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Nichtoffener Wettbewerb | 01/2022

Entwicklung Wohnviertel Blasius-Blick in Kaufbeuren

2. Preis

Preisgeld: 28.000 EUR

Super Future Collective

Architektur

OLA Architekten

Architektur

Lex Kerfers_Landschaftsarchitekten und Stadtplaner GbR

Landschaftsarchitektur

Erläuterungstext

Modellquartier „Blasius Blick“: klimagerechtes, naturnahes Wohnen

Das Ziel des Bebauungsvorschlags für das neue Quartier am Blasiusberg ist es, ein Angebot an zeitgemäßen Wohnformen und attraktiven Freiräumen für die Stadt Kaufbeuren zu schaffen, das den bestehenden Charakter des Ortes durch eine intensive Auseinandersetzung mit der Bestandssituation aktualisiert. So nimmt das neue Quartier Raumkanten und Bezüge der Umgebung auf und verknüpft die angrenzenden Nachbarschaften über ein räumlich differenziertes Netz an Freiräumen und Durchblicken miteinander. Es entsteht ein durchlässiges Quartier mit vielfältigen Aufenthaltsqualitäten, eindeutigen Wegebeziehungen und einer prägnanten Freiraumstruktur, in der der Märzenbach und bestehende Großbäume eine identitätsstiftende Rolle übernehmen.
Das Entwurfskonzept für das Modellquartier Blasius Blick sieht ein Ensemble aus
5-eckigen Baukörpern in 3 verschiedenen Haupt Geometrien vor.
Durch Orientierungen An Raumkanten und Straßenfluchten entstehen abwechslungs- reiche Räume mit Ausblicken in die das Grundstück einsäumende Natur, historische Strukturen und angrenzende Nachbarschaften.

Bebauung: Ausgewogene Balance zwischen Dichte, Urbanität und Freiraumangeboten mit den Qualitäten einer naturnahen Siedlung

Die Höhenstaffelung der Baukörper reagiert auf die Umgebung und akzentuiert das Ensemble im Spannungsfeld zwischen der Kemptener Straße im Westen, des Biotopraums am Märzenbach und dem aufragenden Blasiusberg im Osten. Ein Spiel zwischen drei und sechs Geschossen respektiert die Ausblicke der bestehenden Bebauungen und verleiht dem Quartier gleichzeitig einen starken eigenen Charakter.
Der Auftakt des neuen Quartiers findet sich entlang der Kemptner Straße. Hier wird die Lücke mittels zweier Baukörper geschlossen, um die bestehende Reihung fortzusetzen.
Durch einen Rücksprung von der Straßenkante und die Setzung eines Solitärbaumes wird
die Zufahrt zum Gebiet markiert.
Konstruktiv setzen die neuen Baukörper auf eine sehr nachhaltige Kombination aus Holz Massivbau in den Obergeschossen und einem Betonbau in den Erdgeschoss- und Hangzonen. Die Bauweisen erlauben ein hohes Maß an Vorfertigung, was einen effizienten Bauprozess, sowohl zeitlich, als auch in den Kosten erwarten lässt. Vor- und Rücksprünge aus Balkonzonen und Loggien und schaffen eine angenehme Verzahnung der Wohnungen mit der Umgebung und prägen den Charakter der Fassaden.
Die Sockelgeschosse artikulieren sich über kerngedämmte Betonfassaden, die starke Robustheit gegenüber dem von Wasser geprägtem Grundstück bieten. Die Oberge-schosse bekommen eine hinter lüftete, lasierte Holzfassade, die den Baukörpern eine hochwertige, identitätsstiftende Haptik verleiht. Das „einfache“ Bauen sollte eine große Rolle spielen, was für klimatisch träge Bauteile durch hohe Speichermasse und ange-messene Fensterflächen spricht. Durch natürliche Lüftung der Räume sollte die Kom-plexität der Gebäudetechnik aus Gründen der Wartungsfreiheit und Nachhaltigkeit niedrig gehalten werden.

Nutzung: effiziente Wohnformen für eine angenehm durchmischtes Wohngebiet
Die Einzelhäuser gliedern sich in ein System aus 3-4 Spännern mit einer atmosphärischen
Atrium-Erschließung. Die Grundrisse enthalten eine Erschließungsspange um den Trep-penhauskern herum, die durch eine angemessene Tiefe Möglichkeiten für vielseitige Möblierung bietet. Die Wohnräume mit Essplätzen und Küchen haben einen starken Außenbezug und werden durch die polygonale Gebäudeform, immer über zwei Seiten belichtet. Balkonzonen springen verspielt vor und zurück. Einschnitte für Loggien stellen einen guten Bezug zwischen Innen und Außen und spannende Ausblicke in die Umge-bung und auf die Kirche St. Blasius her. Lagerräume und Abstellplätze für Fahrräder und Kinderwägen sind in den Erd- und Hanggeschossen angeordnet und richten sich immer zu den Sonnen-abgewandten Bereichen des Grundstücks aus, um den Wohnungen ein Maximum an Qualität zu überlassen. Die Baukörper stehen 30 cm über der Gelände-oberkante, was eine Privatisierung der individuellen Freibereiche in den Erdgeschoss-zonen erlaubt.
Der Außenraum überbrückt diese Höhensprünge sanft, sodass das gesamte Gebiet barrierefrei erschlossen werden kann. Der Baukörper längs zur Straße schafft über eine Überhöhung des Hanggeschosses für die Energiezentrale eine Hochparterre-Situation zum Straßenraum.
An der Gebietszufahrt wird ein angemessen großer Gemeinschaftsraum für alle
BewohnerInnen platziert, die Vorzone schafft eine Aufweitung mit Solitärbaum und
Baumbank im sonst stark verkehrsorientierten Straßenraum.


Außenraum: Wohnen mit dem Märzenbach
Die polygonale Form und Verdrehung der Baukörper zueinander bewirkt eine gute Belichtungssituation der Wohnungen und vielfältige Blickbezüge zum Märzenbach und unteranderem zum Blasiusberg. Die Baukörper reagieren individuell auf die topographische Lage und den Grünbestand und bilden dennoch ein Ensemble mit hohem Wiedererkennungswert. Das gesamte Quartier ist verkehrsberuhigt. Stellplätze sind dezentral jeweils den Gebäuden zugeordnet. Ein differenziert ausgebautes Wegenetz sorgt für die Durchlässigkeit des Quartiers und eine gute Vernetzung mit der Umgebung, insbesondere mit der Altstadt. Das gesamte Areal steht als informeller Spiel- und Aufent-haltsraum für die Bewohner zur Verfügung.
Nutzungsschwerpunkte sind der zentral gelegene Dorfplatz, der Sandspielbereich mit
Stangenwald, der Schattenplatz an der Mauer am Fuß des Altstadthangs. Der Gemein-schaftsraum am Quartierseingang an der Kemptener Straße erhält einen kleinen Vorplatz mit Großbaum als Entree.Der Märzenbach wird durch Renaturierungsmaßnahmen, kleinere Aufweitungen und partielle Bepflanzungen der Uferbereiche ökologisch aufgewertet. Bei Starkregenereignissen wird das abfließende Oberflächenwasser gesammelt und gedrosselt abgeführt. Den Erdgeschoss-Wohnungen sind kleine private Freibereiche zugeordnet, die informell über niedrige und spielerisch gesetzte Bepflanzungen abgegrenzt sind. Die übrigen Wohnungen in den Obergeschossen verfügen über Loggien und Balkone.

Erschließung: verkehrsberuhigtes, barrierefreies Wohngebiet
Die Haupterschließung des neuen Wohngebiets erfolgt von der Kemptener Straße über eine ca. 10% geneigte Zufahrtsrampe. Diese mündet in einem zentralen Raum, der eine Insel mit einigen PKW Stellplätzen beinhaltet. Diese Fläche kann flexibel als kleiner Platz für einen Wochenmarkt oder kleine Veranstaltungen durch die BewohnerInnen genutzt werden.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser*innen positionieren sechs freistehende Punkthäuser im Grün-raum. Durch die polygonale Form der Gebäude entstehen großzügige Frei-räume mit Öffnungen und Durchblicken zu allen Seiten, die Bauwerke fügen sich harmonisch in den Freiraum ein und feiern die besondere Lage des Wohnens am und im Grün. Besonders gelungen ist die Dachform. Dem Polygon folgend werden die Dächer als flach geneigte Zeltdächer ausgebildet, so dass diese fünfte Fassade von der Altstadt aus betrachtet dem Quartier eine qualitätvolle Ansicht verleiht, die sich sehr gut in die Tallage einfügt. In der Realisierung muss diese Dachlandschaft sensibel weiterentwickelt werden z.B. mit in die Dachhaut integrierten Photovoltaikanlagen. Die Höhenentwicklung staffelt sich von drei Geschossen im Norden bis zu maximal sechs Geschossen im Südosten und erzeugt durch die Höhensprünge eine abwechslungsreiche städtebauliche Silhouette. Der Sechsgeschosser wurde wegen seiner Höhe nahe des Blasiusberg jedoch kritisch diskutiert, so dass hier eine Reduzierung der Höhe durch geringfügige Umverteilung der Baumassen fast zwingend erscheint. Mit 78 Wohneinheiten liegt die Ausnutzung zudem leicht unter dem Durchschnitt der Arbeiten was in Verbindung mit der Höhenentwicklung erstaunt.
In einen zusammenhängenden, sich frei entwickelnden Grünraum sind die Gebäude als Solitäre eingestreut. Um sie herum entstehen miteinander vernetzte Teilräume variierender Größe und Offenheit. Es zeichnet sich eine interessante, vielgestaltige Landschaft ab, die über ein abgestuftes Wegenetz sehr gut er-schlossen wird. Dieses stellt auch die Anbindung an den Blasiusberg her. Die pflanzengesäumten Terrassenbereiche, die die Gebäude umgeben, antworten auf deren Formensprache und tragen zur Gliederung der Freiflächen ebenso bei wie zur Wahrung der Privatsphäre in den Erdgeschosswohnungen. Östlich des Märzenbachs überzeugt der Quartiersplatz mit großzügiger, gebäudebezo-gener Formgebung. Die erforderlichen Stellplätze sind gut angeordnet. Leider wird der Platz am potentiell identitätsstiftenden „Hofbaum“ für eine von drei im Quartier vorgesehenen Müllsammelstellen genutzt. Auf der gegenüberliegen-den Seite des Bachs befindet sich im Eingangsbereich der drei Gebäude ein weiterer platzartiger Freiraum, der sich auf ganzer Länge zum Märzenbach orientiert. Durch die Anordnung von drei Schrägparkern in der Platzmitte mutet dieser etwas zergliedert an. Die erforderlichen Schutzzonen werden im Bereich der Rotbuche vorbildlich eingehalten. Hier wird der malerische Baum durch eine großzügig bemessene Wiese gesichert und ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Im Südosten bestehen Zweifel an der Pergola, die im Biotop angeboten wird, da hier Eingriffe in den Wurzelraum nicht zulässig sind. Trotz der ge-nannten Einwände überzeugt der vorliegende Entwurf durch einen sehr ansprechend gegliederten, großzügigen Freiraum.
Die Erschließung ermöglicht eine teilweise Befahrbarkeit der Wege die zwangs-läufig etwas zu Lasten der Grünausstattung geht. Die dezentrale Positionierung der Mülltonnen nahe der Eingangsbereiche wird dabei ambivalent bewertet, da sie für die Bewohner zwar angenehm in der Nutzung ist, aber zu zusätzlichen Fahrbewegungen und Müllaufstellflächen im Quartier führt; ihre offene Anordnung kann nicht überzeugen. Die übrigen Fahrrad, Technik- und Abstellräume sind in Lage und Gestaltung exzellent in die Gebäudesockel integriert.
Eine große Qualität der Polygone liegt in der guten Belichtung und Besonnung der allseitig orientierten Wohnungen mit angenehm kurzen Fassadenlängen. Konsequent bilden die Verfasser*innen Grundrisse aus, die sich um einen zentralen Treppenraum organisieren. Mit einem großzügigen Treppenauge und Oberlichtverglasung fällt Licht bis ins Erdgeschoss und bietet einen attraktiven Begegnungsraum für die Hausgemeinschaft. Die gut geschnittenen Grundrisse bieten qualitätvolle Wohnungen mit Orientierung über Eck, die aufgrund der offenen Bebauung jedoch nicht ohne Schallschutzmaßnahmen auskommen wer-den. Durch geschickte Grundrissorganisation der Wohnungen vermeiden die Verfasser*innen eine allseitige Umfahrung der Baukörper durch die Feuerwehr was die geforderten Wohnungsgrößen zum Teil etwas überschreitet.
Das Erscheinungsbild der Fassaden besticht durch die klare Gliederung in eine Sockelzone mit robuster Betonoberfläche im Anschluss an das Gelände. Dar-über liegen die bewohnten Holzfassaden in einem Grünton, der die Häuser auch optisch mit dem Freiraum verbindet. Die Fassadengliederung mit horizontaler Bänderung der Geschosse entlang der unterschiedlich tiefen Balkonzone setzt die konstruktiven Möglichkeiten des Holzbaus gestalterisch überzeugend in Szene. Diese Konsistenz des Projektes von Städtebau und Volumetrie, Typus und Grundriss, bis zu Konstruktion und Erscheinungsbild zeichnet die besondere Qualität des Entwurfs aus.
Mit einem unkonventionellen Städtebau und kluger Gebäudetypologie bietet die Arbeit eine qualitätvolle Lösung zur gestellten Aufgabe, die robust genug ist um eventuell erforderliche Anpassungen zu ermöglichen.
Quartiersmitte mit Märzenbach

Quartiersmitte mit Märzenbach

Lageplan 500

Lageplan 500

Axonometrie

Axonometrie

Schnitt Blasiusberg

Schnitt Blasiusberg

Lageplan

Lageplan

Niveau Kemptener Straße

Niveau Kemptener Straße

Regelgeschoss

Regelgeschoss

Fassadendetail

Fassadendetail

Entree

Entree