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Nichtoffener Wettbewerb | 02/2022

„Landratsamt der Zukunft“ in Würzburg

Perspektive

Perspektive

1. Anerkennung

Preisgeld: 6.000 EUR

LEPEL & LEPEL Architekt Innenarchitektin PartG mbB

Architektur

Rainer Schmidt Landschaftsarchitekten und Stadtplaner GmbH

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Stadt weiter bauen:
Das nähere Umfeld des Planungsgebiets ist geprägt von den städtebaulichen. Strukturen wie der Blockrandbebauung und Reihenbebauung. Durch eine sinnhafte Fügung des neuen Stadtbausteins wird eine zum Kontext gut funktionierende städtebaulichen Einheit geschaffen. Die Formensprache des Erweiterungsbaus lehnt sich an die der Bestandsgebäude der Region an. Städtebauliche Raumkanten, sowie First- und Traufkanten des Landratsamtes werden berücksichtigt und adaptiert. Die neue Adresse
bildet einen urbanen Platz und richtet sich zum Frauenlandplatz und Kirche zur “Unsere Liebe Frau“ aus.

Fenster zur Stadt:
Das Fenster zur Stadt soll die Aktivitäten und das Leben im Inneren des Gebäudes erkennbar und erlebbar machen. Die Arbeitswelt des Landratsamtes wird in diesem Schaukasten wiedergegeben und auf die Umgebung projiziert. Das Gebäude wird mit seiner Westfassade in Richtung Stadtzentrum Würzburgs ausgerichtet und soll so in einer gebauten Beziehung mit der Stadt stehen. Die Bürgernähe entsteht durch eine transparente und barrierefreie Erschließung.

Essen verbindet:
Neue zentrale Erschließung - Ein behutsamer und sensibler Eingriff an den Bestand ermöglicht es ein Bindeglied zwischen Alt und Neubau zu schaffen. Hier kommen die Angestellten des Landratsamts zusammen und treten in Kontakt zueinander. Unter dem Motto „Essen verbindet“, schlagen wir vor, die Gebäudeteile über die Cafeteria zu verbinden. Eine lockere und entspannte Atmosphäre kann hier entstehen. Die barrierefreie Erreichbarkeit gilt als selbstverständlich. Das Bindeglied schließt direkt an
die vertikalen Erschließungselemente an.

Nutzungen:
Im Erdgeschoss werden die Sonderzonen des Gebäudes positioniert. Hier findet man den
Schulungsbereich, den Bürgerservice und die Cafeteria. Es entsteht eine fließende und lockere Raumfolge in Verbindung mit dem Freiraum. Die Obergeschosse sind klar, robust, flexibel und strukturiert. Hier wird die neue Arbeitswelt des Landratsamtes gesetzt.

Identität:
Typisch für das Stadtbild Würzburgs ist die rote Farbe des Mainsandsteines und der Terracotta, auf den Dächern, Denkmälern und weiteren wichtigen Gebäuden. Anlehnend daran verwenden wir die Farbigkeit für das Erscheinungsbild des Gebäudes und geben ihm somit eine Identitätsstiftende Hülle, die sich selbstverständlich in die Umgebung einfügt.

Nachhaltigkeit, Urban-Mining-Design, Cradle-2-Cradle:
In einem kreislauffähigen Gebäude werden die genutzten Materialien gesund, sortenrein trennbar und vollständig recyclebar sein – und sie besitzen einen nachweisbaren Restwert, weil sie recyclingfähige Sekundärrohstoffe enthalten, die im Rahmen eines Materialausweises dokumentiert sind. Das Gebäude wird zu einem “Rohstoffdepot”. Die intelligente Nutzung nachwachsender Rohstoffe sowie der Einsatz wiederverwertbarer Materialien und Bauteile ermöglicht es so, in der Gesamtbilanz den Weg zu einem nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu ebnen. Für den Planungsprozess werden als Orientierung die Entwicklungskriterien aus dem “Cradle-to-Cradle" (C2C) zugrunde gelegt. Die gesamtbilanzielle Betrachtung des Bauvorhabens erstreckt sich über den gesamten Lebenszyklus, somit nicht nur auf Herstellung und Bau, sondern auch auf Betrieb, Rückbau und spätere Entsorgung. Aufgrund der Vorbildfunktion wird ein möglichst großer Einsatz von nachwachsenden Baustoffen und regionalen Baustoffen, insbesondere die Nähe zum Holzproduktionsstandort Spessart mit Massivholzprodukten, berücksichtigt, wie auch die Wiederverwendung des Erdaushubs zum Auffüllen des topografisch unterschiedlichen Geländes. Dies führt zu langfristigen Einsparungen im Bereich der grauen Energie und von CO2-Emissionen. Es werden natürliche Ressourcen geschont und eine erweiterte Landnutzung reduziert.Die Begrünung reduziert die Überhitzung, bindet Feinstaub und schafft eine neue Qualität am Standort. Gleichzeitig
bietet sie einen natürlichen Kühleffekt und Regenwasserretention. Die Nutzung von Grundwasser mit Wärmepumpen oder als Grauwasser, und die Eigenproduktion von Strom mit der Photovoltaikanlage auf dem Dach senken die zusätzlich Energieverbrauch. Die hochgedämmte Fassade mit außen liegendem Sonnenschutz, kühlende thermische Masse wirken zusammen und bilden eine optimierte Fassade in Zertifizierungsstandard.

Freianlagen:
Das neue Landratsamt der Zukunft unweit des Zentrums der Stadt Würzburg, soll nicht nur durch den Gebäudeneubau als zukunftweisendes Vorbild ein Zeichen setzen. Die dominierenden Freiflächen auf dem Gelände verleihen dem Campus eine eindeutig lesbare Identität und sollen durch einen hohen Anteil an Grün, den Einsatz von nachhaltigen Materialien und der Schaffung von multifunktional nutzbaren, zonierten Freiflächen, den zukunftsorientierten Grundgedanken auch an die Öffentlichkeit
weitertragen. Die Außenanlagen gliedern sich in unterschiedliche Bereiche, die das Gelände prägen. Dabei orientieren sich die Zonen an der Historie des Geländes und lassen diese wieder verstärkt aufblühen. So bildet die bestehende Vegetation im Bereich um das Gelände einen starken und klar lesbaren, grünen Rahmen. Dabei sollen der vorhandene Baumbestand durch ergänzende Neupflanzungen aufgewertet werden und verknüpft somit auch das kleine Waldstück im Bereich des Spielplatz Erthalstraße mit den Vegetationsstrukturen auf dem Campus.

Angrenzend und als Teil des grünen Rahmens finden sich verschiedene, kleine Gartenbereiche, die durch Heckenpflanzungen und Blühwiesen kleinere Zonen entstehen lassen. Sie sollen die früheren Gärten wieder aufblühen lassen und bilden mit den Gartenzimmern in Kombination mit Obstbäumen spannende Rückzugsorte, die von der Öffentlichkeit auch als Ausflugsziele für Picknick und Treff genutzt werden können. Die Grünflächen und Gärten sollen zu Spaziergängen und Aufenthalten sowie als Interaktionsräume gerade im Bezug auf den angrenzenden Wohnungsbau eine attraktive Wirkung nach außen haben.

Die hohe Flächenanzahl an Grünbereichen trägt im gleichen Zuge auch zur Verbesserung des innerstädtischen Klimas bei und bietet zum anderen eine hohe Biodiversität in Form von Insekten- und Vogelnährpflanzen. Das gesamte Gelände gilt somit als wichtiges Trittsteinbiotop und unterstützt damit weiter den Gedanken eines zukunftsorientierten Vorhabens.

Die Vegetationsbereiche werden außerdem in einzelnen Bereichen als kleinere Mulden ausgebildet, die als Retentionsbereiche genutzt werden sollen. Somit kann das anfallende Regenwasser auch für die Bewirtschaftung der Grünflächen genutzt werden. Zudem wird oberhalb der Tiefgarage ein Retentionsdach aufgebracht, das weiteres Oberflächenwasser gedrosselt abführen kann.

Der Neubauriegel lässt im südlichen Bereich zum bestehenden Gebäudeteil einen grünen Innenhof entstehen, der sich wie ein Kreuzganggarten darstellt. Auch hier finden sich kleinere Gartenzimmer wieder, die mit unterschiedlichen Gehölzen überstellt sind. So kann der Innenhof als Kommunikations-, Rückzugs- und Treffpunkts-Ort sowohl von den Mitarbeitern wie auch der Öffentlichkeit genutzt werden.

Der im nördlichen Bereich liegende Vorplatz zeigt sich mit einer präzisen Baumstruktur in Form einer Rasterpflanzung, bei der jedoch einzelne Bäume entnommen werden, die somit die Situation lockern. Die Bäume bieten zum einen Schattenbereiche, die mit Sitzbänken unterhalb der Bäume genutzt werden können und beugen zudem der enormen Hitzeentwicklung der Belagsflächen vor.

Der repräsentative Platz wird von der bestehenden Vegetation und der bestehenden Mauer nach Norden gefasst und bildet somit ein multifunktionales Forum als Kommunikatives Element des entstehenden Gesamt-Ensembles. Zugleich soll der Platz Ankommens- und Aufenthaltsort sowie Transit-, Kommunikations- und Veranstaltungs-Möglichkeiten bieten. Egal ob Konzerte, Theater, Workshops oder Vorträge. Der Platz kann in unterschiedliche Zonen unterteilt werden und mit verschiedenen Nutzungen bespielt werden.

Die Belagsflächen werden mit einem dominierenden Belagsmuster mit Bänderung und hellen Farbtönen ausgeführt und bilden somit den Teppich für die Bebauung. Der durchgehende Bodenbelag auf dem gesamten Campus schafft eine eindeutig lesbare Identität. Arbeitswelten der Zukunft

Im modernen und zukunftsorientierten Grundriss wird die typische Einzellenstruktur durch großzügige Open Space Arbeitsplätze und Sonderzonen aufgelöst. Ergänzt durch Arenen, Informelle Bereiche und Think Tanks für intensive Gespräche, eröffnen sich Arbeitswelten, die auf die Zukunft eingerichtet sind. Und in der es sich schon heute bestens leben lässt. Da sich in der aktuellen Zeit die Arbeitswelten recht flott ändern, wird die Architektur flexibel gestaltet. Die Projekträume/ Flexiblen Arbeitsplätze sind so konzipiert, dass man den Tisch auch mal wegtragen, Mobile Wände verschieben und den Raum verändern kann. Ziel der neuen Büroflächen ist aktivitätsbasiertes Arbeiten, statt fest zugewiesene
Arbeitsplätze. Jeder sucht sich zu jedem Zeitpunkt den optimalen Platz und wählt je nach aktueller Anforderung z.B. Projekträume, Phone Booth, Informelle Bereiche oder Arenen. Statt verwaister Schreibtische bestimmen nun Flächen für Austausch und Kommunikation das zukunftsorientierte Landratsamt Würzburg. Herzstück der Architektur ist das Wohnzimmer der Mitarbeiter. Ein Kommunikationsbereich mit Coffeepoint und unterschiedlichen Sonderzonen sorgen für eine entspannte Atmosphäre. Die flexible Möblierung passt sich unterschiedlichen Nutzungen an: für Besprechungen, als Platz für entspanntes Arbeiten, alleine oder mit Kollegen. Die Arbeitswelt ist geprägt von einem Wechsel kommunikativer und konzentrierter Arbeitsbereiche, abwechselnd angeordnet.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Jury würdigt die grundsätzliche städtebauliche Setzung, die sich an den Strukturen der näheren Umgebung – Zeilenbauten sowie perforierte Blockrandbebauungen – orientiert. Der fünfgeschossige Riegel spannt sich in Ost-West-Richtung parallel bzw. lotrecht zum historischen Bestandsgebäude auf und komplettiert so als klar lesbarer Baustein sehr selbstverständlich das Gebäudeensemble und schafft eine neue Einheit. Der langgestreckte Baukörper nimmt dabei bestehende Raumkanten auf und lehnt sich mit seinem Satteldach auch an die Formensprache des Bestands an. Das Gebäudevolumen überschreitet insgesamt jedoch die zur Umsetzung des Raumprogramms erwarteten Bruttogeschossflächen und Rauminhalte erheblich und wird in seinen Proportionen, besonders mit Hinsicht auf die beiden Baudenkmäler, als deutlich zu groß empfunden. Sowohl die Gebäudehöhe - Überschreitung der Firsthöhe des Bestandsbaus – als auch die Gesamtlänge - Herausschieben in Richtung Behrstraße über die historische Gebäudekante hinaus – wird kritisch betrachtet. Die wichtige Sichtachse auf die Kirche „Unsere liebe Frau“ wird beeinträchtigt. Auch im unterirdischen Bereich überschreitet die Tiefgarage mit ihren drei Geschossen deutlich das erwartete Bauvolumen. Die eingeschossige Anbindung an den Bestand ist prinzipiell im Schnittpunkt von Altund Neubau gut positioniert und verortet die Cafeteria an zentraler Stelle. Allerdings trennt der eingeschossige Baukörper auch den Außenraum in zwei Hälften und verhindert eine fließende Ost-West-Durchwegung. Der Haupteingang ist mit seiner gewählten Ausrichtung nach Nordwesten falsch positioniert. Ansonsten ist die Programmverteilung der Sondernutzungen im Erdgeschoss gut gelöst. Das zentral im Riegel positioniertes Foyer mit Infopoint übernimmt eine wichtige Verteilerfunktion, die an die offene Erschließung der darüber liegenden Büroetagen anbindet. Auch das Untergeschoss ist gut über die Lobby erschlossen. Die Bürogrundrisse sind ebenfalls gut organisiert, sie weisen angemessene Tiefen und Mittelzonen auf. Gemeinsam mit kompakten Erschließungskernen entsteht ein hoher Grad an Vernetzung und Flexibilität für zukunftsfähige Arbeitswelten, die kommunikatives und konzentrierte Arbeiten gleichermaßen ermöglichen. Ein kleines zentrales Atrium mit Welcome Area und Coffeepoint auf jeder Etage und zwei weitere durchgesteckte Sonderzonen zum informellen Arbeiten sorgen zudem für eine gute Zonierung der Arbeitswelten. Das Nachhaltigkeitskonzept zielt auf einen hohen Grad an Kreislauffähigkeit – die genutzten Materialien sind sortenrein recyclebar. Es wird außerdem ein hoher Einsatz nachwachsender und lokaler Baustoffe, z.B. in der Holzhybridkonstruktion mit Brettstapeldecken, angestrebt. Die Darstellung des Tragwerks ist etwas lückenhaft, die Stützenpositionierung um Grundriss nicht nachvollziehbar, im ersten Untergeschoss scheint eine aufwendige Lastumverteilung zu erfolgen. Die Fassade aus rot eloxierten Aluminiumpaneelen und -lisenen ist stark vertikal orientiert und verleiht dem Baukörper seinen eigenen Rhythmus. Die extreme Vertikalität lässt den Baukörper jedoch noch höher erscheinen. Die Anlehnung der Farbgebung an den roten Mainsandstein ist untypisch für die Region und wirkt eher fremd. Der Rahmen aus Gehölzen der vorhanden und in Teilbereichen geöffneten Umfriedungsmauer gibt dem Areal eine der Historie angemessene Fassung. Die Verteilung und der Zuschnitt der Freiflächen ermöglicht eine hohe Nutzungsflexibilität, wobei die Freiraumqualität durch die Unterbrechung der Durchgängigkeit am Verbindungsbau leidet. Der Forumsplatz am Haupteingang wirkt überzeugend und angemessen in seiner Proportionierung, die Orientierung zur Zu-Rhein-Straße erscheint fraglich. Erfreulich ist der Ausgang auf den Forumsplatz aus der Tiefgarage, der für motorisierte Besucher die Erschließung des Gebäudes über die Freianlagen ermöglicht. Die „Grüne Mitte“ als geometrischer Garten mit Aufenthaltsflächen und Durchwegung ist gelungen, die halböffentlichen Gärten im Südwesten des Geländes wirken etwas überambitioniert. Der Erhalt oberirdischer Stellplätze ist positiv zu bewerten. Anzahl und Verteilung der Fahrradstellplätze sind erwartungsgemäß, Motorradstellplätze fehlen im Entwurf. Zeichnerische Darstellungen zu Regenwassermanagement fehlen und müssten vertieft werden. Der Entwurf schafft es mit einer einfachen Gebäudetypologie das Ensemble städtebaulich gut abzurunden. Das große Volumen erscheint jedoch überdimensioniert. Die Qualitäten liegen in der inneren Organisation der Arbeitswelten.
Lageplan

Lageplan

Grundriss

Grundriss

Ansicht West

Ansicht West