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Offener Wettbewerb | 02/2022

Neugestaltung Rheinallee in Boppard

Uferpromenade

Uferpromenade

Anerkennung

Preisgeld: 10.000 EUR

A24 Landschaft

Landschaftsarchitektur, Stadtplanung / Städtebau

Erläuterungstext

RHEINALLEE – Ein verbindendes Freiraumband entlang des Rheinufers


Mit der Rheinallee tritt die Innenstadt Boppard direkt an die Ufer des Rheins. Diese besondere Lagegunst ist nahezu einzigartig im ohnehin an Attraktionen nicht armen Weltkulturerbe Mittleres Rheintal. Früher eine mondäne Flaniermeile und beliebtes Ausflugsziel hat sich der Glanz alter Zeiten im Laufe der Jahrzehnte immer mehr in funktionalen Zwängen verloren. Heute präsentiert sich die Rheinallee als verkehrsdominierter Raum ohne Eleganz und Aufenthaltsqualität. Die Neugestaltung soll den Glanz alter Zeiten herauskitzeln und die historische Stadtkulisse, wie die kurfürstliche Burg, wieder stärker in den Vordergrund rücken. Hierdurch wird insbesondere die wasserseitige Visitenkarte gestärkt und ein attraktiver Ankunftsort für die Tagesbesucher mit Ausflugsbooten geschaffen. Gleichzeitig soll das zentrale Rheinufer wieder stärker an die historische Altstadt angebunden und mit dieser verwoben werden. Die freigeräumte Rheinallee schafft eine neue Großzügigkeit und vereinfacht die Orientierung, gleichzeitig fokussiert sie wieder stärker auf bedeutsame Fassaden, Relikte und das weite Landschaftspanorama. Andererseits soll das Rheinufer aber auch einen zeitgemäßen Auftritt erhalten, der dem Alltag der Bürger gerecht wird. Gefragt ist ein multifunktionaler Raum, der unterschiedlichste Interessen vereint und durch neue Aufenthalts- und Freizeitqualitäten die Transformation weg von einem verkehrsdominierten Raum transportiert. Das Rheinufer wird zu diesem Zweck neu geordnet und stringent und nachvollziehbar gegliedert. Die vorhandene Unterteilung mit der markanten Baumallee im Zentrum dient als Orientierung. Die Rheinallee schafft eine starke Klammer zwischen den landschaftlichen Polen an beiden Enden und dem urban gestalteten zentralen Abschnitt – eine Klammer zwischen ruhigem Naturerlebnis und lebhaftem Stadtleben.


Das Konzept einer autofreien Rheinallee sieht die Freihaltung des zentralen Abschnitts zwischen Burgplatz und XX Straße vom Individualverkehr vor. Hier soll dem Fuß- und Radverkehr mehr Raum gegeben werden. Lediglich Bus, Taxi sowie Anlieferung können die Hotels und Geschäfte anfahren sowie Anlieger ihre Grundstücke. Der ruhende Verkehr wird komplett herausgenommen und somit die visuelle Barriere zum Rhein erheblich reduziert. Eine neue Parkgarage für bis zu 200 Pkw wird auf dem Grundstück Rheinallee/Kaiser-Friedrich-Straße positioniert und bündelt den parkenden Verkehr außerhalb der zentralen Rheinallee. Reisebusse nutzen den St.-Remigius-Platz am westlichen Ende der Rheinallee.


RHEINALLEE – Flanieren in historischer Stadtkulisse


Die neue Uferpromenade greift die bestehende Grundgliederung auf und entwickelt diese stringent weiter. Die Uferkante mit einer Mindestbreite von 3,00 m ist dem langsamen Flanieren ausschließlich für Fußgänger vorbehalten. Ein homogener, gut begeh- und berollbarer Asphaltbelag mit einer hochwertigen, hell eingefärbten Oberfläche schafft einen ruhigen Rahmen um alle Promenadenelemente einzubinden. Die mineralische Abstreu aus einem grobkörnigen Material sorgt für eine rutschfeste, witterungsbeständige Oberfläche. Die wasserseitige Promenadenzone liegt bis zu 45cm tiefer als die stadtseitige Bewegungszone. Der erneuerte Mauerkopf auf der historischen Kaimauer wird als breites Betonband ausgebildet, das als zusätzliche Linie in der Promenade die Uferkante stärkt. In unregelmäßigen Abständen integriert das Band Sitzelemente zum Verweilen mit Blick auf den Rhein. Die Absturzsicherung wird durch ein filigraneres Stahlgeländer erneuert und erhält somit eine größere Leichtigkeit, abschnittsweise mit einem breiten Handlauf aus Holz zum Aufstützen.


Schnellere Fortbewegungsarten werden stadtseitig in einem 4,00m breiten Mobilitätsband gebündelt. Das Mobilitätsband hebt sich durch einen Asphaltbelag mit einer dunkleren Farbschattierung hervor, eingefasst durch Stahlkanten. Der Streifen für Schnellverkehre wird mit einer dunkleren feinkörnigen und rollfreundlichen Oberfläche ausgestaltet. Hierüber wird der Radverkehr entlang des Rheins in beide Richtungen abgewickelt. Dieses Gliederungsprinzip erlaubt auch eine gute Integration des überregionalen Fernradwegs. Die Befahrbarkeit in reduzierter Geschwindigkeit, im Sinne eines Shared Space, erfordert Rücksicht von allen Verkehrsteilnehmern. Besonders stark frequentierte Querungen von Fußgängern werden durch Bodenmarkierungen und aufgeraute Matritzenoberflächen angedeutet. Die Nutzung durch Anlieferverkehre sowie Vorfahrten für Taxis und Reisebusse zu den Hotels und Schiffsanlegern werden auf bestimmte Tageszeiten reduziert. Anliegergrundstücke können weiterhin über die Rheinallee angefahren werden. Eine vorgelagerte Zone definiert einen schmalen Antritt vor den Gebäudeeingängen und abschnittsweise Bereiche für Kurzzeitparker und Anlieferung. Die unterschiedlichen Wegebänder werden in farbigem Asphalt aus aufeinander abgestimmten Helligkeitskontrasten hergestellt.


Die vorhandene Zwischenzone mit den Baumpaketen schafft einen grünen Filter und eine wichtige Pufferzone zwischen den unterschiedlichen Geschwindigkeitszonen. Durch die Herausnahme des parkenden Verkehrs wird eine neue Großzügigkeit und visuelle Durchlässigkeit zum Rheinufer erzielt. Die leicht geneigten Flächen werden zu extensiv begrünten Rheinuferwiesen umgewandelt. Die Allee mit dem ausgewachsenen Baumbestand schafft ein wichtiges räumliches Element und betont die Leitlinie entlang des Ufers. Stadtseitig angelagerte Nutzungsbänder aus Rasenfugenpflaster intergieren unter dem schattigen Baumdach die Außenbestuhlung für die benachbarte Gastronomie aber auch Fahrradbügel und Sitzelemente. Leuchtenreihen werden beidseitig des Wiesenbandes positioniert. Gezielte Unterbrechungen an wichtigen Anknüpfungspunkten schaffen eine Rythmisierung des Rheinufers. Diese unterbrechenden Platzfugen verzahnen Innenstadt und Rheinufer eng miteinander. Die momentan als Parkplatz genutzte Platzfläche des Karmeliterplatzes erhält eine neue Aufenthaltsqualität mit Sitzelementen unter einem schattigen Baumdach. Die vorhandene Gehölzstruktur wird dazu punktuell vervollständigt. Der Bodenbelag aus Natursteinpflaster orientiert sich am bereits hergestellten Burgplatz und greift die Materialität der Innenstadt auf. Gerahmt wird die Platzfläche durch ein breites Band aus Corten-Stahl. Dieses Gliederungs- und Materialprinzip ist Leitmotiv für sämtliche Platzfugen innerhalb der Rheinallee. Die rudimentär vorhandene Klinkermauer, die die erhöht liegende Platzfläche von der Uferpromenade abtrennt, wird durch eine Stufenanlage aus Corten-Stahl ersetzt und schafft eine größere Transparenz zwischen tiefer liegender Promenadenebene und Platzfläche. Farblich orientiert sich das rostrot der Stahloberfläche am Klinkermaterial der ehemaligen Mauer. Ein zusätzliches Platzfragment erweitert den Karmeliterplatz bis an das Rheinufer. Die stringente Linie des Ufermobiliars löst sich auf dem zurückversetzten Platz in gebrochene Linien auf. Die verteilten Ticketschalter der Fahrgastschifffahrt werden in einem zentralen Kiosk zusammengefasst. Der denkmalgeschützte Kiosk im Osten wird als einziger erhalten und in die Neugestaltung integriert. Ein zweiter Kiosk im Westen ergänzt das Nutzungsangebot und schafft einen visuellen Fixpunkt in der Uferabfolge.


Ein Teil der nicht mehr benötigten Rampen zum Rhein wird zugunsten grüner Ufergärten zurückgebaut. Die befestigten Flächen werden somit reduziert und zur Wasserreinigung und Verdunstung genutzt. Die Ufergärten stärken den engen Bezug zur Flusslandschaft und schaffen Retentionsräume mit einer hohen Biodiversität. Gleichzeitig schaffen sie ein weiteres Alleinstellungsmerkmal welches eng mit den landschaftlichen Qualitäten des Mittelrheintals verbunden ist. Während die meisten Ufergärten nicht begehbar sind und ökologische Rückzugsräume für Flora und Fauna schaffen, werden sie im zentralen Abschnitt zwischen Bestandspavillon und Fähranleger in eine breite Sitzstufenanlage am Rhein integriert. Die durchgrünten Rheinterrassen schaffen eine markante Vernetzung von Promenade und Flussufer. Breite Sitzstufen aus Beton, zum Teil ergänzt durch Holzauflagen, werden durch große Pflanzgefäße ergänzt. Die weiche Vegetation schafft einen atmosphärischen Kontrast zur architektonischen Stringenz.


PROMENADENKÖPFE – Übergänge in die Landschaft


Während der zentrale Promenadenabschnitt urban gestaltet ist und das Gesicht der Altstadt in Szene setzt geht in den Randbereichen die Promenade in landschaftliche Parks und Uferzonen über. Der homogene Promenadenbelag aus hochwertigem Asphalt geht hier in die Parkwege aus wassergebundener Wegedecke über. Die homogene, mineralisch geprägte Oberflächenstruktur sorgt für eine gestalterische Kontinuität und zieht den gesamten Uferabschnitt zu einem gestalterischen Band zusammen.


Die denkmalgeschützte Parkanlage Georg-Francke-Anlagen mit ihrem ausgewachsenen Altbaumbestand wird lediglich punktuell überarbeitet und bildet einen stimmungsvollen Hintergrund. Der dichte Baumbestand schafft eine angenehm schattige Atmosphäre, die in starkem Kontrast zum offenen Rheinufer entlang der Innenstadt steht. Die freie Baumstellung steht im Kontrast zur geordneten Alleestruktur im urban gestalteten Uferabschnitt.

Ein gezielter Eingriff schafft Raum für eine temporäre Bühne, die den heutigen Ansprüchen und Zuschauergrößen entspricht. Außerhalb der Sommermonate betont der Bereich eine platzartige Fuge als Klammer zwischen historischer Stadtmauer und Rheinufer. Die Bühne selber ist als leicht erhöhte Platzintarsie ausgebildet. Je nach Größe der Veranstaltung können im Bereich des befestigten Platzes XX Zuschauer platzfinden und auf der angrenzenden Wiese noch einmal um 200 Zuschauerplätze ergänzt werden. Der historische Musikpavillon wird als Teil der Kulisse erhalten und kann für den Backstagebereich genutzt werden. Die Bühne ist über die Rheinallee gut andienbar. An der Uferspitze an exponierter Stelle betont ein balkonartiger Platz ein etwas tiefer liegendes Aussichtsplateau mit Sitzstufen. Die weiter östlich liegende Rampe führt an das naturnahe Rheinufer. Informelle Aufenthaltsbereiche schaffen Berührungspunkte inmitten der rauen Uferzone im Überschwemmungsbereich. Der Strauch- und Baumaufwuchs wird ausgelichtet um den Blick auf die Flusslandschaft freizugeben.

Beurteilung durch das Preisgericht

Die Verfasser beschreiben in ihrem Beitrag ein verbindendes Freiraumband entlang des Rheins. Dabei geht es ihnen einerseits um eine bessere funktionale Verknüpfung der historischen Innenstadt mit dem Rhein, andererseits aber auch um einen zeitgemäßen Auftritt, der dem Alltag der Bürger gerecht wird.

Aus diesem Grundverständnis abgeleitet, verzichtet der Entwurf auf spektakuläre Einzelelemente, sondern versucht mit einem ausgewogenen Kanon unterschiedlicher Freiraumtypologien eine Antwort auf die vielfältigen Herausforderungen der langen Rheinfront zu finden.


Die geplante Promenade orientiert sich an der bestehenden Gliederung und entwickelt auf dieser Basis ein stabiles und realisierbares Grundgerüst. Die 3.00 m breite Uferkante bleibt ausschließlich den Fußgängern vorbehalten, während das 4.00 m breite Mobilitätsband für die die notwendigen Erschließungen zur Verfügung steht. Die erforderlichen Querungen sind eindeutig gesetzt und sollen zusätzlich markiert werden. Diese unterschiedlichen Wegebänder sollen durch feinabgestufte Helligkeitskontraste sichtbar gemacht werden. Ob die vorgeschlagenen Asphaltflächen den vielfältigen Anforderungen an diesem Ort gerecht werden können, wird kritisch hinterfragt.

In diese einfache Grundstruktur sind die weiteren Elemente wie die Baumpakete, die unterschiedlich bespielten Grünflächen und weitere funktionale Elemente wie Fahrradbügel, Bänke, usw. platziert. Diese klare Haltung führt zu einer wohltuenden Kontinuität, die aber an den besonderen Orten wie z.b. dem Karmeliterplatz, der Burg und der Georg Franke Anlage durch eine spezifische Gestaltung bereichert werden soll. Insbesondere kann die zentral angelegte breite Sitzstufenanlage die unterschiedlichen Niveaus gut miteinander verbinden und ermöglicht ein direkteres Erleben des Rheins. Allerdings wird die dauerhafte Qualität der Anlage angezweifelt, da dieser Bereich durch die regelmäßigen Überflutungen sehr stark beansprucht werden wird und auch die barrierefreie Erreichbarkeit nicht gegeben ist. Die dargestellten Pflanzbereiche sind so nicht umsetzbar. Vermisst werden weiterhin attraktive Veranstaltungsflächen mit entsprechenden Angeboten, die im Rahmen der Bundesgartenschau genutzt werden können. Der Erhalt des vorhandenen Pavillons kann in diesem Zusammenhang nicht überzeugen und eine gut nutzbare Bühne wird nicht angeboten. In den dargestellten sorgfältig entwickelten Details ist eine solide Handschrift zu erkennen, die eine gute Qualität der komplexen Bauaufgabe erwarten lässt. Allerdings sind die Cortenstahl-Elemente sehr dominant und erscheinen nicht mehr zeitgemäß und ortsunspezifisch. Ebenso werden die Pavillons in dieser Form nicht benötigt und sind auch aus wasserwirtschaftlicher, gastronomischer und Welterbe-Sicht kritisch beurteilt.


Die Promenadenköpfe werden explizit als Übergänge in die Landschaft ausgebildet, wodurch auch ein klarer Anfang und ein eindeutiges Ende der städtischen Promenade erkennbar wird. Die Idee die nicht mehr benötigten Rampen und Befestigungen zurückzubauen und die Flächen eher als ökologisch wirksame Grünräume zu verstehen ist sehr attraktiv, muss jedoch aus wasserwirtschaftlicher Sicht überprüft werden. Eine welterbeverträgliche Realisierung erscheint grundsätzlich möglich, wenngleich einzelne Entwurfsbausteine dahingehend einer Überarbeitung be dürfen.


Insgesamt sind die strukturellen Ansätze und die gut durchdachten Gesamtgestaltungsprinzipien dieses Beitrags durchaus fundiert. Allerdings ist seine Ausstrahlung und Materialisierung insgesamt nicht kontextgerecht und der Entwurf bietet zu wenig Anknüpfungspunkte für die Integration der Aktivitäten der Bundesgartenschau.

Uferplatz

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