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Nichtoffenes, städtebaulich-freiraumplanerisches, kooperatives Gutachterverfahren | 02/2022

Städtebaulich-freiraumplanerisches Konzept Wasserstadt Limmer in Hannover, 2. Bauabschnitt

Quartiersplatz am Conti-Turm
Visualisierung: Patrick Drescher, Bremen

Quartiersplatz am Conti-Turm Visualisierung: Patrick Drescher, Bremen

Teilnahme

gruppeomp Architektengesellschaft mbH BDA

Stadtplanung / Städtebau

urbanegestalt

Landschaftsarchitektur, Stadtplanung / Städtebau

ARGUS Stadt und Verkehr

Verkehrsplanung

Patrick Drescher

Visualisierung

Erläuterungstext

Wasserstadt Limmer
Hallo Nachbar:in! Fusionen in der grünen Wasserstadt

Die Wasserstadt verbindet | Der Begriff Fusion beschreibt die Verschmelzung von Dingen oder Systemen. Oft wird das Leben auf dem Land dem Leben in der Stadt gegenüber gestellt. Die Vorzüge des Stadtlebens werden mit den Vorzügen des Landlebens verglichen. Muss das in größeren Neuentwicklungen so sein? Können in der Wasserstadt Limmer nicht Landleben und Stadtleben fusionieren? Eine ländlich grüne entspannte und gleichzeitig städtisch lebendig dichte Struktur mit Urbanität und viel Grün zwischen zwei Wasserläufen? Die Wasserstadt kann noch zwei weitere Ebenen verbinden. Die Fläche der zukünftigen Wasserstadt Limmer war einst das Betriebsgelände der Hannoversche Gummikamm AG Excelsior mit beeindruckender Industriearchitektur der Jahrhundertwende. Gegenüber dieser dicht bebauten und großmaßstäblichen Gebäude befand und befindet sich immer noch das Dorf Alt Limmer mit einer ruralen Anhäufung diverser Häuser rund um die Sankt Nikolai Kirche. Die Wasserstadt Limmer fusioniert beide Systeme ihrer Entstehung zu neuen städtisch-ländlichen Nachbarschaften im Grünen zwischen Hannovers Innenstadt und nördlichen Leineauen. Die Grundstruktur der Wasserstadt Limmer ist von der Industriegeschichte, dem ursprünglich dörflichen Charakter, der Natur und dem Anspruch eines lebendigen Miteinanders inspiriert. Sie fusioniert, verbindet Urbanität und Leben im Grünen Dorf. In der genaueren Betrachtung gliedert sich das stadtdörfliche Miteinander in vielfältige Nachbarschaften, die in die Landschaft, wie auf einem bunten Teppich, gelegt werden. Die Nachbarschaften kombinieren eine urbane städtebauliche Körnung mit dorfspezifischen Qualitäten. Jede Nachbarschaft setzt sich aus unterschiedlichen Gebäudetypologien zusammen, die aus einfachen Systemen entwickelt ein lebendiges Miteinander ermöglichen. Die Wasserstadt nimmt den Menschen als Gemeinschaftswesen in den Fokus. Sie verbindet Menschen mit Menschen, Menschen mit Orten und Menschen mit Geschichten, die sie in der Wasserstadt erleben werden.

Die Nachbarschaften haben eine naturnahe Urbanität | Neben dem für die gesamte Wasserstadt identitätsgebenden Platz mit dem Conti-Turm bilden sich rund um die Nachbarschaftscluster diverse unterschiedliche Freiräume mit differenzierten Ausprägungen. Jede Nachbarschaft und jeder Freiraum hat eine eigene Identität und ein eigenes Profil. Nachbarschaften und Freiräume sind die eigentlichen Verbindungen aus Stadt und Dorf, in deren Mitte Gemeinschaft und Vielfalt steht. Im Zusammenspiel wird die eigene Ausprägung der Wasserstadt wahrnehmbar. In den Nachbarschaften und in den Zwischenräumen trifft Bewegung auf Aufenthaltsqualität, neue Arbeitswelten auf durchmischtes Wohnen, Öffentliches auf Privates. Arbeitsplätze sind zu Fuß erreichbar. Coworking mit Kinderbetreuung soll sich neben Büro und Homeoffice als Arbeitsplatzoption etablieren. Es entstehen lebendige Orte unterschiedlicher Nutzung, die die Menschen zusammenbringen. Die Ränder der Nachbarschaften verbinden sich mit den Landschaftsräumen. Der Aufenthalt im Freien und das Zufußgehen oder Fahrradfahren soll angeregt werden. Neben urban ausgeprägten Flächen sollen naturnahe Räume mit erhöhter Biodiversität priorisiert werden. Vielfältige Gebäudestrukturen mit einem bunten Wohnungsmix sind Grundlage für durchmischte Nachbarschaften aus denen lebendige Gemeinschaften entstehen können. Um Gemeinschaft auf verschiedenen Ebenen zu ermöglichen wird ein starkes soziales Netz gefördert, indem Möglichkeiten des Austauschs inszeniert, gefördert und begleitet werden. Freiräume und Nachbarschaften sollen dazu beitragen die Natur zu regenerieren. Öffentliche Grünflächen sind mehr als nur Erholungsräume für die Bewohner:innen der umliegenden Gebäude. Sie bilden komplexe Ökosysteme, die Beiträge zum Klimaschutz, Mikroklima und zur Biodiversität vor Ort leisten. Durch die aufeinander, auf die Umgebung und die Jahreszeiten abgestimmten Elementen der Flora und Fauna entsteht ein vielschichtiges System der Gartenkultur und des Wildwuchses. Der neue stadtdörfliche Charakter der Gebäude und der Freianlagen erhöht die Identifizierung der Menschen mit den Nachbarschaften. Die Gebäude sind einfach und vielseitig, der Außenraum schafft eine klimaschützenden grüne Infrastruktur, beide fusionieren und sind Raum für gemeinschaftliches Leben und Aktivität.

Kompakte Baukörper und einfache Details | Zentrale Herausforderungen an Architektur als Handlungsfeld für klimaresiliente Städte sind einfachere und robustere Gebäudekonzepte. Der Wohnraum in lebendiger Nachbarschaft für alle Altersgruppen und sozialen Schichten soll seine Vielseitigkeit aus dem Baukasten eines einfachen Systems generieren. Präferiert werden Baukörper, die zugunsten effizienter Grundrissgestaltung kompakte Volumina ohne Kellergeschoss ausformulieren. Auf Tiefgaragen soll weitestgehend zugunsten von Quartiersgaragen verzichtet werden. Um die einzelnen unterschiedlichen Baukörper auf einer weiteren Ebene miteinander in Beziehung zu setzen, und auch um Kosten zu minimieren, sollen in der Wasserstadt nicht für alle Gebäude alle Details neu entworfen werden und alle Materialen zugelassen werden. Für ein abzustimmendes Gestaltungshandbuch der Wasserstadt“ werden wiederkehrende Details und Materialen entwickelt und bezüglich ihrer ökologischen, ökonomischen und baukulturellen Qualitäten bewertet. Empfohlen wird, dass bei der Detailentwicklung beispielsweise vorgegeben wird, dass Wärmebrücken durch eine fast durchdringungsfreie Führung der Dämmebene vermieden werden, oder dass Balkone vor allem als vorgestellte Stahlkonstruktionen ausgeführt werden, dass Wohnungen verschiedener Größen die Anordnung einer flexiblen Raumschicht um einen zentralen Kern eint und dabei auf geringe Spannweiten der Decken geachtet wird.

Bestand Continental | Das bestehende Conti-Industriedenkmal macht die Wasserstadt zu einem Quartier mit besonderer Identität. Die Umnutzung im Bestand fordert besondere Kreativität, da sich die Planung im Spannungsfeld zwischen den Vorgaben des Bestandes und den heutigen Anforderungen bewegen muss. Das Ziel besteht darin, eine ausgewogene Verbindung zwischen neu und alt zu schaffen, ohne dass der Respekt vor der historischen Bausubstanz verloren geht. Durch die innovative und kreative Revitalisierung dieser brachliegenden Ressource wird der städtische Raum aufgewertet und steigert so die Attraktivität des gesamten Ortes. Während sich der Stadtteil dadurch ein eigenes prägnantes Profil aufbaut, muss ein sensibler Umgang mit der Verwandlung einhergehen. Das Ziel besteht darin gemeinsam ein ökonomisch sinnvolles und ökologisch nachhaltiges Konzepte zu entwickeln, welches die Revitalisierung und Umnutzung des brachgefallenen Objektes dem Abbruch vorzieht. Zu diesem Zeitpunkt kann unser Konzept nur Visionen anstoßen diesem Gebäudeschatz eine Zukunft zu geben.

Freiraum | Die Wasserstadt hat eine freiräumliche Sonderstellung, die zwei Kanalufer dringen vor städtischer Kulisse tief in die landschaftliche Leineaue. Die Ufer öffentlich zu halten ist wichtig und auch für Nicht-Anwohnende ist ganz besonders die Spitze mit ihrer schwerelosen Wasserlage ein Grund hierher zu kommen. Entlang der Ufer entsteht also ein zusammenhängender Uferpark. Am grünen Nordufer, entlang des Leineabstiegskanals helfen geschwungene Stege den Kontakt zum Wasser zu finden. Trauerweiden setzen das Thema vom Kanu-Club aus fort, kein anderer Baum weist so schön auf den horizontalen Spiegel des Kanals hin. Die Spitze ist als öffentlicher Panoramapark gestaltet. Der Uferweg verläuft im Inneren, so dass der Aufenthalt an der Spitze in Ruhe und Intensität erlebt werden kann. Ein Panoramadeck lädt zum Abhängen ein und inszeniert den Kanalblick, Mobiliar für unterschiedliche Gruppen, sowie ein großer Kinderspielplatz im Zentrum sorgen für Frequenz und durchgängige Aktivität. In den privaten, aber öffentlich zugänglichen Binnenräumen zwischen den Nachbarschaften grenzen die Gärten der Wohnbauten an gemeinschaftliche Grünkorridore. Wie Gummibänder wellen sich Fußwege rund um die Bebauung und schaffen eine nahbare Distanz. Kleinkronige Obstbäume, wie Mispel und Kreuzdorn werden mit Rosen und Schneeball zu relativ dichten und farbenfrohen Gehölzinseln verdichtet, artenreiche Wiesen und Landschaftsrasen gliedern die offenen Flächen. Der städtebauliche Raum, die Durchblicke bleiben, wer aber grün und Schatten sucht, wird fündig. Hier ist viel Raum für Aneignung, Gärtnerei, naturnahe Erholung, Sport und gelebte Nachbarschaft. Der Kohlekai am Stichkanal und der charaktervolle bauliche Bestand geben Anlass diesen Uferabschnitt als lineare und harte Promenade zu gestalten. Auf überbreiten Uferwegen schaffen multicodierte Möbel, wie lange Bänke und Grilltonnen ein urbanes Freiraumprogramm. Betonflächen, Schotter und Stahl grenzen nahtlos ans Grün. Die urtümliche und schnell wachsende Robinie mit ihrer lichtdurchlässigen Krone wird als Baumart dieser Conti-geprägten Industrielandschaft in Reihe verwendet. Präriestauden und Gräser ergänzen die trockenen Biotope um Vielfalt und Struktur. Straßenräume sind Freiräume, der Platz am Conti-Turm findet auf einem durchgehenden Belag statt. Die Differenzierung geschieht über breite Einfassungen von Grün- und Spielflächen, hier entstehen Zonen ohne Geschwindigkeit für Möblierung, Gastronomie, informellen Sport. Die umlaufenden Baumkronen unterstützen die Raumbildung, ein grünes Schattendach ist Ort des Sommers und Puffer zwischen Spiel und Verkehr. Über allem funkt der Conti-Turm für Orientierung.

Mobilitätskonzept | Vorgesehen ist ein konsequentes Mobilitätskonzept, das weniger auf großmaßstäbliche und teure Infrastrukturausbauten setzt, sondern das Mobilitätsverhalten durch hochwertiges Fahrradparken, funktionale Mobilitätsdienstleistungen und einen geringen Stellplatzschlüssel für Pkw beeinflusst. Es wird davon ausgegangen, dass die meisten Wege der zukünftigen Bewohner:innen mit dem Rad, mit dem Bus, zu Fuß oder mit Sharing-Angeboten getätigt werden. Unter dem Motto die „Wasserstadt als Fahrradstadt“ ist ein umfassendes Wegenetz für den Rad- und Fußverkehr geplant, während die Anbindung für den Kfz-Verkehr bewusst nur über die Wunstorfer Straße erfolgt. Je Wohneinheit werden 2,5 Fahrradplätze geschaffen, die sich eingangsnah in den Erdgeschossen und für Besucher:innen im Freiraum befinden. Für Pkw sind 0,5 - 0,6 Stellplätze je Wohneinheit in Quartiersgaragen bzw. Mobility Hubs geplant (mit Ausnahme des Baublocks südlich der Wunstorfer Straße). Im Gegensatz zu Tiefgaragen können diese mit der geplanten Geschosshöhe von 3,00 m bei Bedarf später umgenutzt werden. Die Erdgeschosszonen werden durch Sharing-Angebote, Fahrradwerkstätten sowie Kioske, Bäckereien und Ähnlichem belebt. Die Mobility Hubs dienen somit auch als Treffpunkte in den Nachbarschaften. Die Idee eines neues Brückenbauwerks in/aus Richtung Ahlem wurde untersucht, jedoch insgesamt als eher nachteilig bewertet. Aufgrund der erforderlichen Rampenbauwerke (barrierefrei, radverkehrsfreundlich und ggf. bustauglich) verlängern sich die Wege derartig, dass kaum Zeitvorteile gegenüber der Fahrt über die Wunstorfer Straße entstehen. Entscheidend ist vielmehr die subjektiv empfundene Verbindungsqualität, für die z.B. ein Anbau an die bestehende Brücke zu empfehlen wäre. Unabhängig davon ist davon auszugehen, dass die stark autoorientierten Einzelhandelseinrichtungen in Ahlem für Radfahrende wenig attraktiv sind. Die Orientierung des Rad- und Fußverkehrs wird seinen eindeutigen Schwerpunkt in/aus Richtung Osten haben. Für den Busverkehr würde eine Brücke zwar eine Durchfahrung des Quartiers ermöglichen, die baulichen Konsequenzen und damit verbundene Kosten lassen eine neue Buslinie mit Endhaltestelle im Quartier jedoch vorteilhafter erscheinen. Eine Fährverbindung wird im Hinblick auf die Alltagstauglichkeit (Fahrzeit und Kosten) nicht weiterverfolgt, könnte das Konzept aber bei Bedarf ergänzen.

Beurteilung durch das Preisgericht

Das Gremium würdigt die Weiterentwicklung des Entwurfes und den robusten flächeneffizienten Städtebau, welcher sich mit der Umgebung vernetzt. Die Quartiersbildung wurde geschärft und die Wasserbeziehung der Wohnungen stärker ausgeprägt. Kritisch wird jedoch die grobmaschige städtebauliche Körnung gesehen. Die Qualität des Entwurfes liegt in der Kompaktheit der Gebäude, welche eine ökonomische Basis für qualitätsvolle Architektur schaffen, wobei allerdings die Realisierbarkeit von gut belichteten Wohnungen bei den größeren Bundtiefen kritisch zu sehen ist. Der Entwurf lässt eine Vielzahl an Wohnungstypologien und Wohnungszuschnitten zu, allerdings ist die Größe der Wohneinheiten im Wesentlichen überdimensioniert. Die Bezugnahme des Entwurfes auf die alten Conti-Anlagen und die Einbindung der Denkmäler wird begrüßt. Es besteht eine Dialektik zwischen dem Wasserturm und den Bestandsgebäude. Die Grünzüge tragen zu einer Vernetzung zwischen den Wasserräumen bei. Kontrovers diskutiert wurde der Ansatz, die Qualitäten aus der Geschichte des Ortes mitzunehmen, wobei die Großstrukturen zwischen Bestandsgebäuden und dem Conti-Turm bezüglich der Wirkung auf die städtischen Räume hinterfragt wurden. Die Ost-West Beziehung wird über unterschiedlich große dreieckige Plätze geschaffen, auch eine Verbindung zum ersten Bauabschnitt wird auf diese Weise hergestellt. Teile des Gremiums hinterfragen jedoch die Aufenthaltsqualität der Plätze aufgrund der ineinanderfließenden, undefinierten Stadträume. Die Bezugnahme zur umgebenden Landschaft wird vom Gremium begrüßt. Der Uferweg fügt sich auf natürliche Art und Weise in die städtebauliche Komposition und Umgebung ein.


Insgesamt verfolgt die Arbeit einen Entwurfsansatz, der ausgehend von der Geschichte des Ortes einen innovativen Ansatz verfolgt, welcher einen interessanten Beitrag zum Verfahren darstellt.

Wohnen am Kohlekai
Visualisierung: Patrick Drescher, Bremen

Wohnen am Kohlekai Visualisierung: Patrick Drescher, Bremen

Lernen von Limmer

Lernen von Limmer

Konzept

Konzept

Lageplan

Lageplan

Grünes Netzwerk

Grünes Netzwerk

Wasserstadt Limmer 2. Bauabschnitt

Wasserstadt Limmer 2. Bauabschnitt

Mobilitätskonzept

Mobilitätskonzept

Kulturerbe Continental

Kulturerbe Continental