Mehrfachbeauftragung | 11/2021
Quartier an der Schäferlinde in Herrenberg
©BWK.Architekten
Quartierszentrum, der Hof im Hof
Engere Wahl
Preisgeld: 7.500
Architektur
Erläuterungstext
Städtebau - Das Grundstück
Mit dem Grundstück an der Schäferlinde entsteht die Chance neben dem Stadtzentrum, von Herrenberg und dem BayWa Areal ein neues, innovatives und urbanes Wohnquartier zu realisieren. Eine der Voraussetzungen ist es dabei die Belastungen aus der B296 zu reduzieren und so ein inneres Quartier entstehen zu lassen, dass einen eigenen Charakter und eine hohe Wohnqualität erhalten kann.
Städtebau - Schutz gegen Lärm - Die Umfassung
Durch eine kompakte Randbebauung, die sich konsequent in den Innenbereich orientiert, wird die Voraussetzung geschaffen einen ruhigen, wertigen und autofreien "Innenhof" zu generieren. Dabei bildet, die auf dem Gelände vorhandene und in die Konzeption integrierte wertvolle Baumsubstanz einen zusätzlichen Distanzraum, der auch eine optische Abschirmung unterstützt.
Städtebau - Öffnung der Ecken - Zugänge des Quartiers
Die Randbebauung wird in Ecken sensibel geöffnet, damit öffentliche Zugänge von der Stadt ins Zentrum des Hofes geschaffen werden können.
Städtebau - Das Quartiersherz - Hof in Hof
Durch die Umgrenzung des Grundstücks entsteht ein ruhiges und idyllisches "Quartiersherz", dass durch eine 2. Ebene zu einem "Hof im Hof" wird und durch eine Verdrehung des inneren Hofs vielfältige, qualitätsvolle und durchgrünte Freiräume generiert, die auf die jeweilige Bebauung aus unterschiedlichen Typologien reagieren. Die entstehenden Platzfolgen sind den jeweiligen Wohnbereichen zugeordnet und brechen lange, monotone Sichtachsen. Qualitätsvolle Aufenthalts- und Begegnungszonen für die Bewohner wechseln sich mit Spielflächen und lebendigen Grünflächen ab.
Städtebau - Umgrenzung des Hofes - Türme und Maisonettes
Das innere Gebäudeband besteht aus zwei Typologien: die Türme und die Maisonetten.
- Die Türme stehen im Zentrum des Hofes und wirken als Referenzpunkte und Fokus des Quartiers
- Die niedrige Maisonettes bilden die Kanten des zentralen Hofs und schaffen einen freundlichen, wohnlichen Maßstab zur Quartiersmitte
Städtebau - Freiräume - Charakter des Quartiers
Da für ein funktionierendes und lebendiges Quartier die Qualitäten der Freiräume eine wesentliche Bedeutung haben, liegt einer der Schwerpunkte auf einer möglichst großen Vielfalt von Platzsituationen unterschiedlicher Ausprägung.
Durch die Verdrehung der inneren Bebauung zur äußeren Umfassung gelingt es variierende, lebendige Freiräume für die äußere und innere Bebauung zu generieren. Es entstehen Freiräume, die sich von halböffentlichen zum öffentlichen Charakter im zentralen Innenbereich entwickeln. Diese Vielfältigkeit prägt den Charakter des Quartiers: Sitzangebote, Spielplätze und Fahrradabstellmöglichkeiten unterstützen die Vielfalt und Lebendigkeit dieses inneren Quartiers. Zusätzliche Gemeinschaftsräume orientieren sich zur Quartiersmitte und ermöglichen zusätzliche Nutzungen an dem neuen Hof im Hof.
Der Erhalt des wertvollen Baumbestandes entlang des Gebietsrandes sowie im Inneren sichert Lebensräume und prägt mit den vorhandenen wertvollen Bäumen den Freiraum.
Versickerungsfähige Oberflächen leisten eine wichtigen Bestandteil zur Minimierung der Versiegelung sowie zur Rückführung des anfallenden Regenwassers innerhalb des Quartiers. Über die offenen Fugen wird mit der eintretenden Verdunstung die Kühlung um Wohnquartier gefördert. Dies wirkt zusammen mit den Beschattungen und der Kühlung durch die erhaltenen großen Bäumen der sommerlichen Erhitzung entgegen.
Städtebau - Erschließung - vom Innenhof
Über die jeweiligen Ecken erfolgen die Haupterschießungswege in das Quartier, fußläufig genauso wie mit dem Rad. Die Hauszugänge werden dabei konsequent von den inneren Straßen des Quartiers erschlossen. Dabei laden breite Zugangswege die Besucher und Bewohner mit Sitzbänken und grünen Inseln zum Verweilen ein und bieten gleichzeitig die erforderliche funktionale Breite für die Feuerwehr. Dezentrale Fahrradabstellplätze bieten Besuchern und Bewohnern eingangsnah die Möglichkeit, Räder abzustellen.
Städtebau - Erweiterung
Das Hof-im-Hof-Konzept bildet den Rahmen für eine weitere Entwicklung des Grundstücks. Mit der Fortsetzung der vorhandenen Typologien kann das Quartier in kohärenter Form vervollständigt werden.
Baukörper - Funktion
Alle drei Typologien sind nach den gleichen Prinzipien konzipiert mit den nachfolgend aufgeführten Unterschieden in ihren Funktionen:
Die Umfassung ist in drei Bändern organisiert mit
- breiten, querliegenden Treppenhäuser an der Straßenfassaden, als Puffer gegenüber dem Verkehrslärm
- einen "Service-Band" an den Treppenhäusern mit den Nasszellen, Küchen und Loggien
- Schlafzimmern zum ruhigen Innenhof
- "Durchwohnen" mit zweiseitig belichteten Wohn- und Essbereichen
- Verglasten Wintergärten an der Straßenfassade als Schutz gegen Lärm
- offenen, großzügigen Balkonen zum inneren Hof
Die Türme sind Bestandteil der zwei innen Bänder als Fokus der Mitte mit:
- Kompakten, innenliegenden Treppenhäusern,
- kurzen "Service-Fluren" in der Mittelachse mit Nasszellen und Küchen
- gutorientierten Zimmern,
- großzügigen Balkonen und grüne Loggien
- eine "grüne Wand" auf der Seite der Nasszelle durch die begrünten Loggien
Die Maisonetten sind in drei Zeilen organisiert mit:
- einer variablen Nutzung als 2-geschossige Maisonette oder gestapelt mit Wohnungen im Erdgeschoss und Maisonetten ab 1.OG
- geschützten Eingangsbereichen
- einläufigen Eingangsbereichen
- einläufigen, internen Treppen oder zur Erschließung der oberen Maisonette
- gutorientierten Zimmern
- großzügige Dachterrassen
- privaten Gärten für jede Wohnung im EG
Ausführung - Abstandsflächen
Durch die Kombination unterschiedlicher Typologien ist eine wirtschaftliche Ausnutzung unter Berücksichtigung langanhaltender Besonnung und eine ausgewogenen Maßstäblichkeit gegeben, bei Einhaltung aller Abstandsflächenregelungen.
Ausführung - Brandschutzkonzept
Die Straßenrandbebauung kann auf Grund der durchgesteckten Wohnungen für die Feuerwehdrehleiter im 2. Rettungsweg erreicht werden. Die inneren Straßen des Hofes sind für Feuerwehrfahrzeuge befahrbar, so dass auch hier ausreichend Flächen für Fahrzeuge und Aufstellleitern zur Verfügung stehen. teilweise werden die Fahrzeuge der Feuerwehr begrünt und werden somit dezent in die Freiflächengestaltung integriert.
Ausführung - Konzeption
Tragende Stahlbetonkonstruktion mit außenliegendem großformatigem Mauerwerk ( nach Schallschutzanforderungen ggf. auch Beton). Tragsystem auf Fertigteile ausgerichtet. Tiefgarage in Stahlbeton. Außenfassaden überwiegend WDVS (strukturiert), Sockelbereiche mit besonderer Behandlung. Sie inneren 2-3-geschossigen Zeilen mit Stahlbetonschotten und ggf. gedämmten und verputzten Mauerwerk a n den jeweiligen Stirnseiten und im DG.
Beurteilung durch das Preisgericht
Die Randbebauung an den Hauptverkehrsachsen, Nagolder Straße und Mühlstraße, ist grundsätzlich richtig. Zur Vermeidung von Schallemissionen wäre eine Schließung der Ecke zielführend gewesen. Nicht gelöst wurde die Problematik des stark abfallenden Geländes, welches in unattraktiven Souterrainwohnungen mündet. Der Umgang mit der anspruchsvollen, vorhandenen topographischen Situation findet zu wenig Berücksichtigung im Entwurfsansatz.
Städtebaulich ist eine Differenzierung des Wohnens an der Schießmauer und den Hauptverkehrsachsen nicht gelungen.
Die Grundstruktur und Höhenentwicklung im Inneren des Quartiers, mit zwei Hochpunkten, den Türmen, angeschlossen an eine Reihe von Maisonetten ist in dieser urbanen Lage nicht nachvollziehbar. Beide Türme werden gleichwertig behandelt und binden sich nicht ins Quartier ein. Die angedachte Nutzung von Gemeinschaftsflächen auf den Dachterrassen der Türme kann u.a. aufgrund fehlender Blickachsen nicht überzeugen.
Die Tiefgarage ist kompakt geplant. Die Erschließung über die Tiefgarage erscheint allerdings nicht vollständig durchdacht. Den Türmen, den Maisonetten und den Häuser C1 und C2 fehlt eine direkte Erschließung zur Tiefgarage und den Nebenräumen. Die Idee des „Hofes der Begegnung“ wird gewürdigt, kann aber in ihrem begleitenden Umfeld nicht überzeugen.
Die geförderten Wohnungen (auch die förderfähigen Eigentumswohnungen) wurden ausschließlich im Planbereich 1 berücksichtig und nicht ins Quartier eingestreut. Eine soziale Durchmischung wäre wünschenswert gewesen.
Die freiräumliche Gesamtkonzeption bietet keine klare Differenzierung zwischen öffentlichem und privaten Freiraum. Der Hof wird durch die Wegführung und Stellung der Häuser akzentuiert, bietet jedoch keine spannenden Blickräume und verliert an Prägnanz durch die Vielzahl an kleinteiliger Platz- und Spielbereichen.
Die konzeptionelle Idee des Entwurfs, die starke Differenzierung von V-VI-geschossiger Randbebauung und teilweise II-III-geschossiger kleinteiligen Innenbebauung kann für einen städtischen Quartiersansatz nicht überzeugen.
©BWK.Architekten GmbH
Straßenansicht Mühl-Nagolder Straße
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Quartierszentrum, der Hof im Hof
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Lageplan 1_500
©BWK.Architekten GmbH
Lageplan als Vision 1_500