste Teile beim Transport – was z.B. bei einer Elementfassade nicht möglich ist – sichert ein Minimum an Transportvolumen.
In 16 Km zur Baustelle existiert ein großes Aluminiumwerk mit Aluminiumrecycling (Fa. Trimet, ehem. Hamburger Aluminiumhütte). In 23 km zur Baustelle befindet sich der nächste glasverarbeitende Betrieb (Fa. Tesco). In 8 km zur Baustelle liegt der am nächsten gelegene Holzhandel (Fa. Klöpferholz), weitere Holzhandlungen (Fa. Mordhorst, Fa. A&J) liegen unweit weiter entfernt auf Hamburger Stadtgebiet. Von den Herstellern und Händlern aus kann das Material zu einem ortsansässigen Fassadenbauer zur Weiterverarbeitung und dann auf die Baustelle transportiert werden. Eine Besonderheit stellt die Ausbildung der Fassade dar. Die ebene Fassade zur Wasserseite mit den Schwingfenstern und dem markisenartig ausfahrenden Sonnenschutzelementen erhält eine Unterscheidung und somit Betonung zu den anderen Fassadenseiten. Diese weisen eine Faltung in zwei Rasterbreiten auf, die den Blick auf die Elbe und in die Straßenräume hinein verbessert. Sonnenschutzbehänge werden hier vertikal geführt, jedes zweite Fenster ist in Dreh-Kipp-Funktion öffenbar. Dieser Dialog mit dem Außenraum wird durch die zwei verschiedenen Rasterbreiten noch erhöht. Büronutzung (Raster 1,25-1,35m) und Seminar-/Großraumnutzung (Raster 2,5-2,7m) werden für den Betrachter lesbar. Dieser gestalterische und letztlich auch sozio-kulturelle Aspekt lassen uns den erhöhten Aufwand als angemessen betrachten – zumal das Gebäude in seinen sonstigen Effizienzfaktoren vorbildhaft ist. Wir haben uns in hoher Detailtiefe mit dem Thema der Glasfassade befasst. So ist z.B. geplant, Brüstungsbereiche von Büros, die unteren Bereiche der Küche und auch jeweils eine Seite von Übereck- Glasfassaden mit weissem Recyclingglas (z.B. Glaskeramik) als Füllelemente der Pfosten-Riegel- Konstruktion zu versehen, um den Wärmeenergieeinfall in die Innenräume zu verringern. Die transluzente Ausbildung jeweils einer Seite der Gebäudeecken löst zudem das Problem der Vogelgefährdung da somit Vögeln diese Gebäudeecken nicht mehr als „durchfliegbar“ erscheinen lassen.
Die außenliegenden und somit einfach revisionierbaren Sonnenschutzbehänge bestehen aus PVC-freiem Green-Guard zertifiziertem recyclbarem Gewebe (z.B. EnviroScreen). Die Rollen werden in ober- und unterseitig 45° geneigten Aluminiumkästen verortet auf denen sich keine Vögel niederlassen können. Einer etwaigen Fassadenverschmutzung ist somit entgegen gewirkt. Es ist angestrebt, dass sich die Fassadenelemente punktuell austauschen lassen und somit bei Nutzungsänderung im Inneren (z.B. bei Auszug MSH) sich auch die Fassadenrhythmik aus kleinem und großem Raster ändert. Ebenso soll der Austausch von Ausfachungen schnell und einfach möglich sein. Das Aussehen des Gebäudes nach Auszug der MSH und dann z.B. reiner Büronutzung ändert sich demnach. Wir haben bereits Fassadenstudien angefertigt, die den Wandel der Fassaden z.B. bei reiner Büronutzung der Obergeschosse oder – wer weiß wohin das Thema Homeoffice noch führt – auch als Wohnungsbau zeigen.
Außer den Überkopfbereichen der Erdgeschossverglasungen, die einfachst über Hubsteiger erreichbar sind, sind alle Fassadenbereiche über öffenbare Fensterelement von innen zu reinigen. Die Südfassade erhält große Schwingflügel, die sonstigen Bereiche Dreh-Kipp-Fenster. Festverglaste Bereiche sind über die Öffnungen händisch erreichbar.
Der Ausbau folgt der Maßnahmenliste des Büros Sobek, indem nachwachsende Dämmstoffe wo brandschutzbedingt möglich, Lehmträgerplatten, Glas und Holz für den Innenausbau und aufgeständerte Fußbodenkonstruktionen statt Estriche wo immer nutzungsbedingt möglich zum Einsatz kommen. Sämtliche TGA wird zunächst auf Low-Tech-Lösungen geprüft und mit hohem Berücksichtigungsgrad auf Rückbau-, Revisions- und Anpassbarkeit geplant und gebaut. Mittels Lüftungslamellen im oberen Bereich der Erdgeschossverglasung und der RWA-Öffnungen des Auditoriums ist auch der gesamte Bereich des Forums und der erd- und galeriegeschossigen Nutzungen natürlich zu durchlüften. Die Verglasung über den Fugen des Innenhofs werden voraussichtlich in F30-Qualität erstellt müssen und haben daher keine Öffnungsoption.
Fliesen in Sanitärbereichen werden – wo nutzungsbedingt möglich – aus recyceltem Altglas geplant (z.B. Fa. Shards).
Bodenbeläge werden – auf den grundsätzlich wo nutzungsbedingt möglich aufgeständerten Bodenaufbauten – aus Recyclingbetonplatten im EG und vorgefertigten Holzplatten in den OGs geplant.In den Büroflächen kann auch der Einsatz von Kork und Sisal- oder Wollteppichen geprüft werden, oft sind solche Beläge jedoch nicht stuhlrollengeeignet.
Die Verlegung von Abdichtungsbahnen erfolgt lose, ohne Verklebung. EPDM hat eine lange Nutzungsdauer von 50 Jahren und enthält keine Weichmacher, beeinträchtigt somit die Gesundheit und das Grundwasser nicht. EPDM-Folien können, da in großen homogenen nachtlosen Flächen verwendet wieder genutzt werden oder granuliert z.B. als Fallschutz auf Kinderspielplätzen eine Nachnutzung erhalten.
Der geplante „Dachwald“ erhöht die Biodiversität am Standort, verbessert das Mikroklima über die erhöhte Speicherfähigkeit und Verdunstung des Niederschlagwassers und erhöht das Wohlbefinden der Nutzer.
Es ist der Einsatz einer hocheffizienten Wärmepumpe in Verbindung mit Geothermie für Heizung und Kühlung geplant. Darüber hinaus ist noch abzuwägen inwieweit der Dachwald mit seiner positiven Wirkung auf die Biodiversität und das Mikroklima am Standort oder die Nutzung der Dachfläche für Fotovoltaik die für die Nachhaltigkeitsprogrammatik bessere Lösung ist. Ggf. ist auch beides zu realisieren, indem Schattendächer der Terrassen und die Dachflächen der Treppenhauskerne mit Fotovoltaik-Elementen belegt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Arbeit [...] schafft es, den öffentlichen Raum insbesondere von der Platzseite aus großzügig in das Gebäude hinein zu führen und im Erdgeschoss eine einladende Atmosphäre zur Elbseite zu entwickeln.
Eingang Hauptplatz

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Entwurfsstudien

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